# taz.de -- Heiß begehrtes Gewürz: Bei den Safran-Berbern | |
> Ein Ausflug in die Safranregion des marokkanischen Sirouabergmassivs in | |
> das Bergdorf Tizguit. Der Safran aus dem marokkanischen Atlas zeichnet | |
> sich dadurch aus, dass er 100 Prozent naturrein ist | |
Bild: Gewürzstand auf dem Markt | |
Manchmal ist es beruhigend, wenn ein Ortskundiger die Organisation | |
übernimmt: "Ich schicke euch einen Allrad-Wagen", lässt der Bergführer und | |
Herbergsbesitzer Machfud über eine knackende Handy-Verbindung mitteilen. | |
Prima, denn 23 Kilometer löchrige Schotterpiste in die wilde Bergwelt des | |
hohen Atlas im Süden Marokkos mag keiner gerne laufen, und unserem | |
geliehenen Fiat Uno möchten wir die Strecke schon mal gar nicht zumuten. | |
Machfud will uns in dem abgelegenen Bergdorf Tizguit treffen, das bekannt | |
ist für seinen hochwertigen Safran. | |
Was dann am nächsten Morgen in aller Herrgottsfrühe vor dem kleinen Hotel | |
mit dem bezeichnenden Namen "Auberge Safran" in Taliouine steht, ist dann | |
aber doch eine Überraschung: ein hellblauer, höhergelegter, mindestens 30 | |
Jahre alter Ford Transit! "Four-Wheel-maroccain" bestätigt uns Fahrer | |
Mohammed breit grinsend in gebrochenem Englisch. Die Piste führt uns über | |
die Ausläufer des südlichen Atlasgebirges zum Sirouamassiv. Gegen den | |
stechend blauen Himmel zeichnen sich surrealistisch wirkende | |
Steinformationen ab. Die Natur hat hier scheinbar alle Formen für Steine, | |
Geröll, Klippen und Abhänge ausprobiert. | |
Nach vier abenteuerlichen Fahr- und einer straffen Wanderstunde erreichen | |
wir das 2.250 Meter hoch gelegene Dörfchen Tizguit: Beine und Rücken | |
schmerzen, der Mund ist ausgedörrt, im Schädel dröhnen die Schlaglöcher | |
nach, aber die Aussicht entschädigt uns für alle Strapazen: das Dörfchen | |
liegt einem Adlernest gleich an die Bergflanke geschmiegt. In der gesamten | |
Palette der Rot-Orange-Töne strahlen die Sirouaberge in der untergehenden | |
Sonne, so wunderbar rot-orange wie das begehrteste Gut dieser Region - | |
Safran. Die Alten sitzen vor ihren Häusern und genießen die letzten | |
wärmenden Sonnenstrahlen. Nach Sonnenuntergang sinkt die Temperatur von | |
November bis Februar unter den Gefrierpunkt. Strom, fließendes Wasser und | |
Heizungen gibt es hier noch nicht. Im Winter liegt das Dorf oft monatelang | |
unter einer meterhohen Schneedecke. | |
Für das kalte Klima des Bergnestes sind die südlichen Flankenausläufer des | |
Sirouabergmassivs verantwortlich. Stattliche 3.304 Meter erhebt sich der | |
höchste Gipfel im Rücken des Örtchens. Drei Familien, 220 Seelen, leben | |
hier in ihren von Ferne an Schuhkartons erinnernden Steinhäusern. Fast die | |
Hälfte der rund 50 Häuschen sind Ställe für Vieh. | |
Auf den meist nur 30 Quadratmeter großen Terrassenfeldern kultivieren die | |
Familien Safranpflanzen. Die Männer bearbeiten mit handgemachten Eggen die | |
trockene Erde, für technische Geräte ist das Terrain zu steil. Wasser, das | |
zweimal am Tag durch die Bewässerungsgräben fließt, und der Dung der | |
Dorftiere ist alles, was den Pflänzchen genügen muss. Safran, das sind die | |
rot- bis orangefarbenen Blütennarben des "Crocus Sativus", die seit der | |
Antike als heiß begehrtes Gewürz gehandelt werden. Ein Gramm Biosafran | |
kostet in Deutschland um die sechs Euro, je nach Qualität. Die Narbenfäden, | |
die im getrockneten Zustand ihr einzigartiges Aroma verströmen, nennt man | |
auch "rotes Gold". Sechs zarte lila bis leuchtend violette Blütenblättchen | |
umfassen das kostbare Gut. Die Krokusse gehören zu den Zwiebelgewächsen und | |
lassen sich nur über Zwiebelteilung vermehren, in wilder Form findet man | |
