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# taz.de -- Angolas Ölreichtum: Das teuerste Pflaster der Welt
> Angola ist das Boomland des Kontinents und mittlerweile der größte
> Ölproduzent Afrikas. Die Mehrheit der Bevölkerung ist aber vom neuen
> Reichtum ausgeschlossen.
Bild: Luanda, die Hauptstadt Angolas, gilt als teuerste Stadt der Welt.
LUANDA taz Im Hafen von Luanda stauen sich die Frachtschiffe. 2.000 Pkws
werden jede Woche in Angolas Hauptstadt ausgeladen und sorgen auf den
Straßen der Fünf-Millionen-Metropole für Dauerstau. Luanda, inzwischen eine
der größten Städte Afrikas, ist eine einzige Baustelle. Und weil die
wenigen Straßen, auf denen nicht gebaut wird, von sieben Uhr morgens bis
neun Uhr abends ununterbrochen verstopft sind, werden alle Besprechungen am
Handy erledigt. So boomt auch der Mobilfunk. Fünf Millionen Handynutzer
zählt Angola mit seinen 16 Millionen Einwohnern - eine der höchsten Raten
Afrikas.
Vor wenigen Jahren war Angola noch ein komplett zerstörtes
Bürgerkriegsland. Heute ist es das Boomland des Kontinents. Dank Öl.
Im vergangenen April löste Angola das neunmal größere Nigeria als größter
Ölproduzent Afrikas ab. 1,9 Millionen Barrel werden hier jeden Tag
gefördert, eine 50-prozentige Erhöhung in nur drei Jahren. Weitere
Steigerungen sind geplant. 2007 betrug das Wirtschaftswachstum 25 Prozent,
und das soll bis mindestens 2012 so weitergehen, prognostiziert der Ökonom
Alves Rocha.
Immer neue Rekorde werden gebrochen. Der französische Ölkonzern Total will
seine Förderung in Angola innerhalb von sechs Jahren von 300.000 auf eine
Million Barrel täglich steigern. Der US-Konzern Chevron verkündete im Mai
Investitionen von drei Milliarden US-Dollar zur Erschließung eines
Tiefseevorkommens im Atlantik.
Aber es geht nicht nur um Öl: Diamanten, während des Bürgerkrieges der
90er-Jahre Hauptgeldquelle der Unita-Rebellen und damals international
geächtet, sind jetzt wieder gefragt. 2007 wurden Steine im Wert von 1,3
Milliarden Dollar gefördert, bis 2010 soll sich diese Summe verdoppeln,
sagt die staatliche Diamantenfirma Endiama.
## Geld aus Deutschland
Und es geht längst nicht mehr nur um Rohstoffexporte: Stahlwerke und
Ölraffinerien sind in Planung. Das Bruttosozialprodukt im Nicht-Öl-Bereich
wuchs 2007 fast so stark wie die Gesamtwirtschaftsleistung, um 22 Prozent.
Ein ganzes Land ist wiederaufzubauen, nachdem die Unabhängigkeit von
Portugal 1975 direkt in einen 17 Jahre währenden Krieg führte, der alles
zerstörte. Brücken, Eisenbahnen, Flughäfen, Krankenhäuser, Schulen - an
allem fehlt es. Finanziert wird der Wiederaufbau vor allem von China, aber
auch durch Kredite von Commerzbank und Deutscher Bank.
Den kapitalistischen Ölboom hat die seit der Unabhängigkeit herrschende,
frühere sozialistische Staatspartei MPLA (Angolanische
Volksbefreiungsbewegung) unbeschadet überstanden. Sie regiert das Land ohne
ernste Herausforderung. Dass es seit den gescheiterten Wahlen von 1992, als
Unita-Rebellenführer Jonas Savimbi seine Niederlage nicht anerkannte und
für zehn Jahre zurück in den Krieg zog, keine Wahlen mehr gegeben hat,
stört niemanden auf der Welt. 2002 wurde Rebellenchef Jonas Savimbi getötet
und der Krieg ging zu Ende; aber erst jetzt, wo der Boom Früchte trägt und
die MPLA sicher im Sattel sitzt, stehen Wahlen an - Parlamentswahlen am 8.
