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# taz.de -- TOM im Gespräch: „Ich greife in mein Hirn rein“
> Woher kommen die Ideen? Wie entstehen Charaktere? TOM über hartnäckige
> „Wachturm“-Verteilerinnen, gemeine Bademeister und die richtige
> Nasenlänge für eine Comic-Figur.
Bild: Jeden Tag ein Touché!
Schön, du Zeit für das Interview gefunden hast. Du bist ja gerade in
Richtung Urlaub unterwegs...
TOM: Ja, nächste Woche. Der ist jetzt dummerweise ein paar Tage verkürzt,
weil meine Freundin doch früher wieder arbeiten muss. Aber ich fahre ja
mehrmals im Jahr in Urlaub, insgesamt sechs, sieben Wochen sind es schon
bei mir.
Erstaunlich. Du machst seit 17 Jahren den Tages-Strip Touché in der TAZ.
Wie kriegst du das trotz Urlaubs auf die Reihe? Die ganze tägliche Routine
auch in den Ferien?
Früher habe ich das öfter gemacht - aber ich versuche, das jetzt zu
vermeiden. Es ist einfach blöd aus dem Urlaub und ich bin nach drei Tagen
dermaßen weg vom Arbeiten, also vom Streifen machen. Ich brauche auch
keinen Stift mehr mitzunehmen und so, das habe ich früher immer gemacht,
jetzt nicht mehr.
Machst du jetzt Strips auf Vorrat?
Ja. Na ja, ich habe vor ein paar Jahren zum 10jährigen durchgesetzt, dass
ich pro Jahr bei der taz zwei Wochen auf jeden Fall freikriege, weil ich
gelesen habe, dass Bill Watterson und Gary Larson von den Zeitungen her
verpflichtet waren, jedes Jahr vier Wochen so Sabbaticals zu machen. In den
USA ist das wohl Vorschrift, dass die sich auch mal ein bisschen erholen.
Und dann bringen sie alte Sachen und die werden dann auch bezahlt. Und ich
kriege seit ein paar Jahren zwei Wochen frei. Wenn ich dann drei Wochen
wegfahre, dann kann ich schon 10 Tage vorproduzieren. Das schaffe ich in
einer Woche schon.
Diverse Vorwortschreiber in deinen Strip-Sammelbänden und verschiedene
Achterbahn-Pressemitteilungen rühmen, dass du dir selbst gegenüber ein
brutaler Arbeiter seist. Ich zitiere: "Urlaub, Aussteigen, Krankheit, alles
Dinge, die für den im Schaffenswahn gefangenen Hochleistungskünstler nicht
existieren."
Bei diesen Pressetexten tauchen erstaunlicherweise immer Dinge auf, die 15
bis 16 Jahre alt sind. Ich erkenne die mittlerweile an den Wendungen, die
da zusammengeschrieben sind. Zum Beispiel jetzt gerade hatte ich eine
Ausstellung, dazu stand auch in der Presse, dass ich mit dem Faxgerät
verreise. Ich meine, kein Mensch verreist mehr mit einem Faxgerät. Wenn ich
verreise, dann habe ich einen Laptop dabei und so einen schmalen kleinen
Scanner, das geht über das Internet. Ich mache ja nicht nur die Streifen,
ich habe auch noch verschiedene andere Kunden, deren Sachen ich schlecht
vorproduzieren kann, weil ich da meistens Texte kriege, die ich noch
bearbeiten muss.
Sind das vor allem Werbeaufträge, oder sind da auch viele Arbeiten dabei,
die du aus Spaß und Idealismus machst?
Da sind Sachen dabei, die gegen Geld passieren, weil ich es einfach
brauche.
Wie läuft das grafisch ab, wenn jemand bei dir eine Werbung in Auftrag
geben möchte? Würdest du das auch in derselben Anmutung machen wie die
Touché-Strips, oder ist das ein Markenzeichen, das du nicht mit Werbung in
Verbindung bringen möchtest?
Die normalen Touchés halte ich mir schon für die Zeitung frei, die werden
ja auch für verschiedene Zeitungen nachgedruckt, und zum anderen kommen
diesbezüglich auch nicht die Anfragen von der Werbung. Aber wenn sie denn
kämen würde ich die Strips nicht für Werbung benutzen wollen, weil die dann
eventuell für Zeitungen, die die nachdrucken wollen, verbrannt sind. Also,
das Format mit diesen Streifen übernehme ich möglicherweise schon, aber ich
nehme eigentlich nicht meine festen Figuren. Das mache ich nur für die taz.
Allgemein, von der Werbung ist schon lange nichts mehr gekommen. Vor zehn
Jahren war recht häufig etwas, heutzutage scheinen meine Knollennasen
zumindest für die Werbung nicht mehr so interessant zu sein.
Dabei werden die Nasen deiner Figuren immer knolliger, bei den ganz alten
Strips waren die Nasen noch deutlich kleiner.
Ja, ich habe ursprünglich mit Knicknasen angefangen. Und die allerersten
Cartoonfiguren hatten lange Oberlippen. Ich dachte, ich muss was anderes
machen als die anderen.
In einem anderen Interview heißt es in einer Selbstbezichtigung
deinerseits: "erfolgreiche Jugend (Mähne, Mädchen, Mopeds)". Bei deinem
neuen Band habe ich mich dann angesichts des sehr häufig auftauchenden
frühpubertären Zehnmeterbrett-Freibad-Philosophen gefragt: Wie viel eigene
TOM-Jugend fließt da ein?
