# taz.de -- Reformversuche im Rohstoffhandel: Inseln legitimen Bergbaus | |
> 2007 beschloss der G-8-Gipfel die "Erhöhung der Transparenz" im | |
> Rohstoffhandel. In Ruanda und Kongo setzt Deutschland sie um. | |
Bild: Gastgeber Yasuo Fukuda, zeigt, wo sich der Gipfel trifft | |
GOMA taz Inakzeptable Bedingungen in der Rohstoffförderung müssen bekämpft | |
werden - das war eines der wichtigsten Ergebnisse der deutschen | |
Ratspräsidentschaft der G-8-Staaten 2007. Dafür sollten Mindeststandards | |
beim Gewinnen von Rohstoffen eingehalten und der Handel auf dem Weltmarkt | |
sollte transparenter gemacht werden. | |
In der Vertragssprache des G-8-Gipfels von Heiligendamm vor einem Jahr | |
hörte sich das so an: Initiativen unterstützen, die zur "Erhöhung der | |
Transparenz und Verbesserung verantwortungsbewussten staatlichen Handelns | |
bei der Gewinnung und Verarbeitung von Bodenschätzen, der Verringerung | |
ökologischer Auswirkungen, der Unterstützung der Einhaltung sozialer | |
Mindeststandards und der entschiedenen Bekämpfung illegaler | |
Ressourcengewinnung" führen. Der Beschluss wurde sehr konkret gemacht. Im | |
"mit einfachen Mitteln betriebenen kleinen Bergbau", der in Afrika rund ein | |
Viertel der teils sehr wertvollen Mineralienförderung liefert und Millionen | |
Arbeitsplätze sichert, sollte es ein Pilotprojekt geben, um ihn mit einem | |
"Zertifizierungssystem für eigens ausgewählte Rohstoffe" zu stabilisieren. | |
Für das Pilotprojekt wurde die Region Ostkongo/Ruanda ausgewählt. Dort | |
spielte konfliktfördernder Rohstoffhandel mit deutscher Beteiligung eine | |
große Rolle bei den Kriegen der vergangenen Jahre. Während des Kongokrieges | |
war Deutschland ein Hauptabnehmer der seltenen Erzmischung Coltan | |
(Colombit-Tantalit) aus dieser Region. Die internationale | |
Mobilfunkindustrie fragte den Rohstoff stark nach, er wurde vor allem in | |
Deutschland verarbeitet. Als ab 2001 der Weltmarktpreis für das aus Coltan | |
gewonnene Tantalerz sank, wurde an dessen Stelle Zinnerz (Cassiterite) | |
exportiert - meist aus den gleichen Gebieten. Ein Großteil der Rohstoffe | |
wird bis heute über das benachbarte Ruanda exportiert, denn die | |
kongolesischen Exporteure müssen im eigenen Land Exportsteuern zahlen, | |
nicht aber in Ruanda. Die Umetikettierung spart den Exporteuren viel Geld - | |
und stärkt zugleich Ruandas Einfluss auf Ostkongo. | |
Die in Hannover angesiedelte Bundesanstalt für Geowissenschaften und | |
Rohstoffe (BGR) stellte im Auftrag der Bundesregierung in Berlin im | |
Dezember 2007 ein Pilotprojekt zur Zertifizierung der Handelskette von | |
Mineralien aus Ruanda in Erfüllung des G-8-Beschlusses von Heiligendamm | |
vor. "Zertifizierung der Handelskette" bedeutet, bei jeder Etappe zwischen | |
Bergwerk und Weltmarkt die legitime Beschaffung von der nachweislichen | |
Einhaltung vereinbarter Standards abhängig zu machen. Besonders gefördert | |
werden sollen dabei die artisanal miners- die informellen Schürfer. Es gehe | |
um eine "Partnerschaft zwischen Kleinbergleuten und internationalen | |
verarbeitenden Unternehmen, die um die Bedingungen der Produktion und des | |
