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# taz.de -- Stadtschloss Potsdam: Potsdam quält sich mit dem Stadtschloss
> Die Planungen für den pompösen Wiederaufbau des Potsdamer Stadtschlosses
> verzögern sich immer wieder. Diese Woche wird wohl über eine Klage eines
> Baukonsortiums entschieden
Bild: Ausschnitt aus Bernhard Heisig, Ikarus, 1975
Es ist heiß an diesem Nachmittag und Hans-Joachim Kuke muss ohne
Sonnenbrille, aber mit einem Lächeln für den RBB posieren - mitten in der
weiten Baugrube für den geplanten brandenburgischen Landtag in Potsdam. Ein
dreiköpfiges Kamerateam umkreist ihn, es dreht einen Spot über die
Landeshauptstadt. "Wir brauchen jede Öffentlichkeit für unser Anliegen",
sagt Kuke sichtlich angestrengt, während Schweißperlen ihm langsam über das
Gesicht rinnen. Schließlich sei es eine historische Chance, die sogenannte
Alte Mitte in ihrem Glanz wieder auferstehen zu lassen. Kuke ist
Kunsthistoriker und in seiner Freizeit Mitglied des Potsdamer
Stadtschlossvereins. Seit Jahren kämpfen er und seine Mitstreiter für einen
detailgetreuen Wiederaufbau des Stadtschlosses.
Aber der Baubeginn verzögert sich auch seit Jahren. Denn die Diskussionen
der Befürworter und Gegner finden kein Ende. Inzwischen wurde bereits eine
zweite Ausschreibung ausgelobt, deren Ergebnisse eigentlich Anfang November
einer Jury aus Politikern und Architekten präsentiert werden sollten. Ob es
dazu kommt, ist derzeit offen: Denn ein mitbietendes Baukonsortium hat
gegen die erneute Ausschreibung Klage bei der Vergabekammer des
Wirtschaftsministeriums in Brandenburg eingereicht. Eine Entscheidung wird
in dieser Woche erwartet. Der Ausgang ist völlig ungewiss.
Auch bei den Potsdamern ist das Thema noch lange nicht beendet. Denn nicht
alle Bewohner sind für einen rekonstruierten Landtag. Deshalb wird auch
weiter kräftig gestritten, wie die veranschlagte Bausumme von rund 85
Millionen Euro ausgegeben werden soll. Einen detailgetreuen Wiederaufbau
des Stadtschlosses fordern die einen, einen modernen Zweckbau die anderen.
Manche wollen das Geld lieber in Bildung investieren, manche es gar nicht
erst ausgeben. Selbst die 20-Millionen-Euro-Spende des Software-Herstellers
Hasso Plattner für eine historische Fassade nach dem Entwurf von Georg
Wenzeslaus von Knobelsdorff aus der Mitte des 18. Jahrhunderts konnte die
Gemüter nicht beruhigen.
Der brandenburgische Finanzminister Rainer Speer (SPD) sitzt dabei als
Bauherr zwischen allen Stühlen. Land, Stadt, Fraktionen, Vereine - alle
wollen ihre Vorstellungen durchsetzen. Der Zeitplan sieht eine finale
Entscheidung des Landes für Juli 2009 vor. Ob der jetzige Plan eingehalten
werden kann, wird der Richterspruch der Vergabekammer zeigen.
Zu den Unterstützern des Stadtschlosses zählt seit 2007 auch eine
fünfköpfige Gruppe junger Potsdamer um den Architekten Christopher Kühn und
den Betriebswirt Olaf Mauga. Sie stellten nach zweijähriger
Vorbereitungszeit im Herbst 2007 ein Stadtschlossmodell mit historischer
Fassade vor, in dem überraschenderweise der Landtag Platz fand. Was bis
dahin von dem Berliner Planungsbüro "Phase eins", das im Auftrag des
Finanzministeriums eine Machbarkeitsstudie erarbeitet hatte, als unmöglich
angesehen wurde, war auf einmal machbar. "Wir wollten einfach beweisen,
dass die ursprünglichen Um- und Aufrisse des Stadtschlosses eingehalten
werden können - trotz der Vorgabe, Arbeitsplätze für 150 Abgeordnete zu
schaffen", so der 28-jährige Mauga.
Der Zeitpunkt für die Veröffentlichung des alternativen Modells war
jedenfalls günstig gewählt. Kurz darauf präsentierten die sechs offiziell
vom Land beauftragten Baukonsortien ihre ersten Glas- und Betonvorschläge.
Doch keiner war jetzt mehr würdig für die Öffentlichkeit.
Kühn und Maugas Entwurf bewegte vielleicht auch Plattner, den Wiederaufbau
der alten Knobelsdorff-Fassade zu finanzieren. Mit dem Geldregen änderte
sich eigentlich alles: Das Land zahlte sechsstellige Entschädigungssummen
an die Konsortien, verwarf ihre Modelle und forderte sie auf, sich im
zweiten Anlauf an den alten Meister der Architektur zu halten. Sie gab
diesmal konkret die Gestaltung der Außenfassade vor, aber nicht die für den
Innenhof. Deshalb dürfen die Gebäudemauern nun um mehrere Meter in den Hof
hinein erweitert werden. Der Begriff "Molli-Schloss" geistert schon jetzt
durch Potsdam.
Kuke will sich über das Durcheinander nicht mehr aufregen. Ruhig sitzt er
auf den Eingangsstufen der Fachhochschule und blickt auf das emsige Treiben
der Archäologen in der Baugrube. Sein dunkles Jackett hat er über die
Bluejeans gelegt. Als plötzlich das Handy klingelt, kommen schlechte
Nachrichten: Erneut wurden Scheiben im Fortunaportal eingeschlagen, dem neu
errichteten Haupttor des Stadtschlosses, Symbol des Wiederaufbaus. "Wir
haben natürlich auch extremen Gegenwind", gibt Kuke zu. Gerade mit
linksalternativen Jugendlichen sei es äußerst schwer zu diskutieren. "Wir
werden von ihnen als preußische Revanchisten abgestempelt."
Zum Kreis der jungen Gegner gehört auch die studentische Initiative
"Bildung Stad(t) Schloß" an der Fachhochschule Potsdam, deren Mitglieder
lieber anonym bleiben wollen. Bei einer Tasse Kaffee wirft ihr Sprecher dem
Land vor, Schulen "verrotten" zu lassen: "Wir setzen doch ein völlig
falsches Zeichen. Da wird ein altes Gebäude neu aufgebaut, während
gleichzeitig kein Geld für marode Schulen da ist." Mit den Millionen
könnten alle Potsdamer Schulen saniert werden und die Jugendclubs müssten
nicht schließen. Er nimmt einen Schluck schwarzen Kaffee und blinzelt in
die Sonne. "Das Stadtschloss können wir wohl nicht mehr verhindern", stellt
er fest. Aber vielleicht künftige Diskussionen beeinflussen, wenn wieder
Geld in den unnützen Aufbau zerstörter Gebäude fließe.
25 Aug 2008
## AUTOREN
Carl Ziegner
## TAGS
Hasso Plattner
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