# taz.de -- Baugruppen werden gefördert: Bewerbungsstart für Rudelbauer | |
> Landeseigene Grundstücke können nun bevorzugt an Baugruppen verkauft | |
> werden. Widerstände des Finanzsenators ausgeräumt. | |
Gute Nachrichten für bauwillige Familien: Gestern startete | |
Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) den Verkauf von fünf | |
landeseigenen Grundstücken an interessierte Baugruppen. Das Besondere: Die | |
innerstädtischen Parzellen können zu einem festen Verkehrswert erworben | |
werden, wenn die Gruppen zeigen, dass sie gemeinschaftlich, sozial | |
engagiert und ökologisch wohnen wollen. Der Verkehrswert liegt meist um | |
einiges niedriger als der Verkaufspreis in einem offenen Bieterverfahren, | |
deshalb könnte die Initiative viele Bauinteressierte animieren, gemeinsam | |
im Stadtzentrum statt allein im Speckgürtel zu bauen. Bei der Ausschreibung | |
handelt es sich um ein Pilotverfahren, dem bald weitere Grundstücke folgen | |
sollen. | |
"Baugruppen leisten einen Beitrag zur Stabilisierung innerstädtischer | |
Quartiere", sie seien erfahrungsgemäß "soziale Anker", begründet die | |
Senatorin ihre Initiative. Liegenschaftspolitik diene genauso der | |
Stadtentwicklung wie Wirtschaftspolitik. Die Mitglieder der Baugruppen | |
engagierten sich erfahrungsgemäß überdurchschnittlich in ihrem Kiez und | |
brächten Kaufkraft in die Quartiere, führt die SPD-Politikerin weiter aus. | |
Bis Mitte August können sich interessierte Baugemeinschaften um die Flächen | |
beim Liegenschaftsfonds des Landes Berlin bewerben. Beratend hilft dabei | |
die Netzwerkagentur GenerationenWohnen. Man mache keine Baubetreuung, | |
sondern stehe allen Interessierten für allgemeine Fragen zur | |
Freiraumkonzeption, zur Finanzierung und bei der Suche nach weiteren | |
Mitstreitern zur Seite, erklärt Theo Killewald von der Agentur. | |
Der Start des ungewöhnlichen Vergabeverfahrens ist auch ein persönlicher | |
Erfolg für Junge-Reyer. Noch im Mai hatte sich Finanzsenator Thilo Sarrazin | |
(SPD) gegen das Projekt quergestellt. Der Grund: Das Oberlandesgericht | |
Düsseldorf hatte kurz zuvor ein ähnliches Verfahren in Nordrhein-Westfalen | |
gestoppt, weil es nicht dem EU-Vergaberecht entsprochen habe (taz | |
berichtete). Die Bedenken im Senat seien jetzt aber ausgeräumt, so | |
Junge-Reyer gestern. Ohnehin habe das Projekt nie zur Debatte gestanden, es | |
sei nur um den richtigen Weg gegangen. "Wir haben lange diskutiert und uns | |
auf ein rechtssicheres Verfahren geeignet, das auch von der | |
Finanzverwaltung unterstützt wird", erklärt die Senatorin. | |
Genaue Kriterien sollen regeln, dass die stadtentwicklungspolitischen Ziele | |
von den Baugemeinschaften auch verwirklicht werden. Beispielsweise werde | |
bei der inhaltlichen Prüfung der Anträge geschaut, ob Gemeinschaftsräume | |
geplant und ob tatsächlich mehrere Generationen an dem Projekt beteiligt | |
seien, so Junge-Reyer. Damit will der Senat dem Vorwurf einer | |
unangemessenen Mittelstandsförderung begegnen. Dieser Vorwurf ließe sich | |
aber auch noch auf eine andere Weise entkräften, findet der Architekt | |
Christian Schöningh, den das Bohei um das Prestigeprojekt von Junge-Reyer, | |
die selbst in einer WG wohnt, etwas ärgert. Er habe mit einer Baugruppe in | |
der Steinstraße in Mitte im Jahr 2000 auch bei einem offenen | |
Bieterverfahren gute Erfahrungen gemacht, so Schöningh zur taz. Der damals | |
zuständige Bezirk sei vom Konzept der Rudelbauer so angetan gewesen, dass | |
er ihnen nachträglich die Möglichkeit gab, auf das ursprünglich höhere | |
Gebot eines Privatinvestors nachzuziehen. "Umgerechnet auf die einzelnen | |
Mitglieder waren die zusätzlichen Kosten leicht zu verkraften", so | |
Schöningh. Eine unprätentiöse Initiative aus der Politik, die Schule machen | |
sollte. | |
9 Jul 2008 | |
## AUTOREN | |
Till Below | |
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