Also ja, ein bisschen schon. Ich gehe nicht viel ins Schwimmbad, aber ich
war als ich klein war ganz oft. Das waren diese ewig langen Sommer, die man
in Erinnerung hat. Und da gehören die Bademeister zum Beispiel so zu den
ersten erlebten Erwachsenen, also, ich war nicht im Kindergarten, ich bin
frei aufgewachsen, sozusagen wild.
In Lörrach....
In Lörrach, genau, und dann bin ich mit sechs in die Schule gekommen, und
die Jahre davor war ich eben im Schwimmbad. Da waren die ersten außer
meinen Eltern, die mir was zu sagen hatten, die Bademeister. Die haben uns
dann angebrüllt, und die fand ich immer sehr cool.
Und sind da in den Strips noch direkte Erinnerungen an coole
Bademeistersprüche drin? Oder sind das inzwischen allgemeine Variationen
über den Charakter?
Ich mache keine autobiographischen Comics, auf keinen Fall. Ich greife halt
in mein Hirn rein, und da sind sicher auch Reste von Erfahrung und Erleben
drinnen, aber auch einfach Quatsch. Ich starre vor mich hin und in mir
formt sich ein Witz und dann ist er da, und zu wie viel Prozent der nun von
wo kommt, da mache ich mir keine Gedanken. Die Bademeister mache ich ganz
gerne. Also ich habe die am Anfang auch mal rumlaufen lassen im Schwimmbad,
habe andere Perspektiven eingebaut, aber mittlerweile habe ich die so auf
diesen Beckenrand festgenagelt, weil das eben auch so eine einfache, simple
Bühne ist. Dadurch hat das auch schon eine gewisse Form erreicht, die
ähnlich auch so bei dem Postschalter ist. Und der mit dem Zehnmeterbrett,
der ist von alleine entstanden, keine Ahnung, wie das war. Also, ich habe
Sprungbrettwitze gemacht oder das Sprungbrett gezeichnet, dann habe ich es
aber immer wieder rausgenommen aus dem Bild, das Sprungbrett ist jetzt im
Off. Und dann war da ursprünglich die Gestalt von diesem kleinen Jungen,
der schwimmen lernen soll und sich immer mit blöden Sprüchen dagegen wehrt.
Letztendlich ist er zu dem Zehnmeterturm-Erklärer geworden und denkt sich
jetzt irgendeinen Quatsch aus, warum er unter dem Zehnmeterturm steht.
Gibt es Moden für die Charaktere? Kommen manche Figuren öfter vor, weil sie
so gut ankommen? Oder ist das mehr oder weniger Zufall?
Das richtet sich eigentlich eher nach der Ideenlage. Also nach den Lesern
kann man sich sowieso nicht richten, weil das eher sporadische Reaktionen
sind. Und wenn ich Reaktionen habe, dann wenn ich irgendwo in der
Öffentlichkeit bin, signiere oder auf Buchmessen rumsitze. Da habe ich
direkt mit Leuten zu tun. Aber ich richte mich eigentlich nach der
Ideenlage, die ist etwas zwingender.
Und auf die Weise fallen dann auch mal Charaktere hinten runter, weil sie
für dich nicht mehr interessant sind?
Ja. Zum Beispiel diese Sandburgen-Geschichten, die habe ich ein, zwei Jahre
richtig aufgezogen, jetzt fällt mir gerade nichts dazu ein. Dann stelle ich
die einfach mal in die Garage und wenn es an der Zeit ist, dann hole ich
sie wieder raus.
Warum mussten meine TOM-Lieblingsfiguren, die Frösche, dran glauben?
Damit war ich immer nicht so zufrieden. Ursprünglich wollte ich es
vermeiden, Tierwitze zu machen. Sprechende Tiere, das ist eine spezielle
Ecke dieses Genres. Ich wollte eigentlich mit Leuten arbeiten. Deswegen
habe ich die Serie auch anders genannt, die hieß ja "Frog up" und nicht
Touché. Das ist ewig her, zehn Jahre. Aber wie halt so Serien entstehen, da
hat man so ein, zwei, drei Ideen, die zu bestimmten Figuren passen und
irgendwann ist gerade Storchzeit, und da nerven mich die Leute auch immer
wieder, was mit den verdammten Fröschen los ist.
Wenn du Cartoon-Charaktere nimmst, an denen du über viele Jahre immer noch
selbst Interesse hast, wie zum Beispiel die Post-Oma oder die Bademeister:
Gibt es aus deiner Sicht eine Formel für einen Comicstrip-Erfolgscharakter?
Ich mache mir da nicht so viel Gedanken. Ich meine, wenn ich so in einer
Interviewsituation bin, und mir dann solche Fragen gestellt werden, dann
bin ich meistens auch ein bisschen ratlos, weil ich mir selbst diese Fragen
einfach nicht stelle. Weil ich einfach seit 17 Jahren von Tag zu Tag
zeichne. Natürlich gibt es ein paar Witze, die ich klasse finde, und Witze,
die ich nicht klasse finde, und Figuren, die ich mehr mag als andere
Figuren, aber ich setze mich nicht hin und überlege mir: Warum mache ich
das, worin liegt die Faszination dieser Figur? Ich setze mich hin, ich muss
einen Witz abliefern, ich überlege. Aber es ist eher so ein
Nach-vorne-Zeichnen, ich schaue nicht so weit nach hinten und ich staune
immer wieder, wenn dann so Analysen kommen. Ich zeichne einfach, das ist
immer eine relativ spontane Sache. Und wenn ein Witz fertig ist, muss ich
im Prinzip schon an den nächsten denken. Der Theoriebereich ist sehr, sehr
trocken.
