# taz.de -- Milchskandal in China: Schon 53.000 krank durch Melamin | |
> Fast 13.000 chinesische Babys liegen im Krankenhaus. Chinas Behörden | |
> rücken nur Stück für Stück mit der Wahrheit raus. Gerine Spuren wurden | |
> auch in einem Nestlé-Produkt in Hongkong gefunden. | |
Bild: Der acht Monate alte Xie Liu wird in einem Krankenhaus in Hefei gegen Nie… | |
PEKING dpa/ap In China haben die Behörden mehr als 53.000 Fälle von | |
Erkrankungen durch chemisch verseuchte Milchprodukte für Säuglinge | |
registriert. Fast 13.000 Babys liegen noch in Krankenhäusern, nachdem sie | |
mit der giftigen Chemikalie Melamin versetzte Milchprodukte zu sich | |
genommen hatten, teilte das Gesundheitsministerium in Peking laut Berichten | |
der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua am Sonntagabend mit. 104 von | |
ihnen zeigten demnach schwere Krankheitssymptome. | |
Außerdem seien fast 40.000 Kinder ambulant behandelt und als geheilt | |
entlassen worden. Bislang sind den Angaben zufolge vier Babys an | |
Nierensteinen gestorben, die sich durch das beigemischte Melamin gebildet | |
hatten. Am Montag musste der Leiter der Behörde für Qualitätssicherung als | |
Konsequenz aus dem Skandal zurücktreten. | |
Die Zahl der Erkrankungen ist damit drastisch höher als bisher dargestellt. | |
Bis zum Sonntag hatten die chinesischen Behörden nur von 6.200 Fällen | |
berichtet. Wie es nun hieß, hätten knapp 1.600 der bislang stationär | |
behandelten Babys die Kliniken inzwischen wieder als geheilt verlassen | |
können. | |
Geringe Spuren auch in Nestlé-Produkt | |
Am Wochenende waren geringe Spuren des Stoffs in Hongkong in einem Produkt | |
des weltgrößten Nahrungsmittelkonzerns Nestlé nachgewiesen worden. Jedoch | |
sei die Konzentration so gering, dass der normale Konsum der in China | |
hergestellten "Dairy Farm Pure Milk" unbedenklich sei, teilten die Behörden | |
in Hongkong mit. | |
Trotz des Fundes gibt es in Deutschland nach einhelliger Meinung von | |
Politikern und Verbraucherschützern keinen Anlass zur Sorge. | |
Nestlé Deutschland betonte am Montag: "Kein Nestlé-Baby-Milch-Produkt, das | |
in Deutschland auf dem Markt ist, enthält Melamin." Das werde durch | |
zertifizierte Rohstoffquellen und Qualitätskontrollen sichergestellt. Die | |
in einem Hongkonger Labor untersuchte Probe habe Melamin-Spuren | |
aufgewiesen, die 25-fach niedriger seien, als es der in der EU geltende | |
Grenzwert erlaube. Ursache für die Verunreinigung in dem Nestlé-Produkt in | |
Hongkong könnte nach Angaben des Konzerns "Kunststoff in der Verpackung" | |
sein. | |
Panikreaktionen in Hongkong | |
In Hongkong kam es zu Panikreaktionen besorgter Eltern, die ihren Babys | |
Fläschchen mit Milchpulver aus China zubereitet hatten. Am Samstag war ein | |
dreijähriges Mädchen wegen Nierensteinen behandelt worden. Daraufhin kamen | |
Hunderte Eltern mit ihren Kindern in die Kliniken und bestanden darauf, | |
dass ihr Nachwuchs untersucht wird. | |
In Deutschland sind bisher - trotz verstärkter Kontrollen unter anderem an | |
Flughäfen und Asia-Läden - keine Milchprodukte aus China aufgetaucht. In | |
der ganzen EU gilt wegen der Vogelgrippe ohnehin ein absolutes | |
Einfuhrverbot für tierische Lebensmittel aus China. | |
Dennoch mahnte Bundesverbraucherschutzminister Horst Seehofer (CSU) eine | |
"doppelte Prüfung" von Waren aus China an. "Die Erfahrung zeigt, dass am | |
Gesetz vorbei mit hoher krimineller Energie Waren in den europäischen Markt | |
geschmuggelt werden", sagte Seehofer der Passauer Neuen Presse. | |
Ein rein chinesisches Problem | |
Der Melamin-Skandal sei ein rein "chinesisches Problem", betonte auch Thilo | |
Bode, Geschäftsführer der Verbraucherschutz-Organisation Foodwatch, im | |
ZDF-Morgenmagazin. Angesichts vermehrter illegaler Lebensmittelimporte über | |
die Schwarzmeerhäfen in Osteuropa seien neben Kontrollen allerdings auch | |
politische Maßnahmen gefragt. Bode forderte eine verstärkte Haftung auch | |
von Importeuren und Einzelhändlern für die von ihnen verkauften Produkte. | |
Der Skandal hatte mit der Entdeckung der Chemikalie in Milchpulver des | |
chinesischen Herstellers Sanlu begonnen. Eine von den Behörden veranlasste | |
Massenuntersuchung hatte ergeben, dass Proben von 22 Herstellern Melamin | |
enthielten. Die giftige Chemikalie war minderwertigem Milchpulver zugesetzt | |
worden, um dessen Eiweißgehalt zu erhöhen. | |
Nach Angaben des Gesundheitsministeriums in Peking sind alle bislang | |
untersuchten Krankheitsfälle auf Milchpulverprodukte und nicht auf flüssige | |
Milch zurückzuführen. Die meisten betroffenen Kinder seien mit Milchpulver | |
der Firma Sanlu versorgt worden. | |
22 Sep 2008 | |
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