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# taz.de -- Mädchen Fußball-Camp: Integration durchs Kicken
> Beim Girlscamp in Leipzig werden keine künftigen Fußball-
> Weltmeisterinnen gecastet. Hier geht es um Spaß und Selbstvertrauen in
> der Gruppe.
Bild: Fußball verbindet.
Für Pelda und Helin Demir bedeuten diese sechs Tage viel. "Da kommen wir
mal weg von daheim, können grillen und Spaß haben", meint die elfjährige
Pelda. "Und Katja kann uns wieder zeigen, wie Fußball gespielt wird," sagt
ihre jüngere Schwester Helin.
Die angesprochene Katja Greulich studiert Sportwissenschaften in Leipzig
und spielt in der ersten Frauenmannschaft bei Lok Leipzig. Und sie wird
auch in diesem Jahr wieder Mädchen für Fußball begeistern. "Ich finde es
toll, dass wir auch die Freizeit zusammen verbringen und so eine
verschworene Gemeinschaft entsteht", freut sich Greulich.
Vom 18. bis 23. August findet in Leipzig das "Girlscamp" statt. Die Idee
dahinter: Mädchen mit Migrationshintergrund und aus sozial
unterprivilegierten Familien absolvieren eine Art Fußballtrainingslager. Im
Vordergrund steht das soziale Lernen und weniger die Zielsetzung,
talentierte Fußballerinnen zu casten.
Das von der Flick-Stiftung konzipierte Projekt geht bereits in seine vierte
Saison. "Von Anfang an waren wir von den integrativen Möglichkeiten
sportbetonter Jugendprojekte überzeugt", sagt Geschäftsführerin Christiane
Irina Fetscher rückblickend. "Wir wollten gezielt junge Mädchen fördern, da
diese unserer Meinung nach zu sehr vernachlässigt werden." Deswegen ging
2005 die Stiftung auf die Suche nach einem Verein, der große Erfahrung im
Frauenfußball hat, und gewann den 1. FFC Turbine Potsdam als Partner.
Gemeinsam mit den Erstligistinnen stellte sie ein Konzept auf: "Wir warben
speziell um Mädchen mit Migrationshintergrund und um Mädchen aus sozial
schwachen, bildungsfernen Familien", erzählt Fetscher. Die Mädchen sollten
insbesondere die Gemeinschaft schätzen lernen, um so Selbstbewusstsein für
den Alltag zu gewinnen.
Mit 35 Mädchen zwischen acht und vierzehn Jahren wurde das erste Girlscamp
zum vollen Erfolg; lediglich die Alterspanne wurde im nachhinein als zu
groß bewertet und die Obergrenze auf zwölf Jahre gesenkt.
Im Jahr der Fußballweltmeisterschaft, 2006, stellte auch das Girlscamp
seine Internationalität unter Beweis und holte mit dem AZS Wroclaw einen
polnischen Verein ins Boot. Die jungen Teilnehmerinnen aus sieben Nationen
verbrachten zunächst eine Woche in Polen, anschließend eine Woche in
Potsdam.
Der Ministerpräsident des Landes Brandenburg, Matthias Platzeck (SPD),
unterstützte damals das Projekt. Prominente Fürsprecher gewann das
Girlscamp auch in diesem Jahr. Als Schirmherrin stellte sich die
Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer (CDU), zur
Verfügung: "Fußball ist ein Integrationsmotor, nicht nur für Jungen und
Männer, sondern zunehmend auch für Mädchen und junge Frauen", argumentiert
sie.
Aufgrund des hohen Organisationsaufwands wurde 2007 auf eine
deutsch-polnische Kooperation verzichtet; stattdessen stieß der 1. FC Lok
Leipzig als Partner hinzu. Darüber freute sich wiederum der
Ausländerbeauftragte der Stadt, Stojan Gugutschkow. Er hofft, dass dieses
Projekt gerade jungen Mädchen mit Migrationshintergrund neue Türen in die
Gesellschaft öffnet.
Pelda und ihre Schwester Helin, die bereits 2007 mit von der Partie waren,
profitierten enorm von den wenigen Tagen in der Gemeinschaft. "Die beiden
sind regelrecht aufblüht", berichtet Anke-Maria Kops-Horn, Leiterin von
Brückenschlag e. V. Der Verein kümmert sich um Flüchtlinge in Leipzig und
bietet Hilfe an, ob bei Wohnungssuche, Behördengängen oder den
Hausaufgaben. Kops-Horn kennt die beiden kurdischen Mädchen schon lange und
weiß, dass diese im Alltag oft mit massiven Problemen zu kämpfen haben: Sie
würden in der Schule gemobbt und zum Teil auch auf der Straße beschimpft.
"Deswegen finde ich es so wichtig, dass sie im Camp einfach akzeptiert
werden," sagt Kops-Horn.
Als Ausnahme von der Regel dürfen Pelda und Helin auch in diesem Jahr dabei
sein. Und mit ihnen 18 weitere Mädchen. "Wir haben dieses Jahr bewusst
weniger Teilnehmer, um noch besser auf jedes einzelne Mädchen eingehen zu
können", sagt Fetscher. "Uns geht es darum, auf keinen Fall Schulcharakter
aufkommen zu lassen." Ziel sei es, den Mädchen in kleinen Schritten zu
helfen, damit diese sich besser in der Gemeinschaft zurechtfinden und
anerkannt werden.
Bei Pelda und Helin scheint das zu gelingen. Nach dem Camp wollen sie sich
in einem Verein anmelden - weil ihnen Fußballspielen einfach Spaß macht.
12 Aug 2008
## AUTOREN
Sebastian Kemnitzer
## TAGS
Frauenfußball
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