Dann erübrigt sich meine Mutmaßung, dass die in jüngerer Zeit drastische
Zunahme von Hanni-und-Nanni-Wachturm-Strips mit einer besonders
religionskritischen Phase deinerseits einhergehen könnte?
Ach, ich habe das mit der Religionskritik immer wieder rausgenommen. Am
Anfang habe ich es noch drin gehabt, aber was bei Hanni und Nanni diese
Faszination ausmacht, ist auch dieses klassische Buddy-Prinzip, dass du ein
Pärchen hast, die miteinander irgendwie Dinge überstehen müssen. Und dann
eben auch dieses, was ich bei diesen Leuten auch bewundere. Bei fremden
Leuten klingeln und ihnen etwas andrehen wollen, was die nicht haben
wollen. Also, es ist noch schlimmer als ein Staubsaugerverkäufer, die
müssen über Dinge reden, die eigentlich keiner mehr hören will heutzutage,
und die Faszination zu klingeln und was passiert dann hinter dieser Tür ...
Also dich interessiert eher die Situation als die Religion?
Ich habe vor vielen Jahren zufällig mit diesen Leuten zu tun gehabt. Im
Urlaub erstaunlicherweise, da waren wir auf den Kanaren. Und da tauchten
plötzlich deutsche Zeugen Jehovas auf und haben uns dann wirklich zwei,
drei Tage lang genervt. Da hatten wir ein ganz abgelegenes Häuschen und da
standen die morgens immer auf der Matte und haben uns zugetextet. Da war
ich ein bisschen ärgerlich am Anfang, weil es doch eine Art von verbaler
Gewalt ist, wenn die Leute geschult sind im Reden und einen morgens vor dem
Frühstück kalt erwischen, und dann aber auch über Dinge reden, von denen
man selbst überhaupt keine Ahnung hat, dann immer so tun, als würden sie
einen fragen, aber dabei immer auch Sachen loswerden wollen. Das fand ich
sehr ärgerlich. Da war es dann so, dass ich gedacht habe: Okay, jetzt musst
du mal Zeugen-Jehovas-Witze machen. Ich habe neulich mal die alten Bücher
durchgucken müssen, und da gab es alte Hanni-und-Nanni-Witze, die hießen
noch gar nicht so. Und dann hat das ein wenig geruht und irgendwann
tauchten sie wieder auf, aber eben nur noch in Form des Klingelns an der
Tür.
Wäre es dir um die Religion gegangen, hätte ich jetzt spekuliert, dass nach
den Auseinandersetzungen um deren neue Zentrale in Berlin bald
Scientology-Strips kommen.
Ach Gott, die sind doch langweilig. Nein, ich möchte meine Streifen auch
zeitlos halten, auch indem ich solche aktuellen Sachen rauslasse, weil ich
natürlich auch davon lebe, dass ich diese Streifen immer wieder verkaufe.
Die werden ja auch in vielen Zeitungen nachgedruckt. Eine Zeit lang am
Anfang ist immer mal Kohl aufgetaucht, das sind Streifen, die sind einfach
verbrannt. Die kannst du nicht mehr wiederholen. Bei den anderen gucke ich,
dass die zeitlos sind.
Aber in manchen Sachen bist du auch bewusst retro, oder? Es heißt ja immer
noch "Eineinemarkmarke".
Also, dieses Markenphänomen: Als das umgestellt wurde, da habe ich
Leserbriefe gekriegt: "Die Eineinemarkmarke darf nicht sterben" und so. Es
gibt einen Streifen, in dem wird das komplett geklärt. Und zwar
funktioniert das ungefähr so, dass der Postbeamte die Oma wieder anmacht,
dass das nicht mehr Eineinemarkmarke heißt, und dann hält sie ihm
Papiertaschentücher hin, und sagt "das sind Tempos, und das Mineralwasser
ist Selters." Also es gibt Produktnamen, die für bestimmte Produkte stehen,
und das was auf den Brief kommt ist Eineinemarkmarke. Und egal wie das
offiziell genannt wird, es wird immer Eineinemarkmarke bleiben, zumindest
bei dieser Oma. Die Leute würden es mir übel nehmen, wenn ich es ändern
würde.
Du bist ja sowieso ganz sparsam mit der Einführung von neuen Running Gags.
Der einzige wirklich neue, den du in letzter Zeit häufig verwendet hast,
ist ein Running Gag im Sinne des Wortes: die Nordic Walker.
Ich bin jetzt in dem Alter, wo es ein Problem wird, wenn man jahrelang eine
sitzende Tätigkeit ausübt und sonst keinen Sport macht. Ich habe jetzt
einfach angefangen zu laufen, im Urlaub, und habe dann in Berlin
weitergemacht. Hier in Berlin, wenn du nicht rausfahren willst, musst du
zwangsläufig in den Park gehen und dann wirst du mit diesen Leuten
konfrontiert. Das ist ein Sammelsurium an Leuten, das sich da tagtäglich
wälzt, mit und ohne Stecken, unglaublich. Und das ist natürlich ein Quell
der Freude für mich. Ja, und man kriegt da teilweise auch Gewaltphantasien.
