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# taz.de -- Protest gegen Rassismus: Der unbekannte Dritte
> Das berühmteste Bild der Olympia-Geschichte: 1968 demonstrierten
> US-Sprinter gegen Rassismus. Doch warum bekam kaum jemand mit, dass auch
> Peter Norman mitprotestierte?
Bild: "Figur wie Forrest Gump": Norman, Smith, Carlos (v. l.)
Vor weniger als zwei Jahren, im Oktober 2006, starb in Australien Peter
Norman, ein unbekannter Sportlehrer mit Alkoholproblemen. Irgendein
Achtundsechziger halt, so scheint es. Doch zumindest Peter Normans Gesicht
ist weltberühmt. Norman war der dritte Mann auf dem vermutlich bekanntesten
Foto der Sportgeschichte: der Siegerehrung des 200-Meter-Laufs der
Olympischen Spiele 1968 in Mexiko, als der Sieger und der Drittplatzierte,
Tommie Smith und John Carlos, die geballte Faust nach oben gereckt, den
Blick jedoch gesenkt, um die US-Flagge nicht sehen zu müssen.
"Die Leute nehmen Peter Norman als eine Figur wie Forrest Gump wahr", sagt
der amerikanische Sportjournalist Dave Zirin, "als einen nichts richtig
mitbekommenden Zeugen der Geschichte." Dabei müsse man doch nur genau
hinschauen, dann sehe man, dass dieser weiße Sportler sehr stolz schaut,
"er ist kein bisschen irritiert von dem, was um ihn herum passiert". Wenn
man noch genauer hinschaut, sieht man, dass alle drei Sportler den gleichen
Button angesteckt haben. "OPHR" steht darauf, Olympic Project for Human
Rights. Es steht für die Bewegung der überwiegend schwarzen US-Sportler.
Zusammengetan hatten sie sich erst im Jahr zuvor, 1967, um über einen
Boykott der Spiele in Mexiko zu diskutieren. Weil es dazu nicht kam, hatten
sich Sportler wie Tommie Smith und John Carlos überlegt, eine mögliche
Siegerehrung zum Protest zu nutzen. "Kann ich euch helfen?", hatte Norman
gefragt. Vor der Zeremonie hatte er mitbekommen, was seine zwei Kollegen
planten. Er sympathisierte mit ihnen. Zumindest einen Button des OPHR
wollte Norman aus Solidarität tragen. "Carlos und Smith hatten aber keinen
weiteren Button dabei", berichtet Matt Norman. Er ist der Neffe von Peter,
und er ist der Regisseur eines gerade in Australien anlaufenden Films
namens "Salute" über seinen Onkel. "Carlos sagte aber meinem Onkel, dass er
noch Zeit habe und doch schnell rausgehen und sich einen holen solle." Paul
Hoffman, ein Ruderer, hatte noch einen Button, den er verschenkte. Norman
steckte ihn sich an. Im Jahr 2006 wurde auf dem Campus der
San-José-Universität in Kalifornien eine Statue eingeweiht, die an die
historische Geste erinnert.
Nach ihrer Aktion 1968 wurden nicht nur Smith und Carlos bestraft. Auch
Peter Norman hatte mit Problemen zu kämpfen. 1972 war Norman immer noch der
schnellste Sprinter Australiens, aber das australische Olympische Komitee
entschied sich, erstmals in seiner Geschichte, keinen Sprinter zu
Olympischen Spielen zu schicken. "Sie wollten lieber niemanden dorthin
schicken als so einen", sagt Matt Norman. "Man hatte Angst, dass mein Onkel
wieder einen politischen Protest initiieren würde."
Im Jahr 2000, als die Spiele im australischen Sydney stattfanden, erhielt
Peter Norman von den Organisatoren keine Einladung, sich die Wettbewerbe
anzuschauen. "Die schwarzen Athleten des US-Teams luden ihn ein", berichtet
Matt Norman, "sie finanzierten seine Reise von Melbourne nach Sydney,
besorgten ihm Tickets, und er wohnte während der Spiele auch in einem
Hotel, das vom US-Team genutzt wurde." Peter Norman war kein politischer
Aktivist. Er scheute größere Auftritte. "Er war in einem religiösen Sinn
politisch", sagt sein Neffe. "Seine Einstellung war: Wenn du gewinnst, dann
ist es dein Tag. Dann musst du das tun, was dir wichtig ist. Wenn du etwas
zu sagen hast, sage es an diesem Tag, denn heute hast du es dir verdient."
Im Jahr 2000 erklärte Peter Norman in einem Interview die Motive für seine
Solidarität mit Smith und Carlos: "Ich konnte einfach nicht einsehen, warum
ein Schwarzer nicht aus demselben Brunnen trinken darf oder in demselben
Bus sitzen darf oder dieselben Schulen besuchen darf wie ein Weißer. Das
war eine pure soziale Ungerechtigkeit, für die ich nichts konnte, die ich
aber auf jeden Fall hasste." Aus dieser Haltung heraus kritisierte er auch
die Vergabe der Olympischen Spiele an Peking. Sein Neffe sagt: "Das hat
Peter nicht verstanden."
Vor zwei Jahren, kurz vor seinem Tod, hatte sich Peter Norman auch selbst
dazu geäußert. "Es gibt oft Missverständnisse, was die Fäuste bedeuteten",
sagt er mit Blick auf Mexiko und auf Peking. "Es ging um die
Bürgerrechtsbewegung, um Gleichheit für alle Menschen. Dieses Anliegen gibt
es heute noch, auch bei den Spielen 2008 in Peking. Wir müssen
sicherstellen, dass es ein Statement in Peking geben wird." Zuletzt
arbeitete Peter Norman als Sportlehrer. Nach einem Laufunfall hatte er
starke Schmerzmittel genommen, von denen er abhängig wurde. Und er begann
zu trinken. "Zwischen den Schmerzmitteln und dem Alkohol hat er viele
seiner Ziele aus dem Auge verloren", sagt sein Neffe. Mit Tommie Smith und
John Carlos hielt Peter Norman zeit seines Lebens freundschaftlichen
Kontakt. Zu Normans Beerdigung im Oktober 2006 kamen beide als Sargträger
angereist. "Als ich den Anruf erhielt, dass er gestorben ist, hat mir das
erst mal die Luft genommen", sagt John Carlos. "Ich war sein Bruder. Er war
mein Bruder. Das solltet ihr wissen."
25 Jul 2008
## AUTOREN
Martin Krauss
## TAGS
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
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