# taz.de -- Mediaspree: Senatorin will Volk abschaffen | |
> Stadtentwicklungssenatorin Junge-Reyer stellt die Bürgerbegehren infrage | |
> - wegen des Ausgangs des Mediaspree-Entscheids. Dagegen hagelt es | |
> Protest. | |
Bild: Streit um Mediaspree: Nun stellt Junge-Reyer Bürgerbegehren infrage. | |
Dass Ingeborg Junge-Reyer (SPD) dem Ausgang des Mediaspree-Bürgerentscheids | |
keine allzu große Bedeutung beimisst, hat sie bereits unmittelbar nach der | |
Abstimmung kundgetan. Drei Wochen nach dem Urnengang legt die | |
Stadtentwicklungssenatorin nun nach und stellt diese Form der | |
Bürgerbeteiligung grundsätzlich infrage. "In Friedrichshain-Kreuzberg gut | |
30.000 Menschen zu mobilisieren, die gegen etwas sind […], ist relativ | |
einfach und stellt dadurch das Instrument Bürgerbegehren insgesamt | |
infrage", so Junge-Reyer in einem Beitrag für den Tagesspiegel. Beim | |
Koalitionspartner, bei Bezirkspolitikern und Experten stößt sie auf | |
Ablehnung - verbunden mit der Aufforderung, sie solle nicht wie eine | |
schlechte Verliererin jammern. | |
"Das ist schon ein sehr fragwürdiges Demokratieverständnis, wenn man nach | |
dem Ausgang eines Entscheid das ganze Instrument infrage stellt", sagt | |
Michael Efler vom Landesvorstand des Vereins Mehr Demokratie. Der Jurist | |
Christian Pestalozza von der Freien Universität (FU) pflichtet ihm bei. | |
"Ich bin eher froh und positiv gegenüber Bürgerbegehren eingestellt. Berlin | |
war jahrelang unglaublich zurückhaltend", sagt er. "Die Einrichtung als | |
solche ist gut." | |
Am Bürgerentscheid über Mediaspree hatten sich Mitte Juli 35.000 | |
Wahlberechtigte und damit 19,1 Prozent beteiligt - deutlich mehr als die | |
erforderlichen 15 Prozent. Gegen die bisherigen Pläne zur Bebauung der | |
Spreeufer stimmten 87 Prozent. Trotzdem garantierte Junge-Reyer am Tag | |
danach den Investoren Planungssicherheit und drohte so indirekt damit, das | |
Verfahren an sich zu reißen. Bezirksbürgermeister Franz Schulz (Grüne) | |
erklärte nämlich, den Willen der Anwohner zu berücksichtigen. | |
Auch er reagiert mit Unverständnis auf die jüngsten Äußerungen der | |
Senatorin. "Man kann doch einen Entscheid nicht infrage stellen, bloß weil | |
einem das Ergebnis nicht passt", so Schulz zur taz. "Die Leute, die dafür | |
gewesen wären, hätten ja hingehen können, es war ja eine Alternative | |
formuliert." Er verwies darauf, dass der Senat erst vor drei Jahren den | |
Entscheid auf Bezirksebene eingeführt habe. | |
So sieht das auch FU-Jurist Pestalozza: "Diejenigen, die zur Urne gehen, | |
haben nun einmal die Oberhand über die, die zu Hause bleiben", sagt er. "Da | |
muss man eben selbst ein bisschen Werbung machen und nicht einfach | |
hinterher jammern." Der Wissenschaftler spricht sich gegen eine Erhöhung | |
des Quorums aus. "Es sollte nicht so hoch sein, dass Zuhausebleiber belohnt | |
werden." Natürlich würden auf Bezirksebene weniger Stimmen benötigt als bei | |
einem landesweiten Volksentscheid, aber das sei ja bei Wahlen auch nicht | |
anders. | |
Der Bürgerentscheid hat ohnehin nur empfehlenden Charakter. Seine | |
Signalwirkung indes ist unumstritten, wie auch der Landeschef der Linken, | |
Klaus Lederer, betont. "Es ist offensichtlich, dass sich mit dem Stadtumbau | |
auch Sorgen verbinden", sagt er. Die gelte es ernst zu nehmen. Lederer | |
stärkt dabei dem Bezirk den Rücken. Die Diskussionsbereitschaft, die | |
Bürgermeister Schulz zeige, entspreche dem Sinn des Entscheids. | |
Der Sonderausschuss aus Bezirk und Bürgerinitiative, der einen Konsens | |
finden soll, tagt erstmals nach der Sommerpause. Etwa zur selben Zeit will | |
Schulz gemeinsam mit Junge-Reyer das Spreegebiet inspizieren. Dann dürfte | |
auch hier Gelegenheit zu einem klärenden Gespräch sein. Junge-Reyer selbst | |
äußerte sich am Montag nicht. Die Senatorin sei im Urlaub, hieß es von | |
ihrer Sprecherin. | |
4 Aug 2008 | |
## AUTOREN | |
Kristina Pezzei | |
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