Ich halte dieses Nordic Walking nach wie vor für einen der großen
Marketinggags der letzten Jahre, mit dem die einfach Geld machen. Ich
meine, es ist gut, dass die Leute sich bewegen. Die brauchen aber
eigentlich diese Stecken nicht dazu.
Was mir noch im Zusammenhang mit deinen Charakteren auffällt: Am Anfang
deines Schaffens hat es viel mehr Einzelepisoden gegeben, mit Personal, das
nur in einem Streifen vorkam. Ich habe mal von dir den Satz gelesen: "Ich
wollte eigentlich nie Serien machen, aber die schleichen sich so ein."
Ja, die Serien haben zugenommen. "Ich wollte nie Serien machen", das war am
Anfang, das ging ja alles sehr schnell. Ich habe Cartoons gemacht, im
Comicladen Grober Unfug gejobbt und habe dann eben bei einer Vernissage von
Lilian Mousli gehört, dass die bei der taz jemanden suchen.
Lilian Mousli war in Sachen Cartoon deine Vorgängerin bei der taz...
Genau, Hansi Kiefersauer war eine Zeit lang drin und dann Lilian. Und als
ihr "Alphabet" dann langsam auslief, hat der Redakteur Karl Wegmann gesagt:
"Geh mal rum, frag mal Kollegen" - aber sie wollten etwas Exklusives haben.
Und das hat sie allen möglichen Kollegen erzählt und mir auch, und da habe
ich gedacht, das ist meine Chance.
Dein erster Brief an die taz ist ja überliefert, im Vorwort zum ersten
Ziegel. War die Geschichte wirklich so: Du hast einfach unangekündigt 10
oder 20 Strips hingeschickt?
Ja, ich habe meine besten Cartoons genommen, habe mir eine taz geholt, habe
es ausgemessen, habe dann Rähmchen gemacht, musste mir ganz schnell einen
Namen überlegen ... Und ich hatte erst einmal keine fertige Figur im Kopf,
sondern einfach nur mein normales Personal, ich habe halt irgendwelche
Figuren gezeichnet, groß, klein, dick, dünn, wie ich es gebraucht habe, und
musste da innerhalb kürzester Zeit etwas zustande kriegen. Und dieses blöde
"Touché" – ich würde es heute auch anders nennen. Ich würde es TOM nennen
oder so, weil Touché ein blöder Name ist, aber es hat sich einfach in einer
Nacht ergeben und bin dann da hängen geblieben. Und die Überlegung, keine
feste Figur zu machen war die, dass ich Hägar gesehen habe - die Klassiker,
die man so kennt, und ich hatte Angst, dass ich es nicht so lange
durchhalte mit einer Figur. Deswegen habe ich diesen Überbegriff genommen,
dieses Touché eben, um dann wild das Personal zusammenstückeln zu können.
Trotz dieser einstigen Angst hast du inzwischen in punkto Langläufigkeit
und auch Ideenreichtum viele der klassischen Comicstrip-Vorbilder doch
mindestens eingeholt.
Zwangsläufig, die Amerikaner können sich nach zehn Jahren zur Ruhe setzen,
weil sie Multimillonäre sind. Ich meine, Bill Watterson war, glaube ich, in
1200 Zeitungen, und selbst wenn er nur einen Dollar pro Strip gekriegt hat,
dann war er nach zehn Jahren so reich, dass er es auch nicht mehr machen
musste. So reich bin ich einfach noch nicht. Also Bill Watterson ist
einfach großartig, den verehre ich schon wegen seinem Zeichenstil. Ich weiß
gar nicht, was der jetzt macht.
Du hast Politik studiert. Muss man als Politologe irgendwann alles nur noch
ironisch sehen?
Vermutlich schon. Es ist jedenfalls nicht hinderlich, wenn man auch mit
Comics zu tun hat. Analysieren lernen, zwischen den Zeilen lesen, eine
gewisse Gelassenheit gegenüber geschichtlichen Entwicklungen entwickeln,
das gehört sicher dazu.
Worauf ich hinauswollte: Du machst ja auch erfolgreich viele politische
Cartoons und Karikaturen und hast das auch schon gemacht, bevor du mit
Touché angefangen hast.
Das muss man trennen. Beim Einen bin ich Karikaturist, da kriege ich einen
bestimmten Auftrag oder ich denke mir selber was aus. Meistens sagt mir die
Fotoredaktion die Themen der Vormittagskonferenz und ich gucke dann, dass
ich was bearbeite, das am nächsten Tag auch im Blatt ist. Dann kriegst du
vier bis fünf Themen und dann ist natürlich der Zeitdruck auch sehr hoch,
weil dann immer noch der Abgabetermin da ist, das kann ich ganz klar
trennen, das sind zwei Paar Schuhe. Ich arbeite ja auch für andere
Zeitungen als die taz, aber das sind jetzt nicht so superaktuelle Themen.
In „Finanztest“ zum Beispiel, das sind im weitesten Sinne Themen wie
Altersvorsorge, Renten, Krankenversicherung, in dem Bereich muss ich dann
schon aktuell gucken und dann natürlich auch Kommentare abgeben.
Du hast das Plakat für die taz-Kampagne zur heiß diskutierten Umbenennung
der Berliner Kochstraße in Rudi-Dutschke-Straße gestaltet. Wie politisch
bist du?
Ich könnte mich über viele Dinge aufregen, aber ich bin nicht engagiert,
bin in keiner Partei und ich bleibe am 1. Mai zu Hause.
