# taz.de -- Peking lässt chinakritische Websites gesperrt: IOC sagt ja zur Zen… | |
> Von wegen "völlig freie Berichterstattung": Die Olympia-Veranstalter | |
> haben mitgeteilt, dass einige Websites auch für internationale | |
> Journalisten gesperrt bleiben. Das IOC hat zugestimmt. | |
Bild: Die chinesiche Regierung kontrolliert die Olympischen Spiele weiterhin ma… | |
PEKING taz Wang Xiaoshan traut den Internetspezialisten im internationalen | |
Pressezentrum der Olympischen Spiele "nicht mal den Intelligenzquotienten | |
von Betrügern" zu. Wang ist Sportreporter bei der chinesischen Ausgabe des | |
US-Sportmagazins Sports Illustrated. Vorher war er Feuilletonchef der Neuen | |
Pekinger Zeitung, verließ aber im Protest das Blatt, nachdem die | |
KP-Propagandabehörde den zuvor kritischen Chefredakteur ausgewechselt | |
hatte. Er zählt zu den bekanntesten Journalisten Chinas und wundert sich, | |
warum seine ausländischen Kollegen im Olympia-Pressezentrum nicht die in | |
China üblicherweise zensierten Internetseiten einsehen können. | |
"Eigentlich hätte das technisch nicht passieren dürfen. Die chinesische | |
Regierung schafft es nicht einmal, Chinesen und Ausländer unterschiedlich | |
zu behandeln", sagt Wang. Dass sich Peking den aufkochenden Streit mit der | |
internationalen Presse um den freien Internetzugang während der Spiele in | |
Peking absichtlich eingehandelt hat, bezweifelt er. "Die Regierung hat | |
eigentlich alles getan, um den ausländischen Journalisten so viel Freiheit | |
wie möglich zu sichern, während von der Freiheit für chinesische | |
Journalisten natürlich keine Rede war", sagt Wang. | |
Und trotzdem befindet sich die in Peking für die Spiele versammelte | |
ausländische Berichterstatterschar in Aufruhr. Man checkt im Hotel ein, man | |
lässt den gelben Olympia-Presseausweis registrieren, erhält den Zugang zum | |
Pressezentrum und schaut erst mal online nach der Nachrichtenlage. Und | |
schon fängt der Ärger an: Die Website von amnesty international lässt sich | |
nicht aufrufen. BBC auch nicht. Dabei hatte amnesty gerade erst am Montag | |
seinen neuen Olympia-Bericht veröffentlicht. | |
Kevan Gosper, Vorsitzender der Pressekommission des Internationalen | |
Olympischen Komitees (IOC), will es erst nicht glauben: "Es stimmt schon, | |
dass ein Bericht wie der von amnesty über Olympia als notwenig für die | |
Arbeit eines Reporters betrachtet werden könnte", sagt Gosper. Da hat er | |
aber offenbar noch nicht mit seinen IOC-Oberen Rücksprache gehalten. Denn | |
später rudert Gosper zurück: "Meine Verantwortung ist es, sicherzustellen, | |
dass über die Wettkämpfe für die ganze Welt offen berichtet wird. Das | |
bedeutet nicht unbedingt, dass es einen Zugang zu allen Seiten über China | |
geben muss", teilt er mit. | |
Mit anderen Worten: Über Sportthemen, für die in China sowieso keine | |
Internetzensur besteht, darf frei berichtet und auch frei online | |
recherchiert werden, aber nicht über politische Themen. | |
Dabei hatte Gosper im April noch erklärt, China werde die Internetzensur im | |
Pressezentrum komplett aufheben. Jetzt sagt Gosper: "Ich bin enttäuscht, | |
dass der Zugang nicht größer ist. Aber ich kann den Chinesen nicht sagen, | |
was sie tun sollen." Er räumt ein, dass hohe IOC-Vertreter der Sperrung von | |
Webseiten zugestimmt hätten. | |
Die gleiche Kehrtwende vollzogen gestern die chinesischen Veranstalter der | |
Spiele. Schon bei der Vergabe der Spiele im Jahr 2001 hatte China eine | |
"völlig freie Berichterstattung" versprochen. "Journalisten werden frei | |
arbeiten können", wiederholte der Sprecher des Pekinger | |
Organisationskomitees der Olympischen Spiele (Bocog), Sun Weide, noch am | |
Dienstag. Gestern aber fügt er hinzu, dass mehrere Webseiten gesperrt | |
würden, und nannte als Beispiel die Seiten der in China verbotenen | |
Falun-Gong-Sekte. Nicht mehr von einem "völlig freien", sondern von einem | |
"ausreichenden" Internetzugang spricht Sun. | |
Entsprechend empört reagieren westliche Politiker und | |
Menschenrechtsorganisationen. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble, der | |
während der Spiele in Peking als Gast erwartet wird, empfiehlt China, für | |
ein "größtmögliches Maß an Offenheit" zu sorgen. Amnesty-Sprecher Robert | |
Godden kritisiert das IOC. "Das IOC hat es unterlassen, mit der | |
Gastgeberstadt den unzensierten Internetzugang vertraglich zu vereinbaren | |
und damit sein Versprechen voller Medienfreiheit während der Spiele zu | |
erfüllen", sagt Godden. | |
Chinas staatlich kontrollierte Medien sind auf die Vorwürfe vorbereitet. | |
"China hat seine Versprechen gehalten, aber nicht auf die eigenen | |
Prinzipien verzichtet", kommentiert die Pekinger Global Times. Keine | |
Regierung in der Welt würde sich nach der Kritik ausländischer Journalisten | |
richten und Dinge tun, die das Interesse des eigenen Landes verletzten, | |
schreibt das Blatt. | |
Kritik an der Empörung gibt es auch von unabhängiger Seite. "Kann man im | |
Ausland alle Internetseiten lesen? Die ausländischen Journalisten suchen | |
Knochen in Eiern", sagt Lou Huanqing, Mitglied des Pekinger | |
Google-Stundentenclubs. "Natürlich gibt es eine viel größere Pressefreiheit | |
im Westen, aber es könnte auch ein bisschen Toleranz gegen andere | |
Zensurvorschriften geben, außerdem lassen sie sich mit etwas Know-how alle | |
umgehen," sagt Lou. | |
Mehr Verständnis zeigt der Kulturkritiker der Neuen Pekinger Zeitung, Pan | |
Caifu: "Alle, die sich über Peking empören oder lustig machen, haben schon | |
ein Olympia hinter sich. Sie kommen aus demokratischen und reichen Ländern. | |
Sie sind berechtigt, zu klagen. Weil es für uns das erste Mal ist, müssen | |
wir ruhig und gelassen akzeptieren, dass andere uns kritisieren und | |
auslachen", schreibt Pan. | |
30 Jul 2008 | |
## AUTOREN | |
G. Blume | |
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