# taz.de -- Männerrechtler fürchten Feminismus: Rechte Männer in Angst | |
> Von Paragrafen und bizarren Fantasien gequält, wittern konservative | |
> Männerrechtler von allen Seiten Betrug. Sie rufen zum Kampf für das | |
> benachteiligte Geschlecht aus, nämlich ihres. | |
Bild: Horrorfantasie gequälter Männer. | |
Das Bild in der Wochenzeitung Junge Freiheit ist drastisch: Stiletto tritt | |
auf Krawatte. Ein Mann liegt bäuchlings am Boden, schaut flehend nach oben, | |
wo von der Besitzerin der hochhackigen Schuhe nur Unterschenkel und | |
Rockansatz zu sehen sind. "Modernes Geschlechterverhältnis" lautet die | |
Schlagzeile zur plumpen SM-Symbolik; die Titelgeschichte im Zentralorgan | |
rechtskonservativer Intellektueller verlangt: "Freiheit statt Feminismus!" | |
Die Freiheitsbewahrer wollen ein neues Denkverbot der politisch Korrekten | |
ausgemacht haben: Kritik an der Benachteiligung von Männern ist angeblich | |
tabu. Trottel und Opfer sei der heutige Mann - auf dem besten Wege, zum | |
Deppen der Nation zu werden. | |
Szenenwechsel: "Berlin 08", ein Jugendkongress der Bundeszentrale für | |
Politische Bildung, diskutiert das Thema "Neue Rollenbilder". Von | |
Alphamädchen und aktiven Vätern berichtet der Ankündigungstext, von den | |
Lebensentwürfen der jungen Generation. Im hinteren Teil des Saales | |
überwiegen die 17- bis 25-Jährigen, vorne sitzen und stehen auffällig viele | |
ältere Männer, die sich immer wieder zu Wort melden. Wie sich herausstellt, | |
gehören sie zu den Männerrechtsinitiativen "Väteraufbruch" und "MANNdat". | |
Einer ihrer Sprecher zählt die Diskriminierungen seines Geschlechtes auf: | |
Scheidungsgeschädigte, denen ihre Kinder entzogen werden; Jungen als | |
Bildungsverlierer in einem von Frauen für Mädchen optimierten Schulbetrieb; | |
Zwang zum Militärdienst, steigende Arbeitslosigkeit, hohe Kriminalität, | |
vernachlässigte Gesundheitsvorsorge. Und, besonders skandalös: öffentliche | |
Nichtbeachtung all dieser Anliegen in den Leitmedien. Dieser | |
Verschwörungstheorie folgt auch die Junge Freiheit: Eine "Kaste der | |
Genderfunktionäre" habe die kulturelle Hegemonie im öffentlichen Diskurs | |
erobert. Männer, die über Benachteiligung jammern, seien keineswegs | |
"Heulsusen", sondern engagierte Antifeministen, die "uns eine gefährliche | |
Schieflage in Staat und Gesellschaft vor Augen halten". | |
Gefährliche Schieflage? Selbstverständlich gehört die Wehrpflicht infrage | |
gestellt. Die Debatte um die schlechten Leistungen männlicher Schüler ist | |
längst in vollem Gange; und wenn es einen "Frauengesundheitsbericht" gibt, | |
spricht nichts gegen ein Pendant, das die Gesundheitsrisiken von Männern | |
beschreibt. So manches Einzelthema ist diskussionswürdig - daraus aber eine | |
flächendeckende "Beschneidung von Männerrechten" zu konstruieren, das | |
klingt wie die Aufforderung zum Geschlechterkampf von rechts. Was im | |
Übrigen von den Medien alles andere als ignoriert wird. So profiliert sich | |
Frank Schirrmacher, der Mitherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, | |
mit Klageliedern über den Bedeutungsverlust des Mannes. Schon vor Jahren | |
schrieb er Frauen die öffentliche Deutungshoheit zu - weil sie als | |
Moderatorinnen den politischen Männerrunden die Stichworte liefern. Später | |
machte er Mütter für niedrige Geburtenzahlen verantwortlich - weil sie ihre | |
natürliche Aufgabe als "Hüterinnen der Flamme" und "natürlicher Kitt" in | |
den Familien vernachlässigten. Spätestens mit der Zeit-Serie über "Männer | |
in Not" und nach diversen Spiegel-Titeln über das, "Was vom Mann noch übrig | |
ist", kann von Medienboykott nun wirklich keine Rede sein. | |
Doch rechtskonservative Zirkel wittern derzeit überall Betrug: "Verrat an | |
der Familie" titelte die Junge Freiheit kurz nach ihrem Schwerpunkt zum | |
Geschlechterkrieg. Die Politik, so heißt es da, "entzieht der Keimzelle des | |
Volkes schleichend die Lebensgrundlage" - ein Schuft, wer dabei gleich an | |
Nazijargon denkt. Verfasser des Textes ist der Journalist Jürgen Liminski, | |
zehnfacher Vater, ob seines Kinderreichtums häufig geladener Talkshowgast | |
und Lobbyist des "Familiennetzwerkes Deutschland". Hier sammeln sich | |
derzeit alle, die sich von CDU-Ministerin Ursula von der Leyen im Stich | |
gelassen fühlen. Sie zeichnen ein düsteres Zukunftsbild schrumpfender | |
Gesellschaften, wettern gegen angeblich genusssüchtige Kinderlose, machen | |
im Stil eines Bischofs Mixa Stimmung gegen die Krippenbetreuung, fordern | |
stattdessen Prämien für Vollzeit-Mütter - und entdecken die Identitätskrise | |
des Mannes. | |
Deren regelmäßige Beschwörung verschleiert, dass Männer in den | |
Entscheidungspositionen von Politik und Wirtschaft, von Wissenschaft und | |
Kultur nach wie vor das Sagen haben - Ausnahmen wie Anne Will oder Angela | |
Merkel bestätigen nur die Regel. Die Geschlechterforschung nennt das | |
"hegemoniale Männlichkeit": Ein bestimmter Männertypus - weiße Hautfarbe, | |
gut gebildet, ohne Migrationshintergrund, dafür mit treusorgender Gattin, | |
regiert weitgehend unangefochten. Weniger privilegierte Geschlechtsgenossen | |
sehen sich mit ähnlichen Problemen konfrontiert, die Frauen in | |
vergleichbaren Situationen haben. Doch reicht das als Anlass für einen | |
"Aufstand der Männer"? Konservative Publizisten, Familienfundis, militante | |
Abtreibungsgegner, Männerrechtler und rückwärts gewandte Kirchenobere haben | |
ihr gemeinsames Feindbild ausgemacht. Die Junge Freiheit ruft zum Kampf | |
gegen den "ausufernden Gouvernanten- und Umerziehungsstaat". Der "radikale | |
Feminismus" als eine Art staatlich subventioniertes SM-Studio, in dem | |
Männer von Stilettos und Paragrafen gequält werden: Eine groteske | |
Vorstellung, die sich für die rechten Geschlechterkrieger aber nicht auf | |
das Reich ihrer bizarren Fantasie beschränkt. | |
20 Sep 2008 | |
## AUTOREN | |
Thomas Gesterkamp | |
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