Die taz definiert sich ja doch eindeutig und du bist ihr über die Jahre
auch treu geblieben. Man darf dich also im Zweifel eher im alternativen
Spektrum verorten?
Ja sicher. Ich bin Jahrgang 60, ich habe eine linke Sozialisation hinter
mir, ich habe Soziologie und Politologie studiert, natürlich komme ich aus
der linken Ecke. Ich habe ein paar Jahre in Kreuzberg gelebt. Und jetzt bin
ich Ende 40 und entsprechend habe ich mich auch verändert.
Erzähl ein bisschen was über deine Zeichner-Anfänge, von der Zeit beim
Berliner Stadtmagazin Zitty. Wie bist du vom Studium nach 16 Semestern zum
Zeichnen gekommen?
Genau, für die Zitty habe ich ja zuerst Cartoons gezeichnet. Tja, ich habe
mich kurz vor dem Diplom schlicht hängen lassen, ich habe einfach nicht
gewusst, was zum Teufel ich mit einem Abschluss in Politikwissenschaft
machen soll. Ich hatte überhaupt keine Lust mehr und ich bin dann
letztendlich durch einen Zufall beim Cartoon-Zeichnen gelandet.
Du hast aber schon vorher gezeichnet?
Ja, ich war Ende 20, hatte schon ein bisschen meine erste Krise und habe
gedacht: Scheiße, Hilfsarbeiter bleiben ist auch nicht schön. Und dann habe
ich das bei einem Freund, der damals schon ein bekannter Comiczeichner war,
gesehen. Der sagte: "Mach halt mal Cartoons, ein bisschen krickeln kannst
du auch, bisschen lustig bist du, versuch es mal." Dann habe ich erst mal
ganz gezielt auf die Zitty hingearbeitet und dann eben auch, weil es eine
politisch wilde Zeit war nach der Wende, zufällig der taz eine Karikatur
geschickt, und die war am nächsten Tag auf der Titelseite. Und am nächsten
Tag haben sie mich angerufen und haben gefragt, ob ich nicht Lust hätte,
einmal die Woche ein bisschen zu zeichnen, das war vor der ganzen
"Wahrheit"-Geschichte und Touché, und da habe ich dann im Prinzip als
Polit-Karikaturist bei der taz angefangen.
Hast du es bei der Zitty bei deinen ersten Sachen ähnlich gemacht wie
später bei der taz und einfach mal was hingeschickt und geschaut, was
rauskommt?
Ja. Die sind auch heute noch recht offen. Damals hatten die ein bisschen
mehr Platz für Cartoons. Ich habe die geschickt und es ist erst mal nichts
passiert, monatelang gar nichts. Dann habe ich irgendwann diese langen
Oberlippen der Figuren, die ich damals hatte, wieder reingefahren und die
Nasen rausgefahren und auf einmal haben die was gedruckt. Ich bin da also
noch mal hin - ich bin da gestorben, da saßen zehn Herren von der
Grafikabteilung, die haben sich meine 20 besten Witze mitgenommen, keiner
hat eine Miene verzogen, ja, danke, nett, ein bisschen geplaudert. Da habe
ich gedacht: Scheiße, das war es jetzt, nie wieder Cartoons. Und dann haben
die die gedruckt. Und Jahre später haben die gesagt: Ja, deine Witze fanden
wir gut, deine Zeichnungen waren scheiße! Erst wo diese Nasen ein bisschen
besser wurden, haben die die Witze auch gedruckt. Da habe ich auch
beschlossen, dass ich das weitermache. Ich hatte mir im Prinzip ein Jahr
Zeit gegeben, ich hatte ja auch nebenbei den Job im Comicladen. Ich dachte,
ich gucke, wie viel ich mit der Zeichnerei verdienen kann, und wenn das
nicht geklappt hätte, dann hätte ich mir sowieso was anderes suchen müssen.
Es findet ja gerade eine unglaubliche Renaissance von Zeitungs- und
Zeitschriften-Stripcomics statt, auch in Deutschland und von deutschen
Zeichnern. Beobachtest du das?
Ja, natürlich, und mit sehr viel Freude. Ich denke, das hat auch was mit
einem Generationswechsel zu tun, auch in den älteren Redaktionen. Als ich
angefangen habe, da gab es an Cartoons im Prinzip die Basics, die über den
Pressedienst aus dem Ausland importiert wurden und als Zweit- und
Dritt-Verwertung dann auch entsprechend billig waren. Und die Zeitungen
haben es dann zähneknirschend genommen, es war ja immer eher so eine
Randnische, eher ungepflegt, ungeliebt, und eigene Leute gab es ja nicht.
Und jetzt ist eine Journalisten- und Redakteursgeneration dran, die mit
Comics groß geworden ist, mit Fix und Foxi, mit Micky Maus, mit Tod und
Teufel. Da ist es dann auch selbstverständlich, dass sich trotz aller
Unbillen eine Szene entwickeln kann, das ist ganz gut. Also, ich sehe das
mit großer Freude, dass plötzlich Platz und Geld dafür da ist. Dass man
sich jetzt auch nach dem großen Erdbeben in der Zeitungslandschaft darauf
besonnen hat, dass es für eine Zeitung ganz gut ist, so etwas zu haben.
Gibt es junge Comicstripzeichner im deutschsprachigen Raum, die du in den
letzten Jahren für dich entdeckt hast?