sie nicht. Gleich nach der Ankunft warnt uns der Dorfchef und "President" | |
der Tizguit-Safrankollektive Abdullah bei Pfefferminztee und selbst | |
gebackenem Brot vor dem Kauf gemahlenen Safrans: dieser werde häufig mit | |
Gelbwurz oder gemahlenem Ziegelstein gestreckt. Eukalyptusblütenstengel | |
hingegen nutzen gewiefte Händler zum Strecken der ungemahlenen Stengelchen, | |
denn die sehen den Safranfäden sehr ähnlich. Auch beim Abwiegen des | |
begehrten Gewürzes wird gerne geschummelt. Kein Wunder, denn das teuerste | |
Gewürz der Welt bringt es auf 800 Euro pro Kilo. Weniger als 0,1 Gramm, | |
eine Fingerspitze getrockneter Safranfäden, hingegen reicht locker zum | |
Würzen eines Gerichts für vier Personen. | |
Machfud, der inzwischen mit seiner Trekkinggruppe eingetroffen ist, | |
erklärt, woran man echten Safran erkennt. Zuallererst ist da der markante, | |
bitter-aromatische Duft, der sich beim Öffnen von Abdullahs Safranbeutel | |
sofort verbreitet. | |
Schon im August hat Abdallahs Clan die Felder mit den Knollen bestellt. Von | |
Ende Oktober bis Anfang November schlüpfen die Krokuspflanzen, insgesamt | |
nur 15 bis 20 Tage. Am nächsten Tag dürfen wir die Frauen und Männer des | |
Dorfes bei der Safranernte begleiten. Das heißt Aufstehen um fünf Uhr | |
morgens. Mit noch muskelkaterweichen Knien vom steilen Aufstieg am Vortag | |
klettern wir auf die Terrassenfelder. In mühsamer Handarbeit pflücken | |
Frauen und Männer die zarten Krokusse, bevor die kräftige marokkanische | |
Sonne die kleinen Blüten erwärmt und sie sich öffnen. Das sähe zwar schön | |
aus, würde aber das Zupfen der winzigen orange-roten Stempelfädchen | |
erschweren. Zudem verlieren die Winzlinge nach dem Aufblühen bereits ihr | |
Aroma. 150 bis 200 Fädchen sind nötig für ein Gramm des getrockneten "roten | |
Goldes"! Sobald die Sonne über die Berge steigt und auf die Terrassenfelder | |
brennt, schultern die Dorfbewohner ihre selbst gefertigten Bastkörbe voller | |
violetter Blümchen. Alle freuen sich auf das Frühstück mit reichlich | |
wärmendem Safrantee und frisch duftendem, im Feuer gebackenen Fladenbrot. | |
Rahma, Abdullahs Frau, zeigt uns, wie wir den noch jungfräulich | |
geschlossenen Blüten die begehrten sattroten Blütennarben auszupfen sollen. | |
Von dem großen Korb Krokuspflanzen bleibt nur ein kleiner Teller mit den | |
grellorangefarbenen Safranfäden übrig. Rahma zeigt uns den Platz auf dem | |
Dach, wo sie die Fäden in der Sonne trocknet. Die lila Blüten werden an | |
Kühe und Ziegen verfüttert. | |
"Wer den typischen Safrangeschmack erhalten möchte, darf ihn erst kurz vor | |
Ende der Garzeit dem Essen zufügen", erklärt Abdullah. Dazu löst man einige | |
der Staubfäden für ein paar Minuten in kaltem Wasser und mischt die | |
gelbliche Flüssigkeit dem Gericht bei. Eine noch intensivere Färbung erhält | |
man, wenn die Safranfäden zuvor frisch gemörsert werden. Augenzwinkernd | |
verweist Abdallah, stolzer Vater von sieben Kindern, auf die | |
aphrodisierende Wirkung des Safrans. | |
Luftdicht, trocken und dunkel gelagert behält Safran seine typischen | |
Eigenschaften jahrelang, ergänzt Machfud und macht sich mit uns und seiner | |
Trekking-Gruppe auf den einstündigen Rückweg zum "Four-Wheel-maroccain". | |
Denn nach vier Tagen in den einsamen Bergen möchte niemand die 23 Kilometer | |
Schotterpiste zurücklaufen. Ein Safrantütchen hat jeder im Gepäck. Schon | |
allein, weil man jetzt so schöne Geschichten über dieses Gewürz erzählen | |
kann. | |
9 Jul 2008 | |
## AUTOREN | |
Susan Weber | |
Andreas Bohn | |
## TAGS | |
Reiseland Marokko | |
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