# taz.de -- Verkehrsinfarkt vermeiden: Fahrradhölle war gestern | |
> New York geht neue Wege in der Verkehrspolitik. Öffentliche | |
> Verkehrsmittel werden gefördert, und die Stadt wird fahrrad- und | |
> fußgängerfreundlicher. Eine Fahrradstadt von Weltrang | |
Bild: Fahrraddemo vor der Penn Station | |
Wer New York kennt, weiß: Wenn es in der Stadt an etwas mangelt, dann an | |
Platz. Über acht Millionen Menschen leben zwischen Staten Island und der | |
Bronx auf teilweise engstem Raum. Bis 2030 sollen es nochmal gut eine | |
Million Einwohner mehr werden. Besonders auf den Straßen der Metropole geht | |
es eng zu: Autos stehen Stoßstange an Stoßstange, Passanten drängen sich | |
dicht an dicht und das öffentliche Nahverkehrssystem platzt aus allen | |
Nähten. Das Verkehrschaos, das sich gerade zu Stoßzeiten täglich auf New | |
Yorks Straßen abspielt, ist Achillesferse und Markenzeichen des Big Apple | |
zugleich. Schon seit Jahren warnen viele Experten angesichts steigender | |
Einwohnerzahlen und ausbleibender Investitionen vor einem Kollaps. New | |
York, so sagen sie, läuft Gefahr, im Verkehr zu ersticken. | |
Dies zu verhindern ist das Ziel von Bürgermeister Michael R. Bloomberg. Als | |
Teil des Nachhaltigkeitsprogramms Plan NYC 2030, das New York zur | |
umweltfreundlichsten Stadt Amerikas machen soll, will er den Autoverkehr im | |
Stadtzentrum eindämmen, öffentliche Verkehrsmittel fördern und die Stadt | |
fahrrad- und fußgängerfreundlicher machen. Eine Citymaut nach dem Vorbild | |
Londons wird es zwar in absehbarer Zukunft nicht geben - der Vorschlag | |
scheiterte im April am Widerstand des New Yorker Landesparlaments in | |
Albany. Dafür hat Bloomberg jedoch eine Reihe anderer Maßnahmen auf den Weg | |
gebracht, um den städtischen Verkehr in effizientere und | |
umweltfreundlichere Bahnen zu lenken. | |
Während der Ausbau des Bahn- und Busverkehrs, der ursprünglich durch | |
Einnahmen aus der geplanten Anti-Stau-Gebühr finanziert werden sollte, nur | |
schleppend vorangeht, sind es derzeit besonders Fahrradfahrer und | |
Fußgänger, die von der neuen Verkehrspolitik der New Yorker Stadtverwaltung | |
profitieren. Straßen werden zurückgebaut, um Platz für Rad- und Gehwege zu | |
schaffen, neue Promenaden und Plätze entstehen. Mitte August ist ein | |
Teilstück des Broadway in Midtown Manhattan an der Reihe. Zwei Fahrspuren | |
der wohl berühmtesten Straße New Yorks verschwinden, die freiwerdende | |
Verkehrsfläche wird je zur Hälfte für Passanten und Cafés umgebaut sowie | |
Radfahrern zur Verfügung gestellt. Darüber hinaus folgt die Stadt dieses | |
Jahr erstmals dem Beispiel anderer Metropolen wie Paris oder Bogotá und | |
sperrt einige Hauptverkehrsadern zeitweilig komplett für den Autoverkehr. | |
Am 16. und 23. August soll eine elf Kilometer lange Rundstrecke zwischen | |
der Brooklyn Bridge im Süden Manhattans und dem Central Park zu einem | |
Paradies für Fußgänger, Radfahrer, Jogger und Skater werden. "Summer | |
Streets" lautet das Motto des Events, das bei gutem Gelingen regelmäßig | |
stattfinden soll. | |
Man wolle New York lebenswerter machen und umweltschonende | |
Fortbewegungsmittel bewerben, sagte die städtische Verkehrsdezernentin | |
Janette Sadik-Khan. Besonders die Förderung des Fahrradverkehrs hat es ihr | |
angetan. Zurzeit sind mehr als 120.000 New Yorker mit dem Fahrrad täglich | |
unterwegs. Das sind 75 Prozent mehr als noch vor sieben Jahren. Um ihren | |
Anteil am Gesamtverkehr auszubauen, trotzt Sadik-Khan dem motorisierten | |
Individualverkehr seit ihrem Amtsantritt 2007 Stück für Stück wertvolle | |
Quadratmeter Straßenfläche ab. | |
Über 100 Kilometer Fahrradwege wurden in den letzten eineinhalb Jahren | |
fertiggestellt, langfristig soll ein 3.000 Kilometer umfassendes | |
Fahrradwegenetz entstehen. Für diese und andere Vorhaben belohnte der | |
Verein Transport Alternatives die Stadtverwaltung in ihrem Jahresreport mit | |
nie da gewesenen Bestnoten, während die League of American Bicyclists New | |
York als eine der fahrradfreundlichsten amerikanischen Kommunen | |
auszeichnete. Die Verwaltung habe die Voraussetzungen geschaffen, New York | |
in eine Fahrradstadt von Weltrang zu verwandeln, stellte der Direktor von | |
Transportation Alternatives, Paul Steely White, fest. Davon profitieren | |
auch "fahrradaffine" Touristen. Schon heute durchqueren Radwege die meisten | |
Teile der Stadt und bald soll auch ganz Manhattan erstmals auf zwei Rädern | |
zu umrunden sein. Blick aufs Wasser inklusive. | |
Die Anzahl kommerzieller Fahrradvermietungen hat währenddessen in den | |
letzten Jahren deutlich zugenommen und lässt vermuten, dass auch Touristen | |
zunehmend aufs Fahrrad umsteigen. Den Vermietungsunternehmen droht | |
allerdings Konkurrenz, denn seit letztem Monat ist bekannt, dass die Stadt | |
- erneut dem Beispiel Paris folgend - über die Einrichtung eines | |
großflächig angelegten Bike-Sharing-Programms nachdenkt. Mit dem | |
öffentlichen Fahrradverleihsystem soll ein zusätzlicher Anreiz für Bewohner | |
und Touristen geschaffen werden, öfter mal in die Pedale zu treten. | |
16 Aug 2008 | |
## AUTOREN | |
Johannes Novy | |
## TAGS | |
Reiseland USA | |
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