Die meisten Sachen kriege ich über das Internet mit oder durch Zufall, wenn
ich auf Veranstaltungen bin. Das ist aber auch immer ein bisschen
gefährlich, anderer Leute Witze zu lesen, man hat dann irgendwie Angst, man
speichert das ab und macht es dann auch so. Es gibt zwar so Stammtische,
aber da gehe ich eigentlich eher selten hin. Ich habe einige Kollegen, mit
denen ich mich angefreundet habe, aber ich bin jetzt in der Szene nicht so
drin. Ich war jetzt schon einige Jahre bedauerlicherweise aus
urlaubstechnischen Gründen nicht mehr in Erlangen, insofern ist in den
letzten Jahren auch einiges an mir vorbeigerauscht.
Du sagst, dass es gefährlich ist, Sachen von Kollegen zu lesen...
Die Gefahr ist natürlich schon da, dass man etwas abspeichert. Es gibt
natürlich auch Parallelen. Also, ich kenne zum Beispiel Ralf Ruthe ganz gut
und wir haben ein paar Mal festgestellt, dass wir einfach dieselben Witze
gemacht haben. Das ergibt sich zwangsläufig, wenn man ein bestimmtes Thema
bearbeitet. Es gibt ja nur eine bestimmte Anzahl von Witzen, die man über
bestimmte feste Themen machen kann. Jeder hat schon seinen eigenen Humor,
seine eigene Art von Witz. Also die Umsetzung war bei den Sachen, wo wir
festgestellt haben, dass wir die gleiche Art von Witz gemacht haben, schon
jedes Mal ein bisschen anders. Das war aber eben so die Thematik, der Gag,
ich mache das ja meistens in Streifen und die anderen sind eher so
Ein-Bild-Cartoons. Also ich gucke mir schon Sachen von Kollegen an, aber es
ist immer die Gefahr da, dass man das Jahre später dann auch macht und dann
fällt einem ein: Scheiße, den gab es ja schon.
Du machst Touché jetzt schon mehr als 15 Jahre. Und es läuft immer noch
weiter, es kommt gut an und es ist erfolgreich. Ist die potenzielle
Endlosigkeit so eines Zeitungsstrips eher ein Ansporn oder macht das eher
Angst.
Anfänglich war das natürlich ein Ansporn, weil ich am Anfang nie damit
gerechnet habe, dass es so lange geht. Und das erste große Ding war
natürlich, als ich die 1000 voll hatte, da hat man gleich diesen
Ziegelstein draus gemacht. Das war schon eine Zahl, und dann strebst du die
nächsten 1000 an. Und irgendwie mittlerweile ... gut, irgendwann werden es
5000 sein, da bin ich eher so, dass ich überlege, wie lange mache ich es
noch. Nur hängt mein ganzes Geldverdien-Konstrukt auch sehr an diesem
Streifen. Es würde mein Leben schon verändern, wenn ich es nicht mehr
machen würde. Gäbe mir sicher mehr Freizeit, ein bisschen weniger
Zeitdruck, mein soziales Umfeld wäre wahrscheinlich entlasteter, weil ich
oft auch sehr unregelmäßig arbeite. Andererseits würde ich es
wahrscheinlich sehr vermissen. Es hat ja auch was sehr Vertrautes, wenn man
es jeden Tag macht.
Nachdem du von Tag zu Tag arbeitest ist bei dir wahrscheinlich die
Chronologie nicht so wichtig wie bei Sammlungen von anderen Strips, die ja
oft akribisch datiert sind.
Ja, stimmt schon, aber ich hätte trotzdem nummerieren sollen, weil es das
Suchen etwas erleichtern würde, wenn Leute nachfragen und ich was
nachgucken will. Gut, die festen Personen, da gibt es schon eine gewisse
Entwicklung. Die ganz frühen und die späten Streifen lassen sich nicht
austauschen, aber so im Großen und Ganzen braucht man sie nicht zu
datieren.
Ist die Reihenfolge deiner Strips in den Ziegelsteinen authentisch?
Die ist authentisch, die Originale hefte ich so ab, wie ich sie mache, und
ich nehme auch nichts raus, das sind keine Best-of-Bücher, das sind
gnadenlos alle Streifen, die ich mache, der Reihe nach. Das ist natürlich
auch eine Chronologie.
Musstest du am Anfang die Originale deiner Zeichnungen nicht bei der
Zeitung abliefern, damit man sie vernünftig reproduzieren konnte?
Nein, in der Anfangszeit habe ich mir erst einmal ein Copy-Center mit einem
vernünftigen Kopiergerät suchen müssen. Das war Ende der 80er, Anfang der
90er recht schwierig, weil die meisten eben graustichig waren und ganz
lausig. Und dann habe ich immer, wenn ich einen guten Kopierer gefunden
habe, Unmengen von Kopien von jedem Strip gemacht, weil ich dachte: Wer
weiß, wann ich wieder so einen guten Kopierer finde. Und nachts bin ich
dann mit den Kopien unterm Arm bei der taz vorbeigeradelt und habe sie in
den Briefkasten geschmissen, damit sie am nächsten Tag bei denen auf dem
Tisch lagen und die das scannen konnten. Später ist daraus dann ein
Faxgerät geworden, das hoch auflöst. Jetzt wird gescannt und gemailt. Man
sieht seine Redakteure dadurch weniger häufig, aber es eröffnet ein
gewisses Zeitfenster, was ganz gut ist.
Du sagst, du musst unter Druck arbeiten, damit dann was rumkommt. Das legt
nahe, dass du nicht X Vorzeichnungen machst für deine Sachen.