Handels der Mineralien Sorge tragen", sagt Nicola Martin, Afrika-Expertin | |
der BGR. | |
Ein Beispiel ist die Privatisierung der staatlichen ruandischen | |
Bergbaugesellschaft Redemi. Sie soll von der Einhaltung von | |
Mindeststandards durch Investoren abhängig gemacht werden: | |
Umweltverträglichkeitsprüfungen für neue Bergwerke, Arbeitsschutz, | |
Sicherstellung der legalen Herkunft der Mineralien. | |
Dieses Programm soll ab September 2008 in Ruanda von der BGR umgesetzt | |
werden. In Ruanda ist die südafrikanische Kivu Resources, der auch die | |
umstrittene Zinnkonzession Bisie im Ostkongo gehört, bereits bei der | |
Ausbeutung von Zinn- und Coltanvorkommen aus der Region Gatumba aktiv und | |
erhofft sich von dem deutschen Projekt Signalwirkung für den Kongo. Im | |
Kongo unterzeichneten die Bergbau-, Plan- und Finanzministerien im | |
vergangenen April mit einer deutschen Delegation ein Protokoll über Hilfe | |
bei der Einführung eines Zertifizierungssystems für Rohstoffe wie Zinn, | |
Coltan, Gold und Wolfram aus dem Ostkongo. Die Bundesanstalt BGR geht davon | |
aus, im Laufe des Jahres 2009 erste Aktivitäten beginnen zu können. | |
Forschungsergebnisse der Hannoveraner Geowissenschaftler zeigen, dass die | |
Herkunft von Coltanerzen anhand der mineralischen Zusammensetzung und des | |
geologischen Alters eindeutig nachweisbar ist. So wisse man, welche Erze | |
auf dem Weltmarkt tatsächlich aus dem Kongo stammen, egal welches | |
Ursprungsland die Händler angeben. Das Laborverfahren ist allerdings | |
aufwendig. Man kann nicht jede exportierte Ladung routinemäßig untersuchen. | |
Deshalb soll sich das System im Kongo darauf konzentrieren, den Handelsweg | |
überprüfbar zu machen, entsprechend den in Ruanda anlaufenden Modellen. | |
Sobald der Ursprung einzelner Erze zweifelsfrei nachweisbar ist, kann man | |
beginnen, ihren Erwerb von der Einhaltung von Mindeststandards in den | |
Fördergebieten abhängig zu machen. | |
"Die zertifizierte Handelskette schafft Inseln legitimen und transparenten | |
Bergbaus, deren Produkte bevorzugt auf den Markt kommen", analysiert Nicola | |
Martin von der BGR. "Langfristig werden diese Inseln größer." | |
Globale Marken wie Hitachi, Microsoft, Pioneer und Samsung sind nun im | |
Begriff, herauszufinden, ob sie Zinn aus dem Kongo verwenden. "Die globale | |
Zinnindustrie muss ihre Verantwortung wahrnehmen", sagt Peter Eigen, | |
Vorsitzender der internationalen Initiative für Transparenz in der | |
extraktiven Industrie (EITI). "Sie muss ihre Zulieferketten überprüfen und | |
den Reformprozess im Kongo unterstützen." Auch die EITI-Umsetzung begleiten | |
im Kongo deutsche Berater. | |
"Zertifizierung ist eine Alternative zu den üblichen Sanktionen, die Handel | |
mit Rohstoffen aus einer Konfliktregion komplett unterbinden und so die | |
artisanalen Bergleute treffen", sagt Estelle Levin, Zertifizierungsexpertin | |
der Beraterfirma Resource Consulting Services. "So können Firmen in die | |
Region zurückkehren - und sicherstellen, dass ihr Produkt konfliktfrei | |
ist." | |
4 Jul 2008 | |
## AUTOREN | |
Nicholas Garrett | |
Dominic Johnson | |
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