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# taz.de -- Hubertus Heil twittert aus Denver: Obamas schwarze Socken
> SPD-Generalsekretär Heil beschreibt den US-Wahlkampf per Kurztext im
> Internet. Was die einen peinlich finden, ist für andere der Wahlkampf der
> Zukunft.
Bild: Internet-affiner als die meisten seiner Kollegen: Hubertus Heil
Berlin taz | Renate Künast, Joschka Fischer, Reinhard Bütikofer, Hubertus
Heil – ein ganzer Tross deutscher Politiker hat sich in diesen Tagen
aufgemacht nach Denver zum Parteitag der Demokraten. Dort dürfen sie zwar
nicht mit abstimmen, sich aber mehr über den amerikanischen Wahlkampf
begeistern. Obamamania.
Dass man von den Amerikanern in punkto Online-Wahlkampf einiges lernen
kann, dachte sich wohl SPD-Generalsekretär Hubertus Heil: Seine Eindrücke
teilt er den Daheimgebliebenen in Echtzeit mit – mittels Twitter, einem
Internetdienst, bei dem jeder in kurzen Mitteilungen von 140 Zeichen
schreiben kann, was er gerade macht oder was ihm durch den Kopf geht. Eine
Art SMS ans Netz. Prominentes Vorbild allen voran ist Barack Obama selbst,
dessen Einträge mehr als 66.000 Internetnutzer abonniert haben.
Von Hubertus Heil kann man bei Twitter allerlei erfahren. Zum Beispiel,
dass er im Hotel noch mal die Rede von Hillary Clinton gelesen hat
(„meisterhaft“). Dass er entgegen ersten Planungen doch kein Sushi gegessen
hat. Dass Obama schwarze Socken trägt („hab ich aber auch, also kein
ideologischer Hintergrund“). Fast 700 User verfolgen Heils Twitter-Einträge
mittlerweile.
Auch Reinhard Bütikofer twittert live aus Denver. „Höre von einem Insider,
dass kurz vor Obamas Entscheidung für Biden noch Evan Bayh intern vorne
lag“, vermeldet Polittourist Bütikofer. Oder: „Sagt ein amerik. Freund
lobend über Michelle Obamas Rede ,Sie klang wie die typische Hausfrau aus
dem Vorort. Das wird helfen.' „ Allerdings werden dem Grünen-Chef die 140
Zeichen oft zu eng. „Bemerkenswerter Beitrag v. B. Clinton beim Club of
Madrid. Der Expräsident zeigt, dass …“ Wer mehr wissen will, klickt auf den
Link.
Die Gehversuche deutscher Politiker im Netz haben in der Bloggerszene
bereits zu einer regen Debatte geführt. Verkommt Politik im
140-Zeichen-Format zum Geschwätz über Socken und Sushi? Oder eignen sich
Twitter für eine neue Kommunikation mit den Wählern? „Heil führt dieses
Medium mit seinen nichts sagenden, klischeehaften bis peinlichen
Kurzkommentaren recht ad absurdum“, mäkelt ein CSU-naher Blogger.
Peinlich oder nicht – aus Sicht von Christoph Bieber ist Hubertus Heil auf
dem richtigen Weg. Der Politikwissenschaftler erforscht am Zentrum für
Medien und Interaktivität der Universität Gießen, wie Online-Medien den
Wahlkampf verändern. Für Bieber steht fest: Auch hierzulande dürfte das
Internet das Fernsehen als wichtigstes Wahlkampfmedium bald ablösen. „Dass
sie Langeweile verbreiten, kann man von Heils Twitter-Einträgen jedenfalls
nicht behaupten“, findet Bieber – allerdings seien deutsche Politiker noch
nicht auf Onlinewahlkampf eingespielt. „Twitter ist natürlich nicht
geeignet, um schwere programmatische Aussagen zu treffen“, so Bieber, „aber
es ist ein sehr schnelles Medium, mit dem man schnell Aufmerksamkeit
bekommen kann.“ Auch Barack Obama habe das erst lernen müssen. Mittlerweile
twittert der Präsidentschaftskandidat ausgesprochen dröge: Wahlkampftermine
inklusive Link zur Videoübertragung.
In Deutschland tummeln sich außer Heil auch reihenweise Politikerattrappen
bei Twitter. Angela Merkel findet man gleich fünfmal. Ein angeblicher Kurt
Beck wehrt sich twitternd gegen das Gerücht, er sei nicht echt. Und
Wolfgang Schäuble hat sich schon wieder verabschiedet. Der letzte Eintrag
des fraglichen Innenministers liegt neun Monate zurück:
„Vorratsdatenspeicherung durchgesetzt. Kann ich abhaken. Höre mit dem
Twittern ab sofort auf.“
27 Aug 2008
## AUTOREN
Bernd Kramer
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