# taz.de -- Neuköllns SPD-Bürgermeister hat Rotterdam besucht: "Dort sitzen a… | |
> Neuköllns Bürgermeister Heinz Buschkowsky würde Erfahrungen mit Mirganten | |
> aus Rotterdam und London gern auf Berlin übertragen. | |
Bild: Weit gereist: Heinz Buschkowsky (SPD), Bezriksbürgermeister von Berlin-N… | |
taz: Herr Buschkowsky, Sie waren mit einer Delegation aus Neukölln in | |
Rotterdam und London - beides sind Städte mit hohem Migrantenanteil. Sind | |
Sie nun Experte für Integrationsfragen? | |
Heinz Buschkowsky: Nein. Ich bringe auch keine fertigen Programme mit. Wir | |
waren drei Tage in zwei Weltstädten und hatten am Tag zwischen fünf und | |
sieben Termine. Das heißt, man bekommt nur Flashlights. Diese Eindrücke | |
gilt es nun auf eine mögliche Übertragbarkeit auf Berlin genauer | |
abzuklopfen. | |
Was haben Sie festgestellt? | |
Egal ob es sich um Quartiere in Rotterdam, London oder Berlin handelt; egal | |
ob um Surinamer, Antilianer, Marokkaner, Bangladesies oder um Türken und | |
Araber - wenn sie Teil der Bildungsunterschicht sind, sind die sozialen | |
Auffälligkeiten im Wohngebiet die gleichen. | |
Welches von den Projekten hat Sie am meisten beeindruckt? | |
In Rotterdam wird der Schulbesuch sehr viel ernster genommen. Die Zeugnisse | |
werden nur an die Eltern ausgegeben. Das finde ich eine interessante Idee. | |
An jeder Schule gibt es ein Elternzentrum, das jeden Tag von 8 bis 16 Uhr | |
geöffnet ist. Da kann man Sprachen lernen oder häkeln oder mit der | |
Sozialarbeiterin Sorgen besprechen. Mindestens ein Drittel des | |
Lehrerkollegiums hat die gleichen Abstammungen wie die Schüler. Das wäre | |
bei uns auch sinnvoll. | |
In Rotterdam gibt es eine polizeiliche Eingreiftruppe, die ohne | |
richterlichen Beschluss Wohnungen durchsuchen kann. Was halten Sie davon? | |
Dabei handelt es sich nicht um eine Eingreiftruppe, sondern um ein | |
professionelles Team, zu dem auch die Polizei gehört. Wird es nicht | |
freiwillig in die Wohnung gelassen, braucht es einen richterlichen | |
Durchsuchungsbeschluss, genau wie bei uns. Der wird in Rotterdamm | |
allerdings sofort erteilt. | |
Und was halten Sie davon? | |
Ich setze mich dafür ein, dass wir solche Zustände nicht bekommen, dass es | |
solche Gesetze braucht. Das Rotterdamer Gesetz ist doch gemacht worden, | |
weil die Leute sich nachts nicht mehr auf die Straße getraut haben. Die | |
Frage ist: Muss es wirklich erst so weit kommen, dass man tief in die | |
bürgerlichen Rechte eingreift, um die Stadt wieder lebenswert zu machen? | |
Ist es in Neukölln denn so schlimm? | |
Es geht hier nicht nur um Neukölln. Das ist in Kreuzberg und Moabit nicht | |
anders. Schauen Sie auf die aktuelle Schuldebatte in Kreuzberg. Rotterdam | |
und London beweisen, dass dies nicht das Problem einer Stadt ist. | |
Was aus Rotterdam wäre denn übertragbar? | |
Die machen eine Menge interessanter Dinge, die prüfenswert sind. Es gibt | |
dort eine Einrichtung für 60.000 Einwohner, die heißt Transfer Information | |
Point (TIP). Dort sitzen Mitarbeiter von Polizei, Schul-, Jugend und | |
Gesundheitsämtern Schreibtisch an Schreibtisch. Sie tragen alle | |
Informationen über Auffälligkeiten der Menschen in diesem Sozialraum | |
zusammen. Dann verabreden sie, wer sich wie um das Problem kümmert. So eine | |
Form der Vernetzung und Kooperation gibt es bei uns schlichtweg nicht. | |
Aber das wird doch immer behauptet. | |
Ja, aber das stimmt nicht. Wir haben in den Behörden eine völlige | |
Versäulung. Jeder macht seins und achtet eifersüchtig darauf, dass ihm | |
möglichst niemand in die Suppe spuckt. Ich habe mir den Zorn des | |
Polizeipräsidenten Dieter Glietsch zugezogen, weil ich gelobt habe, dass | |
sich die Polizei in Rotterdam und in London auch für das | |
zwischenmenschliche Klima verantwortlich fühlt, nicht nur für die | |
Straftaten. | |
Aber die Berliner Polizei sitzt doch in vielen Kiezen mit an den runden | |
Tischen. | |
Das Sitzen am runden Tisch ist nicht die Lösung eines praktischen Problems. | |
Auch nicht der Verweis auf Ordnungsamt und Sozialarbeit. In Rotterdam wie | |
in London lautet die Philosophie: Wir sind eine Einheit und haben das | |
gleiche Ziel. | |
Warum war denn eigentlich kein Polizist bei Ihrer Tour dabei? | |
Wir hatten Herrn Glietsch angeboten, einen Polizeihauptkommissar | |
mitzunehmen, der die Jugendkriminalitätsszene in Neukölln sehr gut kennt. | |
Das wurde abgelehnt, er war nicht standesgemäß. Stattdessen sollte eine | |
Beamtin des höheren Dienstes mitfahren. Das wollte ich nicht, weil das | |
genau das war, was ich in Berlin beklage. | |
Was beklagen Sie denn? | |
Es gibt einfach viel zu wenig Offenheit. Es wird nicht geschaut, was der | |
Sache dient, sondern ob es hierarchisch angemessen, parteipolitisch korrekt | |
und im geordneten Verfahren vorgetragen ist. So war das wohl auch heute im | |
Innenausschuss. | |
7 Jul 2008 | |
## AUTOREN | |
Plutonia Plarre | |
## ARTIKEL ZUM THEMA |