# taz.de -- Bekämpfung der Inflation: Brasilien versucht's mit Hochzins | |
> Um sich die Grundnahrungsmittel leisten zu können, muss ein Mindestlöhner | |
> in Brasilien heute 125 Stunden arbeiten, 13 mehr als vor einem Jahr. | |
Bild: "Absurd, wie die Reispreise explodiert sind" | |
PORTO ALEGRE taz In Brasilien liegt der Jahreswert der Inflationsrate nach | |
Angaben der Getúlio-Vargas-Stiftung aus São Paulo bei 12,1 Prozent. Die | |
Lebensmittel zogen im Mai sogar um gut 4 Prozent an. | |
Am härtesten trifft dies die Ärmeren. "Es ist absurd, wie die Preise für | |
Bohnen, Reis oder Sojaöl explodiert sind", schimpft Shirley Aparecida Cruz, | |
eine Metallgewerkschafterin aus dem südbrasilianischen Sapucaia do Sul. "Im | |
letzten halben Jahr ist unsere Kaufkraft deutlich gesunken", meint die | |
33-Jährige, die Elektroteile für Nutzfahrzeuge montiert. Selbst von den | |
überdurchschnittlichen Erhöhungen der Mindestlöhne in den letzten Jahren | |
hat sie nicht profitiert. Denn mit umgerechnet 275 Euro liegt sie deutlich | |
darüber. "Mein Mann ist Fahrlehrer und schuftet manchmal 15 Stunden am Tag. | |
Wir überleben mehr schlecht als recht", sagt Cruz bitter. | |
Wer den regionalen Mindestlohn von derzeit 183 Euro verdient, muss etwa 125 | |
Stunden arbeiten, um sich den Lebensmittelkorb aus 13 Basisprodukten | |
leisten zu können. Das hat das Gewerkschaftsinstitut DIEESE errechnet. Vor | |
einem Jahr waren es "nur" 112 Stunden. | |
Die Regierung verweist gern darauf, dass Brasilien im Vergleich zum | |
Nachbarn Argentinien oder zu anderen großen Schwellenländern seine | |
Inflation im Griff habe. Sie schreibt dies der Hochzinspolitik der | |
Zentralbank zu, die den Basiszins gerade wieder um einen halben Punkt auf | |
12,25 Prozent erhöht hat. Das freut die Spekulanten auf den Finanzmärkten, | |
doch der Gewerkschaftsdachverband CUT verweist auf Nachteile für | |
Binnenkonjunktur und Reallohnentwicklung. Zudem steigt dadurch die | |
Schuldenlast Brasiliens. Die CUT hat daher in Brasília demonstriert. | |
Gegen die hohen Lebensmittelpreise wehren sich vor allem die AktivistInnen | |
der Landlosenbewegung MST, die dafür auch die Ausweitung der Soja- und | |
Zuckerrohrmonokulturen für die Agrospritproduktion verantwortlich machen. | |
Ihr Protest vor einem Supermarkt des Wal-Mart-Konzerns in Porto Alegre | |
wurde kürzlich von der Militärpolizei aufgelöst - mit Knüppeln, Gummikugeln | |
und Tränengas. | |
GERHARD DILGER | |
3 Jul 2008 | |
## AUTOREN | |
Gerhard Dilger | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Weltweit steigt die Inflation: Banker ohnmächtig | |
Die Preise schießen in die Höhe. Die Notenbanken verfallen in Aktionismus. | |
Aber: Wie sinnvoll ist es, wenn die Europäische Zentralbank jetzt die | |
Zinsen anhebt? | |
Inflation in Russland: Moskaus Petrodollars | |
Jeder zweite Russe kann sich keinen Kühlschrank mehr leisten. Denn das | |
teure Öl bringt zwar Geld in die Staatskasse, treibt aber auch die Preise | |
hoch. |