# taz.de -- Google-Browser Chrome im Test: Die Web-(R)Evolution | |
> Googles erster Browser bietet interessante neue Funktionen und leichte | |
> Bedienung. Eine Revolution ist "Chrome" allerdings nur, wenn man sich | |
> auch das Innenleben anschaut. Ein Selbstversuch. | |
BERLIN taz Öffnet man Chrome, fällte einem zunächst die minimalistische | |
blaue Reiteranordnung am oberen Fensterrand auf: Diese so genannte Tab Bar | |
steht völlig im Vordergrund, denn hier werden einzelne Seiten aufgerufen. | |
Eine Menüleiste existiert nicht mehr - es gibt nur noch zwei | |
Einstellknöpfe, über die man zusätzliche Optionen abrufen kann, alles | |
andere wird direkt im Browser entschieden. | |
Öffnet man ein neues Tab, zeigt sich eine Seite, auf der man Minibilder | |
bereits aufgerufener Websites vorfindet. Diese werden dynamisch aus den am | |
häufigsten vom Nutzer verwendeten Angeboten erstellt, hinzu kommt eine | |
Leiste mit den Lieblingssuchmaschinen sowie wichtigen Lesezeichen. | |
Die Idee dabei: Der Nutzer soll nie wieder mit einer leeren Seite | |
konfrontiert werden, denn das Öffnen eines neuen Tabs sei eine | |
"Willenserklärung", sich ins Netz zu begeben. Die Auswahl aus dessen | |
riesigem Angebot will Google erleichtern - mit Hilfe einer personalisierten | |
Homepage direkt im Browser. | |
Man kann aber auch anders navigieren: In dem man die neue Adressleiste, von | |
Google "Omnibox" genannt, verwendet. Sie bietet eine Suchfunktion über alle | |
bereits geöffneten Seiten an und ähnelt damit der "Awesomebar" in Firefox, | |
ist allerdings stärker in Googles eigene Suchmaschine integriert. So werden | |
auch zusätzliche Suchbegriffe vorgeschlagen, die dazu aus dem Netz bezogen | |
werden. | |
Nach den ersten Minuten mit Chrome merkt man jedoch schnell: All das wirkt | |
zwar gut aufgebaut, dürfte den langjährigen Nutzer moderner Browser wie | |
Firefox aber kaum von den Socken hauen. Aus diesem Grund hat sich Google an | |
die Überarbeitung des Innenlebens der Software gemacht: Es soll wesentlich | |
schneller sein als die Konkurrenz. | |
Tatsächlich zeigen Benchmarks in der Skriptsprache Javascript, mit der die | |
meisten Webanwendungen inzwischen programmiert werden, deutliche | |
Geschwindigkeitsvorteile. Das relativiert sich allerdings, wenn man | |
zahlreiche Websites geöffnet hat: Offenbar muss Google seine | |
Speicherverwaltung noch etwas optimieren. Diese ist sowieso sehr neuartig | |
aufgebaut: Jedes einzelne Tab wird in einem in sich geschlossenen Prozess | |
verwaltet. Das erhöht die Sicherheit vor Web-Schädlingen, macht den Browser | |
aber auch weniger empfindlich für schlecht programmierte Seiten, die ihn | |
unbeabsichtigt beenden könnten. | |
Noch ist Google Chrome allerdings nur in einer frühen Version verfügbar, | |
die noch einige "Bugs" enthält. Insbesondere beim Surfen auf Seiten mit | |
komplexen Inhalten wie Videos kann es passieren, dass trotz all der | |
enthaltenen Technik zum Absturzschutz Chrome selbst dann doch irgendwann | |
abschmiert - in unserem Versuch passierte das ausgerechnet beim Betrachten | |
des Einführungsvideos auf YouTube. | |
Schön ist allerdings, dass man beispielsweise ressourcenfressende | |
Zusatzprogramme (Plugins) wie Flash problemlos abschalten kann, wenn sie | |
Ärger machen. Der ganze Browser fühlt sich damit eher wie ein | |
Betriebssystem an, in dem jede aufgerufene Website, jedes Tab, eine eigene | |
Anwendung darstellt. Mit Hilfe eines "Taskmanagers" kann man sich ansehen, | |
welches Angebot die meiste Prozessor- und Speicherlast zieht und es | |
gegebenenfalls per Mausklick beenden. | |
Eine neuartige Betriebssystemintegration schafft Google mit den so | |
genannten "Shortcuts" - hier kann man beispielsweise seine Webmail-Software | |
direkt auf dem Schreibtisch ablegen. Anschließend genügt ein Klick und die | |
entsprechende Adresse wird in Chrome aufgerufen. Sie sieht dann aus wie | |
eine "richtige" Anwendung, nicht mehr wie eine Website - es fehlt die | |
typische Browser-Umrandung. | |
In Zukunft dürfte Google verstärkt solche Ansätze ausprobieren: In der | |
Entwicklerdokumentation für "Chrome" lässt sich nachlesen, das Google | |
selbst die Software weniger als Browser denn als Betriebssystem | |
("Fenstermanager") sieht. Damit verwischen die Grenzen zwischen | |
Desktop-Anwendungen und Internet-Programmen zunehmend, was genau in die | |
Strategie des Online-Riesen passt. | |
Peinlich für Google ist, dass Chrome zunächst nur in einer Version für | |
Windows XP und Vista vorliegt. Macintosh- und Linux-Rechner haben in den | |
letzten Jahren beim Marktanteil deutlich zugelegt und insbesondere die | |
Apple-Fraktion ist in der "Web 2.0"-Entwicklerwelt überproportional häufig | |
anzutreffen. Dass der Google-Browser zunächst "Windows-only" ist, wird da | |
zu mehr als einem Image-Problem. | |
Die Entscheidung wirkt umso unverständlicher, als dass die interne Software | |
in Chrome für die Darstellung von Webseiten von einem Open-Source-Vorhaben | |
übernommen wurde, das federführend von Apple betrieben wird und sich | |
beispielsweise auch im iPhone wiederfindet: dem Projekt "Webkit". | |
Noch ist unklar, wann Chrome für Mac OS X und Linux erscheint. Einen Termin | |
will Google nicht nennen, Blogeinträge von Programmierern lassen zwischen | |
den Zeilen allerdings vermuten, dass es noch eine ganze Weile dauern | |
könnte. | |
3 Sep 2008 | |
## AUTOREN | |
Ben Schwan | |
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