# taz.de -- Israels Geheimdienst erpresst offenbar Kranke: Spionieren oder ster… | |
> "Ärzte für Menschenrechte" hat schweres Beweismaterial gegen den | |
> israelischen Geheimdienst zusammengetragen: Der Schin Beth erpresst | |
> offenbar kranke Palästinenser. | |
Bild: Findet zum Glück Behandlung im Gazastreifen: Dialysepatientin in Khan Yo… | |
JERUSALEM taz Israels Inlandsgeheimdienst Schin Beth missbraucht die | |
Schwächsten der Schwachen, um Informanten im Gazastreifen zu rekrutieren. | |
"Entweder du kollaborierst oder du stirbst", resümiert Ruhama Marton die | |
schlichte Botschaft der israelischen Agenten am Kontrollpunkt Erez. Marton | |
ist Gründerin und Direktorin der israelischen "Ärzte für Menschenrechte" | |
(PHR), die am Montag in Jerusalem ihren Bericht "Gesundheit als Lösegeld" | |
veröffentlichten. | |
Der 33-jährige B. aus Gaza sollte sich am 12. September 2007 zu einer | |
Augenoperation im St. Johns Hospital in Nablus einfinden. Er ist einer von | |
elf Zeugen, deren detaillierte Aussagen der PHR-Bericht festhält. Dem PHR | |
liegen Beweise für 20 weitere Fälle vor. Ausgestattet mit der nötigen | |
Ausreisegenehmigung erreichte B. am Morgen des 12. September den | |
Erez-Übergang. Nach einer über zweistündigen Sicherheitskontrolle "kamen | |
zwei Männer in Zivil auf mich zu". Sie führten B. durch einen | |
unterirdischen Gang, unterzogen ihn erneut einer peinlichen Kontrolle und | |
brachten ihn dann zu einem ebenfalls in Zivil gekleideten | |
Vernehmungsbeamten, der sich als "Mosche" vorstellte. | |
"Er fragte mich nach Leuten und Kämpfern der Hamas, die sich anderen | |
Bewegungen angeschlossen hatten. Ich kannte keinen von ihnen persönlich", | |
heißt es in der Zeugenaussage von B. Nach stundenlanger Befragung habe | |
"Mosche" ihn aufgefordert, sofort anzurufen, sollte B. Informationen über | |
geplante Terroraktivitäten gegen Israel haben. "Wenn du tust, was ich dir | |
sage, lasse ich dich ins Krankenhaus gehen", zitiert B., der sich weigerte, | |
der Forderung nachzukommen, den israelischen Nachrichtenbeamten. Gegen fünf | |
Uhr nachmittags sei er nach Hause zurückgekehrt. Den Termin für die | |
Operation hatte er verpasst. B. darf bis heute nicht ausreisen. Das rechte | |
Auge, so sagt er, "ist jetzt nicht mehr zu retten". | |
Gut tausend Palästinenser beantragen monatlich die Ausreise, um die | |
medizinische Behandlung zu erhalten, die es im Gazastreifen nicht gibt. Die | |
meisten werden an ein israelisches Krankenhaus verwiesen, anderen reichen | |
die Diagnose- und Therapiemöglichkeiten im Westjordanland aus. Patienten, | |
die auf einen dauerhaften Krankenhausaufenthalt angewiesen sind, reisen | |
gewöhnlich nach Jordanien oder Ägypten. Allen steht ein langwieriger | |
bürokratischer Prozess bevor, um eine Ausreisegenehmigung zu erhalten. | |
Bis Juni 2007, bevor die Hamas die Kontrolle über den Gazastreifen | |
übernahm, bewilligten israelische Behörden rund 90 Prozent der Anträge. Die | |
Hälfte der Patienten verließ den Gazastreifen über den Grenzpunkt Rafah in | |
Richtung Ägypten. Rafah ist, mit Ausnahme des gewaltsamen Grenzdurchbruchs | |
im Januar, seit einem Jahr komplett geschlossen. Deshalb hat sich die Zahl | |
der Ausreiseanträge via Erez verdoppelt. Die Zahl der Genehmigungen blieb | |
hingegen gleich, was bedeutet, dass heute nur noch rund 50 Prozent der | |
Anträge bewilligt werden. | |
Miri Weingarten, Herausgeberin des PHR-Berichts beobachtet seit vergangenem | |
Sommer die "immer systematischer verfolgte Methode von Verhören für die | |
Ausreisegenehmigung". Diese Methode sei nicht neu, sagt sie, "der Schin | |
Beth hat in der Vergangenheit palästinensische Arbeitnehmer auf die gleiche | |
Weise versucht zu rekrutieren". Mit ihrem Protest gegen diese Praktiken | |
stoßen die Menschenrechtler vor dem obersten Gerichtshof vorläufig auf | |
taube Ohren. "Was der Schin Beth am Erez-Checkpoint veranstaltet", sagt | |
PHR-Direktorin Marton, "ist nichts anderes als Folter." SUSANNE KNAUL | |
5 Aug 2008 | |
## AUTOREN | |
Susanne Knaul | |
## TAGS | |
Israel | |
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