Nein, die Reinzeichnung mache ich direkt auf dem Original. Das hat mir der
Hansi Kiefersauer beigebracht, der hat mir seinerzeit sehr viele Tipps
gegeben, weil ich keinen blassen Dunst hatte. Ich habe dann einfach ein
Blatt Papier genommen und einen Filzstift. So die ersten 150 Sachen, die
ich gezeichnet habe, die sind mittlerweile einfach über den Jordan, die
sind braun, haben sich aufgelöst, weil es so Scheiß-Eddings waren, die
komplett zerlaufen sind. Und ich bin auch jemand, der sehr stark aufdrückt,
also ich bin eher so ein Graveur-Typ von der Handhaltung her und kann
deswegen nicht mit Feder zeichnen. Aber ich wollte eben immer diesen
dynamischen Strich haben, der etwas dicker ist, wenn ich die Kurven an der
Nase mache, und bin deswegen bei Hubkolbenfüllern gelandet. Die sind von
Rotring, gibt’s mittlerweile leider nicht mehr, werden nicht mehr gebaut.
Und mit denen zeichne ich mit etwas verdünnter Tusche, also wasserfester
Tusche.
Direkt auf Karton?
Auf den Zeichenkarton, ich weiß nicht, so auf 200 Gramm Zeichenkarton. Ein
relativ glatter Zeichenkarton. Und vorzeichnen – das habe ich von Hansi
gelernt, es kommt wohl von den alten amerikanischen Stripzeichnern und
Disney hat das angeblich auch benutzt – vorzeichnen tue ich mit einem
hellblauen Stift. Ich mache Hilfslinien für den Text, lettere vor, mache
den Streifen im Prinzip komplett in Hellblau fertig und skizziere damit
aber auch. Beim Scannen verschwindet das, und früher schon beim
Schwarz-Weiß-Kopieren auch. Und damit muss ich nicht darauf rumradieren,
was Zeit bringt und auch die Gefahr nimmt, dass man irgendwie mal hängen
bleibt und es „ratsch“ macht oder knittert oder man mal was versaut. Das
ist ganz schön.
Kommt es vor, dass du nach der Vorzeichnung einen Streifen wegschmeißt,
weil er dir grafisch nicht mehr gefällt?
Nein, wenn ich mal auf Pappe bin, dann bleibe ich auch auf der Pappe. Also,
ich mache die Skribble-Vorzeichnung auf normalen Papier, das ich dann
wegschmeiße. So ganz grob, die Skizzen, aber wenn ich auf Pappe bin, dann
bleibe ich auch da drauf. Ich glaube, ich habe in den 16 Jahren erst einmal
oder zweimal etwas weggeschmissen, weil mit Deckweiß und draufkleben,
überkleben und dann noch mal neu zeichnen nichts mehr zu retten war. Wenn
du dann in der dritten Schicht bist, dann kannst du das auch wegwerfen.
Du arbeitest ja auch immer auf eine Pointe hin. Passiert es dir, dass du
Gags, wenn du sie dann gezeichnet hast, nicht mehr lustig findest?
Es kommt vor, dass ich nochmal irgendwie den Wortlaut ändere. Ich gucke es
mir dann auch nochmal auf dem Bildschirm an, nach dem Scannen, und entdecke
dann oft auch noch Fehler oder dass irgendwie eine andere Wortwahl besser
wäre, oder ich stelle den Satzbau etwas um. Mit der Witzigkeit der Pointen
ist das natürlich so ein Ding, weil ich viele Dinge, sehr viele Dinge
superwitzig finde, manch andere weniger witzig. Aber komischerweise ist das
Echo von dem Kontrollpersonal rund um mich rum, auch sicher von den Lesern
oder auch von meinem Redakteur, dermaßen unterschiedlich ... Manche
Streifen – gerade die unter Zeitdruck - mache ich ganz schnell und mit
zusammengekniffenen Augen, dann schiebe ich sie mit der Mail rüber und
denke: Gut, morgen machst du wieder einen Besseren. Gerade dann klingelt
oft sofort das Telefon von meinem Redakteur und der lacht sich halb tot und
sagt: "Der ist ja wieder klasse, das sind die besten, auf den letzten
Drücker." Ich kann immer nur für mich sagen, das finde ich gut oder nicht,
aber was andere Leute, was meine Leser gut finden, kann ich absolut nicht
mehr sagen. Ich bin auch relativ häufig beim Signieren, also ich habe
relativ viel Kontakt zu Fans, die kommen dann auch mal an und sagen: "Den
fand ich so klasse." Und ich denke: "Wieso das denn? Der war doch eher so
hm." Da habe ich keinen Einfluss mehr drauf. Das hat mich eine Zeit lang
belastet. Aber mittlerweile habe ich festgestellt, dass es im Prinzip egal
ist, was ich mache, dass mein Minimalanspruch an Witz, den ich auch habe,
sonst gebe ich das nicht raus, bei anderen Leuten dermaßen gut ankommt,
dass ich mittlerweile relativ locker und fröhlich vor mich hin produzieren
kann. Solange ich einen bestimmten Standard habe und halte, werde ich immer
Leute da draußen haben, die das witzig finden.
Du wolltest immer schon mal einen Trickfilm machen. Gibt es die Idee noch?
