# taz.de -- Politische Fotomontagen: Hitler mit Hakenkreuz-Herz | |
> Das Kölner Museum Ludwig stellt Fotomontagen des Dänen Jacob Kjeldgaard | |
> aus, die von 1932 bis 1940 in der linken französischen Wochenzeitschrift | |
> "Marianne" erschienen sind. | |
Bild: Eine Reproduktion der Fotomontage "Was nun...?" von Marinus aus dem Jahr … | |
Groß war die Empörung, als das polnische Wochenmagazin Wprost im | |
vergangenen Jahr mit einer Fotomontage titelte, auf der die barbusige | |
Angela Merkel die Zwillinge Lech und Jaroslaw Kaczynski stillt. Eine | |
Geschmacklosigkeit, urteilten die deutschen Medien und Politiker. | |
Vielleicht wären die Reaktionen weniger heftig ausgefallen, wenn es sich um | |
eine Zeichnung gehandelt hätte. Denn die fotorealistische Darstellung | |
betonte umso mehr den sexistischen Ansatz der rechtsnationalen Blattmacher. | |
In Deutschland ist die Tradition der politischen Fotomontage nahezu | |
verblüht. Lediglich das Satire-Magazin Titanic vermag mit seinen | |
Covertiteln gelegentlich noch Aufregung bewirken. Ihren Höhepunkt erlebte | |
das Genre bereits in den 20er- und 30er-Jahren des 20. Jahrhunderts. Als | |
deren berühmtester Vertreter galt bislang der Deutsche John Heartfield. | |
Seine Arbeiten für die AIZ (Arbeiter-Illustrierte-Zeitung) sind Ikonen | |
journalistischer Agitationskunst. Darunter auch die Montage "Adolf der | |
Übermensch: Schluckt Gold und redet Blech", die eine "Röntgenaufnahme" von | |
Hitler zeigt: Sein Inneres ist mit Münzen gefüllt und an der Stelle des | |
Herzens befindet sich ein Hakenkreuz. | |
In einer hervorragend konzipierten Ausstellung stellt nun das Kölner Museum | |
Ludwig erstmals die Arbeiten von Marinus vor. Unter diesem Pseudonym | |
veröffentlichte der Däne Jacob Kjeldgaard von 1932 bis 1940 in der linken | |
französischen Wochenzeitschrift Marianne über 250 Fotomontagen. Eine kleine | |
Sensation, da Marinus Arbeiten denen von John Heartfield an politischem | |
Witz, satirischer Schärfe, visionärer Weitsicht und handwerklicher | |
Perfektion kaum nachstehen. Seine gegen den deutschen Nationalsozialismus | |
gerichtete Kritik verleiht den Fotomontagen zusätzliche Relevanz. Anders | |
als der Kommunist Heartfield zielte Marinus gleichermaßen auf die Politik | |
der Sowjetdiktatur und die gemäßigte Haltung westlicher Staatsmänner. | |
Dass er bis heute nahezu unbekannt geblieben ist, ist zum einen der damals | |
üblichen Praxis geschuldet, Bildautoren namentlich nicht zu nennen. Zum | |
anderen scheint Marinus ein sehr eigenbrötlerischer Mensch gewesen zu sein, | |
der sich zeitlebens völlig im Hintergrund hielt. Über sein Leben ist so gut | |
wie nichts zu erfahren. Geboren wurde er 1884 in Kopenhagen als Sohn eines | |
Schuhmachers. Nach der Schule nahm er eine Malerlehre auf, doch wohl nur, | |
weil ihm die Ausbildung erlaubte, zugleich am Unterricht an der | |
Kunstakademie teilzunehmen. Anstatt Kunstmaler zu werden, trat Marinus | |
jedoch in die Leuchtreklame-Firma seines Bruders ein. Nach kurzer Zeit | |
überwarf er sich mit dem Älteren und vermutlich auch mit dem Rest der | |
Familie. Jedenfalls zog er 1909 nach Paris und kehrte bis zu seinem Tod | |
nicht wieder nach Dänemark zurück. | |
Über seine berufliche Tätigkeit zu dieser Zeit kann nur spekuliert werden. | |
Eine Arbeit im Bereich der Bildbearbeitung ist anzunehmen. Eine mögliche | |
Spur findet sich in der Zeitschrift Jai Vu, für die Marinus 1917 eine | |
Titelseite gestaltete. Angeblich arbeitete der junge Däne auch als | |
Korrespondent für argentinische Zeitungen. Belegt ist dies nicht. Eine der | |
wenigen Quellen ist ein Interview mit ihm, das 1940 im englischen The | |
Strand Magazine erschien. Nur lassen sich die Selbstzeugnisse nicht durch | |
Angaben von Zeitgenossen bestätigen. Auch über sein Privatleben herrscht | |
Unklarheit. Ein paar Wohnadressen sind aktenkundig, sonst nichts. Selbst | |
sein Herausgeber Emmanuel Berl, der ihn 1932 in die Redaktion von Marianne | |
holte, wusste nichts Näheres über ihn herauszufinden. | |
Was bleibt, sind die Aufmacherbilder für die Titel und die dritten Seiten. | |
Neben freien Kompositionen verwendete Marinus gerne Werke der klassischen | |
Kunst, in die er die Köpfe von zeitgenössischen Politikern montierte. | |
Gleich zweimal bediente er sich Rembrandts "Anatomie des Dr. Tulip". | |
Weitere Vorlagen stammen von Künstlern wie Breughel, Delacroix und Rodin. | |
Das Verständnis seiner Leser konnte Marinus voraussetzen, da sich Marianne | |
an ein gebildetes, linkes Publikum richtete. Aber auch Stills aus populären | |
Kinofilmen eignete er sich an. Auf ein Pressebild von "Ben Hur" montierte | |
er Göring und Goebbels als Antreiber einer Sklavengaleere, Hitler als deren | |
römischen Anführer. Selbst das Ende des Dritten Reiches nahm Marinus schon | |
in mehreren Fotomontagen vorweg. Seine letzte Arbeit erschien 1940. | |
12 Aug 2008 | |
## AUTOREN | |
Markus Weckesser | |
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