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# taz.de -- Großbritannien plant Gezeitenkraftwerk: "Russisches Roulette" für…
> Bis zu fünf Prozent der Elektrizität Großbritanniens könnten spätestens
> ab 2022 aus einem großen Gezeitenkraftwerk in der Mündung des Severn
> kommen. Ökoverbände sind dagegen.
Bild: Heftige Regenfälle ließen den River Severn letztes Jahr über die Ufer …
Es ist ein gigantisches Projekt: 15 Milliarden Pfund sollen in den nächsten
Jahren in den so genannten Severn-Damm investiert werden, der von Cardiff
bis Weston-super-Mare in Somerset reicht. Die riesige Gezeitenkraftanlage
zwischen England und Wales würde den Planern zufolge spätestens ab 2022 bis
zu fünf Prozent der gesamten im Vereinigten Königreich benötigten
elektrischen Energie liefern.
Eigentlich gilt die Technik als sehr umweltfreundlich: Anstatt Wasser
aufzustauen und mit hoher Geschwindigkeit eine Erhebung herunter laufen zu
lassen, wird die Kraft von Ebbe und Flut genutzt, um Generatoren
anzutreiben. Zehn große und kleine Ökoverbände von der Angler's
Conservation Association über den National Trust bis hin zum britischen
World Wildlife Fund sind nun allerdings gegen das Projekt: Die Kosten seien
zu hoch und anderswo besser angelegt, ließen sie in einer unabhängigen
Studie errechnen. Außerdem werde das Leben in der Flussmündung bedroht, die
in der Gegend stattfindende Fischwanderung gar zum "russischen Roulette"
für die Tiere.
16 Kilometer lang soll die geplante Anlage werden und gilt als eines der
größten Bauprojekte Europas. Die britische Regierung nannte sie bereits
"atemberaubend" im Hinblick auf die möglichen positiven Auswirkungen auf
das Klima und die unabhängige Sicherung der Energieversorgung des
Vereinigten Königreichs.
Die Studie der Umweltverbände, durchgeführt von der Londoner
Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Frontier Economics, kommt nun zu einem
anderen Ergebnis: Der Damm sei "selbst bei konservativen Kostenschätzungen
eine der teuersten Optionen für saubere Energie, die ist gibt", sagte
Matthew Bell, Autor der Studie, gegenüber der britischen "BBC". "Die Ziele
beim Klimaschutz können auch mit anderen, kostengünstigeren grünen
Technologien erreicht werden", so der Bericht in seinem Fazit. Kritik übte
Frontier Economics auch an dem Plan, das Projekt hauptsächlich über
Regierungsmittel zu finanzieren: Die Privatwirtschaft sei durchaus fähig,
ein Vorhaben dieses Ausmaßes zu stemmen, sollte sie das denn wollen.
Energiegewinnungsprojekte in der Severn-Mündung werden in unterschiedlicher
Form bereits seit dem 19. Jahrhundert verfolgt - umgesetzt wurde bislang
noch nichts. Im Mündungsbereich des Severn beträgt der Unterschied zwischen
Ebbe und Flut etwa 15 Meter; dies ist der zweithöchste Gezeitenunterschied
der Welt. Die Nutzung der Gezeitenkräfte war bereits 1989 angedacht, dann
aber wieder verworfen worden. Zuletzt gab die unabhängige
Regierungskommission für nachhaltige Entwicklung im Jahr 2007 eine Studie
in Auftrag, die sich für ein Dammprojekt auf Basis der Gezeitenkraft
aussprach. Dabei wurde betont, dass man sich strikt an die Umweltdirektiven
der EU zum Schutz von Fisch- und Vogelwelt halten müsse. Außerdem sei
sicherzustellen, dass das Großvorhaben nicht dazu führe, dass andere
Klimaschutzprojekte im Vereinigten Königreich darunter litten. Doch genau
das befürchtet nun die von den Ökoverbänden in Auftrag gegebene
Untersuchung. Hinzu komme, dass große Wattbereiche verloren gingen und auch
die Fischpopulation darunter leide. "Ökologische Zerstörung" sei das.
Die Vorteile der Gezeitenkraftanlage, heißt es von den Befürwortern, seien
jedoch durchaus bedeutsam - so werde verlässlich über die gesamte
Lebensdauer umweltfreundliche Energie geliefert, ein höherer
Überflutungsschutz für das Mündungsgebiet gebildet und hinter dem Damm
bessere Bedingungen für die Schifffahrt erzeugt. Auch die
Verkehrsinfrastruktur könnte verstärkt, der Damm gar zur
Touristenattraktion werden. Dass das Ökosystem im Severn-Gebiet eine starke
Veränderung erfahren würde, haben die Macher des Projekts dabei stets
einkalkuliert. Dies könnte unter anderem dadurch ausgeglichen werden, dass
hinter dem Damm ungestörte neue Rückzugsgebiete entstünden, was allerdings
wissenschaftlich kaum belegt ist. Eine endgültige Entscheidung über das
Projekt steht noch aus.
12 Jun 2008
## AUTOREN
Ben Schwan
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