Ja, letztendlich schon. Ich habe mal einen gemacht, vor vielen Jahren, so
einen Werbefilm. Der ist aber letztendlich nicht so toll geworden, weil
kein Geld da war, der ist zu kurz geworden. Wir hatten 30 Sekunden Zeit und
es sollte so etwas gegen Nazis sein, eine U-Bahn-Szene, und die ist dann
noch zusammengeschnitten worden, weil noch irgendwelche Adressen
eingeblendet werden mussten für eine Agentur. Ich würde gerne meine Figuren
laufen sehen, sprechen hören, aber es ist zeitlich schlicht nicht machbar.
Das wäre eher ein Projekt, das ich machen könnte, wenn ich die Streifen
nicht mehr machen würde. Wenn ich vielleicht ein bisschen viel Geld und
viel Zeit habe, ich würde es gerne machen. Die Bademeister würden sich
anbieten, weil man da schön mit der Geräuschkulisse spielen kann, jeder
erkennt Schwimmbadgeräusche, dieses Kreischen, Platschen, das wäre gut.
Aber es ist ein Traum, ich kümmere mich im Moment nicht drum.
Hattest du mal das Bedürfnis, einen längeren erzählenden Comic zu machen?
Na ja, ich habe ein paar Jahre eine ganze Reihe Onepager gemacht für den
Uni-Spiegel, da musste ich ein festes Bestiarium entwickeln, so eine
Männer-WG oder Studenten-WG. Das hat auch sehr Spaß gemacht, weil ich mehr
Raum zum erzählen hatte, man kann Zeit anders verstreichen lassen, ich
musste nicht so Szenen und Zeitsprünge machen wie in den
Drei-Bilder-Streifen. Eine längere Geschichte, das reizt mich schon, aber
wie gesagt, das Zeitproblem. Wenn ich so was mache, dann muss es auch
richtig gut werden. Mal sehen. Wahrscheinlich werde ich mal eine Episode
"Didi und Stulle" zeichnen dürfen, das habe ich mit Fil gerade bequatscht,
der lädt ja immer Kollegen ein. Das ist eine große Ehre, da habe ich
natürlich auch mehr Platz, mal sehen, was daraus wird. Und eigene Sachen,
tja, es ist eben die Frage, wer das druckt. Und einfach so für die
Schublade?
Du bist sehr bekannt, weit über Deutschland hinaus, und hast trotzdem nie
bei ganz großen Verlagen veröffentlicht. Trotz Max-und-Moritz-Preis, trotz
allem, was man als Eminenz des deutschen Zeitungsstrips an Angeboten so
kriegen könnte...
Ich werde mittlerweile mit Knoblauchzehen beworfen von den Kollegen, wenn
ich in an die Stände ihre Verlage komme. Ich habe den Ruf eines
Verlagskillers mittlerweile.
Also keine Vorbehalte gegen die großen Verlage?
Ach wo. Ich finde zwar kleine Verlage sympatischer. Bei den großen wechselt
das Personal auch häufiger, kleine Verlage sind übersichtlicher, man kommt
sich einfach näher, weil ich weiß, wen ich ansprechen muss, ich kenne die
Chefs persönlich, man hat auch einen anderen Stellenwert. Ich verkaufe ja
nicht so wahnsinnig viele Bücher, ich bin nicht der Millionen-Seller, bei
kleinen Verlagen hat man dann doch noch einen etwas höheren Stellenwert mit
einer kleineren verkauften Auflage als es bei den ganz großen Verlagen ist.
Aber eröffnen sich durch diese Stripcomic-Renaissance nicht neue
Möglichkeiten?
Also ich hoffe für mich, dass mehr Zeitungen vielleicht auch meine Sachen
nachdrucken, vielleicht auch mehr Platz schaffen, möglicherweise auch
andere Kollegen reinnehmen. Es ist natürlich in Deutschland auch ein
Problem, dass die Strip-Landschaft sehr lange von großen Agenturen
dominiert wurde und die natürlich auch den bequemen Redakteuren billige
Streifen reingedrückt haben und die Zeitungen auch nicht dazu bereit waren,
eigene Leute anständig dafür zu bezahlen. Das ändert sich ein bisschen.
Gut, wenn das System sich verbessert, verspreche ich mir davon schon, dass
ich vielleicht noch ein anderes Standbein kriege, was schön wäre. Es gibt
ganze Regionen, da kennt mich keine Sau, weil da keine Zeitungen verkauft
werden, oder keine taz verkauft wird. Ich kann nur hoffen, dass sich die
Strip-Kultur weiterentwickelt, klar.
Ist Hype-Eisbär Knut für dich ein Thema?
Ich habe bisher einen Knut-Witz gemacht, für den Spiegel, für diese
Uni-Zeitung. Ich musste einfach, also einer musste wenigstens sein, es bot
sich schlichtweg an, weil gerade Abgabetermin war. Ich werde jetzt keine
Knut-Reihe machen, nichts dergleichen. Aber ich finde den nach wie vor
klasse, als Berliner sowieso. Aber damit ist es dann auch gut, ich glaube
nicht, dass viele Leute denken, das wäre auf der Touché-Seite witzig.
Was hätte man dich immer mal fragen müssen, was wurde aber nie gefragt?
Ich frage mich ja selber kaum was. Ich werde immer nur von anderen Leuten
hinterfragt. Ich mache mir keine Gedanken darüber, was ich eigentlich
gefragt werden müsste. Wie gesagt, ich arbeite immer nur nach vorne.
11 Jun 2008
## AUTOREN
Michael Bregel
## TAGS
Bei Tom
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