# taz.de -- Kinofilm von Jirí Menzel: Schalk im Gesicht | |
> Ein kleiner Hilfskellner, der zur Nazizeit in Prag vom großen Geld | |
> träumt. Jirí Menzels Film "Ich habe den englischen König bedient" ist | |
> ironisch und ideologisch unbekümmert. | |
Bild: Jirí Menzel mit der Hauptdarstellerin Julia Jentsch. | |
Auch das gehört zu den bemerkenswerten Ereignissen des Jahres 68: Der Oscar | |
für den besten ausländischen Film ging an das Werk eines gerade mal | |
30-jährigen tschechischen Regisseurs namens Jirí Menzel. "Scharf bewachte | |
Züge" hieß der Film, er war in Schwarz-Weiß gedreht und erzählte von den | |
ersten Liebesabenteuern eines kleinen Bahnbeamten im deutsch besetzten | |
Böhmen. So bemerkenswert war dieses Ereignis, dass der englische Trailer | |
für den neuesten Film von Jirí Menzel unmittelbar daran anknüpft: "40 years | |
later famed Czech director Jiri Menzel dazzles us once again", heißt es da | |
- nicht gerade die Formulierung, mit der man einen heiß erwarteten Film | |
ankündigt. Der deutsche Verleih verhält sich ähnlich, wenn er den | |
Starttermin des bereits 2007 im Wettbewerb der Berlinale gelaufenen Films | |
auf den 21. August 2008 verlegt, den 40. Jahrestag des Einmarsches der | |
Truppen des Warschauer Pakts in die Tschechoslowakei. So viel historische | |
Anbindung macht misstrauisch. | |
Nun spielt Nostalgie aber eine große Rolle in Menzels "Ich habe den | |
englischen König bedient". Wie schon bei den "Scharf bewachten Zügen" | |
handelt es sich um die Verfilmung einer Vorlage des tschechischen | |
Kultautors Bohumil Hrabal. Das Buch gehörte zu den Klassikern der | |
"Samizdat-Literatur" und erzählt die Lebensgeschichte des Jan Díte von den | |
frühen 30er- bis zu den späten 50er-Jahren. Díte, dessen Namen man im | |
Deutschen mit "Hans Kind" übersetzen könnte, verkörpert sowohl in Gestalt | |
als auch in Gemüt, was man so den kleinen Mann nennt. Als kleiner | |
Hilfskellner in Prag träumt er vom großen Geld, macht sich gleichzeitig | |
aber lustig über seine Mitmenschen, die sich nach Münzen auf dem Boden | |
bücken. Als grenzenloser Opportunist erreicht Díte über Frauen und falsche | |
Vorbilder schließlich sein Ziel in den historischen Wechselfällen der | |
tschechoslowakischen Zeitgeschichte, nur um am Ende ins Gefängnis zu | |
kommen. An solchen Episoden erkennt man, dass es sich bei Hrabals Vorlage | |
um eine Art Schelmenroman handelt. Weshalb Jirí Menzel sich für seine | |
Verfilmung wohl auch die Verschmitztheit als Grundton des Erzählens gewählt | |
hat. Ivan Barnev, der Díte als jungen Mann spielt, sitzt der Schalk in | |
jeder Aufnahme also sprichwörtlich im Nacken, ganz bildlich aber im | |
Gesicht, was beim Zuschauer schnell Missstimmung hervorruft. Zusätzlich | |
geraten seine Bewegungen beim Kellnern oft zum Tanz, während Geldscheine | |
und Frauen um ihn herumschweben. Leichtigkeit und Ironie sollen hier wohl | |
suggeriert werden, doch Ironie ist eine Qualität, die man nicht einfach so | |
behaupten kann. | |
Dabei war Jirí Menzel einst ein großer Ironiker. Und eigentlich schien die | |
Geschichte des Jan Díte, der stets das Beste (für sich) will und dabei | |
stets dem Schlechten hinterherläuft, ein Stoff wie geschaffen für ihn. Zur | |
alten Form aber läuft Menzel nur an einer Stelle auf: Als Díte sich zur | |
großen Liebe ausgerechnet Julia Jentsch erwählt, die hier eine | |
Sudetendeutsche im Lodenkostüm verkörpert, so treudeutsch, dass sie beim | |
Liebesakt den Blick frei haben will auf das Porträt des Führers an der | |
Wand. | |
Die Auftritte von Julia Jentsch bilden den Höhepunkt des Films: Wunderbar | |
stur, "natürlich" und Nazi-ideologisch von Kopf bis Fuß gibt sie das | |
deutsche Madel mit all dem ambivalenten erotischen Liebreiz, den das Genre | |
des Trashpornos schon lange für sich entdeckt hat. Mit ihr erreicht der | |
Film jenen Grad an Ironie, Frechheit und ideologischer Unbekümmertheit, mit | |
der Menzel vor 40 Jahren sein Publikum überraschte. | |
20 Aug 2008 | |
## AUTOREN | |
Barbara Schweizerhof | |
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