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# taz.de -- Musharraf gibt Macht in Pakistan ab: Ein Putschist geht
> Pakistans umstrittener Präsident Pervez Musharraf hat ankündigt, sein Amt
> niederzulegen. Das Parlament muss nun einen Nachfolger wählen. Wer das
> wird, ist noch unklar.
Bild: Pervez Musharraf auf dem Bildschirm: Er habe immer nur "nach bestem Wisse…
Seit Tagen schon spekulierten die Menschen in Islamabad über die politische
Zukunft Pakistans. Die Rede war von Verhandlungen zwischen der
pakistanischen Regierung und Präsident Pervez Musharraf, gegen den noch
diese Woche ein Amtsenthebungsverfahren eingeleitet werden sollte. Einen
"sicheren Ausstieg" solle es geben, der Ex-General strafrechtlich nicht
verfolgt werden, wenn er freiwillig sein Amt aufgibt.
Dann trat der ehemalige Armeechef, der sich 1999 an die Macht geputscht
hatte, am Montag vor die Kameras. Musharraf erklärte, die Anschuldigungen
gegen ihn seien falsch. Er verteidigte seine Politik und sagte, er habe
immer "im Sinne des Volkes und des Landes" gehandelt.
Dann, nach beinahe einer Dreiviertelstunde, kamen die entscheidenden Worte:
"Nach Rücksprache mit juristischen Beratern und engen politischen
Unterstützern habe ich mich entschieden, zurückzutreten." Der
Parlamentpräsident habe sein Rücktrittsgesuch erhalten. Das nahezu
Unfassbare war eingetreten: Nach neun Jahren an der Macht hat sich der Mann
zurückgezogen, der in der Vergangenheit alles dafür getan hatte, um im Amt
zu bleiben.
Doch es war ein Rückzug in allerletzter Minute. Denn bereits am heutigen
Dienstag sollte dem Parlament ein Schreiben mit Anschuldigungen gegen
Musharraf vorgelegt werden. Darin dürfte vor allem seine Entscheidung vom
vergangenen November schwer wiegen: Damals drohte der Oberste Gerichtshof
des Landes, Musharrafs Kandidatur für das Präsidentenamt nachträglich zu
kippen, weil sie nicht verfassungsgemäß gewesen sei. Der Präsident
verhängte den Notstand, entließ 60 der höchsten Richter des Landes, setzte
Gefolgsleute in ihre Ämter ein und änderte die Verfassung, um sein Amt zu
sichern. Die loyalen Richter erklärten seine Präsidentschaft daraufhin für
rechtmäßig. Dies löste in der Öffentlichkeit große Empörung aus.
Es war der Höhepunkt einer Auseinandersetzung, über deren Folgen Pakistans
einst mächtigser Mann nun letzten Endes gestolpert ist. Im März des
vergangenen Jahres entließ Musharraf Iftikhar Chaudhry, den obersten
Richter, weil dieser die Rolle der Armee im pakistanischen Staat immer
kritischer hinterfragt hatte. Als daraufhin die Anwälte des Landes auf die
Barrikaden gingen, ließ Musharraf die Polizei auf die Juristen einprügeln.
Doch die Bilder von blutüberströmten Anwälten in schwarzen Anzügen hatten
eine ungeheure Signalwirkung: Zehntausende Pakistaner schlossen sich den
Demonstranten an. Es wurden die größten Proteste, die Pakistan seit Jahren
gesehen hatte. Musharraf konnte nur zusehen, wie das Oberste Gericht im
Juli Chaudhry wieder in sein Amt einsetzte.
Offensichtlich hatte sich der Armeechef und Präsident verschätzt. Bis dahin
war er es gewohnt, sämtliche hohen Ämter des Landes willkürlich neu zu
besetzen. Doch die Proteste nach der Absetzung Chaudhrys und die Erklärung
des Notstands im November versetzten Musharaf ein Popularitätstief, aus dem
er nicht mehr herausfinden sollte. Daher brach gestern überall im Land
Jubel aus, nachdem Musharraf seine Rede beendet hatte. In mehreren Städten
brachten riesige Autokorsos den Verkehr zum erliegen.
In den vergangenen Monaten waren Musharraf selbst seine treusten Anhänger
scharenweise davongelaufen. Seine einzige Option wäre es gewesen, das
Parlament aufzulösen und die Regierung zu entlassen. Die Befugnisse dazu
hätte er als Präsident gehabt. Doch dafür hätte er die Unterstützung des
mächtigen Militärs gebraucht. Aber selbst das scheint nicht mehr hinter
seinem ehemaligen Oberbefehlshaber zu stehen.
Laut Verfassung wird nun Senatspräsident Mohammadmian Soomro das Amt
Musharrafs kommissarisch übernehmen. Innerhalb von 30 Tagen sollen dann
beide Kammern des Parlaments und die vier Regionalversammlungen einen neuen
Präsidenten wählen. Ob Musharraf in Pakistan bleibt oder ins Exil geht, war
zunächst unklar.
Doch politisches Gerangel ist absehbar: Die Chefs der beiden großen
Regierungsparteien gelten als zutiefst zerstritten. Denn über die Frage der
Amtsenthebung Musharrafs war die Regierungskoalition in den vergangenen
Monaten beinahe zerbrochen. Der faktische Chef der Volkspartei (PPP), Asif
Ali Zardari, Witwer der ermordeten Benazir Bhutto, hatte sich bis zuletzt
geweigert, die entlassenen Richter wieder einzusetzen und gegen den
Präsidenten vorzugehen. Denn dieser hatte ihm eine Amnestie für zahlreiche
mutmaßliche Straftaten gewährt. Der Chef der Nawaz-Muslimliga (PML-N)
hingegen, Nawaz Sharif, trieb die Amtsenthebung unter Hochdruck voran: Ihn
hatte Musharraf 1999 aus dem Amt geputscht. Erst vor zwei Wochen kamen die
beiden Politiker überein, ein Amtsenthebungsverfahren in die Wege zu
leiten. Daher steht Pakistan in den kommenden Wochen ein Kräfte zehrendes
politisches Tauziehen bevor.
18 Aug 2008
## AUTOREN
Sascha Zastiral
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