September.
Die Wahlbeobachter dafür werden kaum Hotelzimmer finden, denn Luanda platzt
aus allen Nähten. Wer ein Hotel bucht, muss Monate im Voraus reservieren
und mit Bargeld ebenfalls im Voraus zahlen. Die Konkurrenz ist groß:
Ingenieure und Ölarbeiter internationaler Investoren mieten Hotelzimmer
monatsweise, während sie auf ihre Quartiere warten.
## Gesucht: Büros am Strand
Luanda gilt inzwischen als die teuerste Stadt der Welt, noch vor Moskau,
obwohl die Mehrzahl seiner fünf Millionen Einwohner noch immer in absoluter
Armut lebt. Die Nachfrage nach Büroflächen steigt immer weiter, vor allem
in Meeresnähe. Die staatliche Ölfirma Sonangol, deren Umsatz von 17
Milliarden Dollar im Jahr 2007 allein fast ein Drittel des
Bruttoinlandsprodukts ausmachte, hat kürzlich einen ultramodernen
Geschäftsturm eingeweiht. Eine komplett neue Stadt "Luanda Sul" ist aus dem
Boden gestampft worden; vor zwei Jahren wurde hier Afrikas modernste
Shoppingmall "Belas Shopping Center" eröffnet, und die Villen an der
Zufahrtsstraße kosten bis zu zwei Millionen Dollar. Ein Geschäftsmann an
der Praia do Bispo im Süden Luandas zahlt 9.000 Dollar Miete im Monat und
muss eine Jahresmiete im Voraus hinterlegen - ein kleiner
Staatsbediensteter wohnt in einem Zimmer ohne Strom und fließendes Wasser
im Slum, für 30 Dollar im Monat.
"Die Häuser sind sehr teuer", sagt Pader Estevao, Journalist beim privaten
Radiosender Radio Eclesia. "Und sie sind nicht für die da, die kein Dach
über dem Kopf kennen, sondern für die, die schon ein Haus haben."
Noch vor wenigen Jahren war Angola eines der ärmsten Länder der Welt. Heute
beträgt das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf über 3.000 US-Dollar, und mit dem
hohen Wirtschaftswachstum der kommenden Jahre sieht sich Angola bereits als
kommende Großmacht Afrikas. Die Devisenreserven betragen 15 Milliarden
Dollar, der Schuldendienst von 1,5 Milliarden Dollar bis zum Jahr 2010 ist
ein Klacks.
Angolanische Firmen kaufen Beteiligungen an Banken des Mutterlandes
Portugal und investieren in Bauxitminen in Guinea-Bissau. 2010 steht die
Afrika-Meisterschaft im Fußball auf Angolas Programm, neue Stadien werden
gebaut. Die chinesische Eximbank finanziert einen neuen Großflughafen.
Aber es sind nicht nur die Chinesen, die von Angolas Boom profitieren. Der
milliardenschwere Bau einer Ölraffinerie in Lobito ist Peking nach einem
Streit mit dem angolanischen Staatskonzern Sonangol entgangen. Dieser will
von dort auch raffinierte Produkte hoher Qualität nach Nordamerika und
Europa exportieren, aber die Chinesen boten nur die niedrigeren Standards,
die für Asien reichen, erklärt ein Berater im Ölsektor. Ein neuer Partner
wird jetzt gesucht.
Auch die sechs Milliarden Dollar, die der staatliche China Investment Fund
für Angola bereitgestellt hat, wurden nicht komplett abgerufen. Der
Wiederaufbau der Benguela-Eisenbahnlinie, die einen der wichtigsten
Atlantikhäfen Angolas mit dem ebenfalls boomenden Bergbaugebiet Katanga in
der Demokratischen Republik Kongo verbinden soll, ist in Verzug.
