# taz.de -- Greenpeace trotzt Behörden-Drohung: Steineversenken in der Nordsee | |
> Greenpeace kämpft für den Erhalt eines Riffs vor Sylt und Amrum - trotz | |
> Drohungen. Tonnenschwere Steine auf dem Meeresboden sollen | |
> Schleppnetzfischerei verhindern. | |
Bild: Den Fischern Steine in den Weg legen: "Greenpeace"-Aktivisten vor Sylt | |
Greenpeace lässt sich durch Warnungen von Behörden nicht einschüchtern: | |
Obwohl das Bundesamt für Seeschifffahrt mit einem Ordnungsgeld von bis zu | |
50.000 Euro gedroht hatte, versenkte die Umweltorganisation am Montag | |
wieder tonnenschwere Natursteine in der Nordsee. "Es gibt keinen anderen | |
Anwalt der Natur", erklärte Meeresbiologin Iris Menn bei einer | |
Pressekonferenz in Hamburg. Über die drohende Strafe sagte sie: "Die | |
Artenvielfalt in der Nordsee ist es uns wert." Kurz darauf schipperte das | |
Greenpeace-Schiff "Beluga II" zum Einsatzort. | |
Etwa 60 Kilometer vor den Inseln Sylt und Amrum versenkt die Organisation | |
rund 1.000 tonnenschwere Natursteine auf dem Meeresboden. 500.000 Euro | |
lässt sich Greenpeace die Aktion kosten. Denn vor den Inseln liegt in 30 | |
bis 40 Meter Wassertiefe das Sylter Außenriff - eine aus der Eiszeit | |
stammende Stein- und Geröllmoräne, die Lebensraum für viele Fische, | |
Seehunde, Kegelrobben und Schweinswale ist. Dass das Gebiet ökologisch | |
wertvoll ist, bestreitet niemand. Vor vier Jahren wurde das Areal, das mit | |
5.300 Quadratkilometern etwa ein Drittel der Fläche Schleswig-Holsteins | |
aufweist, von der Bundesregierung bei der EU als schutzwürdiges Gebiet | |
angemeldet. "Passiert ist seitdem nichts", sagt Menn. Weiterhin werde das | |
Gebiet durch Fischerei und Kiesabbau schwer geschädigt. Grundschleppnetze | |
hinterlassen den Meeresboden in etwa so wie ein Pflug einen Acker, und den | |
wie überdimensionale Staubsauger arbeitenden Saugbaggern entflieht kein | |
Lebewesen auf dem Grund. | |
"Die Natursteine schützen das Gebiet wirkungsvoll", glaubt Menn. Außerdem | |
würde Greenpeace mit der Aktion, die am vorigen Dienstag begann und wegen | |
stürmischer Winde fünf Tage lang unterbrochen werden musste, "das | |
Naturschutzrecht durchsetzen", sagt die Meeresbiologin in Richtung von | |
Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD). Der hatte das Steineversenken am | |
Samstag kritisiert: "Ich kann die Motive von Greenpeace verstehen, aber ich | |
kann nicht akzeptieren, dass Naturschutzrecht gebrochen wird", sagte er der | |
taz. Gabriel solle lieber die Fischerei und den Kiesabbau im Sylter | |
Außenriff verbieten, findet Menn: "Nur so kann er glaubwürdig bleiben." | |
Das dem Bundesumweltminister unterstehende Bundesamt für Naturschutz (BfN) | |
lehnt die Greenpeace-Aktion zwar grundsätzlich ab. Ökologische Schäden | |
seien aber nur "sehr gering", sagt BfN-Direktor Henning von Nordheim, wenn | |
es sie überhaupt gäbe. Vermutlich würde sein Amt bei naturschutzfachlich | |
begründeten Maßnahmen zum Wiederaufbau von Riffen "sogar ähnlich vorgehen". | |
Letztlich ist die Aktion eine eher symbolische. Dass 1.000 Steine auf der | |
sechsfachen Fläche Berlins Fischkutter gefährden würden, wie der Verband | |
der Küstenfischer kritisierte, glaubt Menn nicht. Greenpeace habe die | |
Koordinaten bekannt gemacht, zudem lägen dort überall große Felsbrocken auf | |
dem Meeresboden: "Fischer wissen, wie sie damit umzugehen haben, wenn einer | |
im Netz ist", sagt er. | |
Die größere Gefahr sei eine ganz andere: Etwa 300 Container würden in der | |
Nordsee jährlich über Bord gehen. Und die seien im Zweifel schwerer als ein | |
Kubikmeter Granit. | |
19 Aug 2008 | |
## AUTOREN | |
Sven-Michael Veit | |
## TAGS | |
Meeresschutz | |
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