Ary Carvalho, Direktor der nationalen angolanischen Investitionsbehörde,
erklärt, die Außenwelt habe einen falschen Eindruck von der Übermacht
Chinas: Die Chinesen führten doch nur Aufträge der angolanischen Regierung
aus, deren Bezahlung mit Öl garantiert wird. Von Ausplünderung könne da
keine Rede sein. Und kein einziger chinesischer Konzern ist in der
Ölförderung präsent, Basis des angolanischen Reichtums.
## Wer profitiert vom Boom?
Um so mehr aber stellt sich die Frage, wer von Angolas Boom profitiert. Ist
es mehr als nur eine kleine Elite von Generälen und Politikern, die erst
den Bürgerkrieg gewonnen haben und jetzt die Wirtschaftsgewinne
einstreichen? Es sieht auf den ersten Blick nicht so aus. Allgemeine
Grundschulbildung erwarten die Mitarbeiter des UN-Entwicklungsprogramms
UNDP in Angola erst für 2015 - einige viel ärmere afrikanische Länder haben
das schon längst.
Zwei Drittel der Bevölkerung leben unter der absoluten Armutsgrenze von
einem US-Dollar pro Tag, jedes vierte Kind stirbt vor seinem fünften
Geburtstag. Größter Killer ist die Malaria.
Eine brasilianische Krankenschwester berichtet über die dramatischen
Zustände im staatlichen Gesundheitswesen: Wer behandelt werden will, muss
gasosa zahlen, also Schmiergeld. Das Pflegepersonal ist nicht genügend
ausgebildet.
Rui Falcao, Informations- und Propagandadirektor der Regierungspartei MPLA,
wehrt sich gegen die Kritik. Das sei alles böswillig, meint er. Der Krieg
sei doch erst seit sechs Jahren vorbei. Wie lange brauchte Europa nach dem
Zweiten Weltkrieg, um sich zu erholen, fragt er? Und er erinnert daran,
dass während des Krieges die Unita-Rebellen zielgerichtet sämtliche
Infrastruktur zerstörten. Immer wenn die Regierung eine Brücke baute, wurde
sie von den Rebellen kaputtgemacht. Also soll sich die Unita, heute zur
parlamentarischen Opposition mutiert, bitte schön zurückhalten, wenn es um
Kritik an mangelnder Basisinfrastruktur geht.
Ein Kritikpunkt, der nichts mit dem Krieg zu tun hat, ist der Mangel an
Arbeitsplätzen für Angolaner. Viele Baumaschinen werden von Chinesen oder
Portugiesen bedient. Die vom China Investment Fund finanzierten Projekte
werden mit chinesischen Arbeitskräften durchgeführt. Die angolanische
Bevölkerung sieht sich vom Boom ausgeschlossen. Der Unita-Radiosender Radio
Despertar versucht, den Unmut der Einheimischen gegenüber den Ausländern zu
kanalisieren. Im Juni gab es erstmals einen Streik angolanischer
Bauarbeiter auf der Eisenbahnlinie von Mocamedes.
Ein neuer Krieg in Angola gilt jedoch als ausgeschlossen. Armee und Polizei
kontrollieren das Land, sagt auch MPLA-Propagandadirektor Falcao: "Wer zu
den Waffen greift, ist am nächsten Tag tot", warnt er. Auch Alcides Sakala,
Fraktionsführer der Unita im Parlament, glaubt an friedliche Wahlen im
September. Seit Monaten organisieren die Sicherheitskräfte gemeinsam mit
der katholischen Kirche Sammlungen von Waffen, die noch immer zahlreich im
Land zirkulieren. Und Präsident Eduardo dos Santos hat bis zum Jahr 2013
den Bau von einer Million Sozialwohnungen angekündigt. Das Geld hat er ja.
7 Aug 2008
## AUTOREN
François Misser
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