# taz.de -- Wer sind die "Freien Wähler"?: Charismatischer und basisnäher | |
> Viele Politiker der Freien Wähler arbeiteten früher für die CSU. Ein | |
> wirkliches Programm haben sie aber nicht. | |
Bild: Ein Landwirt zeigt der CSU, wo's lang geht: "Freie Wähler"-Vorsitzender … | |
MÜNCHEN taz Zwanzig Minuten lang ist Hubert Aiwanger stoisch geblieben, hat | |
keine Miene verzogen und in breitem, langsamem Niederbayerisch die Wahl | |
analysiert. Dann aber lacht er, so wie man es sonst nur von Franz | |
Beckenbauer kennt, oder von Edmund Stoiber: strotzend vor Selbstvertrauen. | |
Warum denn die CSU ausgerechnet mit ihm, dem Landesvorsitzenden der Freien | |
Wähler, Verhandlungen führen sollte, hat ein Journalist gefragt. Und | |
Aiwanger meint nur: "Ich glaube nicht, dass es für die CSU angenehm wäre, | |
wenn wir sie aus der Opposition unter Feuer nehmen." | |
Am Abend zuvor hat Aiwanger mit seinen Freien Wählern bei der bayerischen | |
Landtagswahl 10,2 Prozent der Stimmen geholt. Sie sind die eigentlichen | |
Sieger der Wahl - und die größten Profiteure der CSU-Krise. Laut | |
Infratest-dimap sind satte 230.000 Wähler von der CSU zu den Freien Wählern | |
abgewandert. Nun sind die Neulinge die drittstärkste Kraft im Landtag. Und | |
sie wollen regieren. | |
"Es ist zu erwarten, dass Franz Maget von der SPD heute noch anklopft, die | |
CSU wird in den nächsten Tagen auf uns zukommen", sagt Aiwanger in München. | |
Hinter ihm hängt ein Wahlplakat mit der Aufschrift: "Wir nehmen Sie ernst". | |
Man werde mit allen verhandeln, erklärt Aiwanger, auch wenn es in der | |
Bevölkerung kaum Zustimmung zu einem Viererbündnis gegen die CSU gebe. | |
In den Gemeinden sind die Freien Wähler groß geworden. Die Ortsvereine | |
entstanden oft als Abspaltungen der örtlichen CSU. Ein langjähriger | |
Bürgermeister, der von der CSU nicht mehr aufgestellt wurde und trotzdem | |
noch einmal kandidieren wollte, Gemeinderäte, die mit dem Ortsverein nicht | |
mehr klarkamen, das waren die Keimzellen der Freien Wähler. Sie traten mit | |
einem ähnlichen Programm an wie die CSU, zielten auf dieselben | |
Wählerschichten, hatten aber meist die charismatischeren Kandidaten. Und | |
die konservativen Wähler wussten: Da die Freien Wähler sich nicht in die | |
Landes- und Bundespolitik einmischten, bedeutete eine Stimme für die Freien | |
kaum Schaden für die geliebte CSU. Heute stellen sie 800 von 2.000 | |
bayerischen Bürgermeistern und 15 Landräte. Der Sprung in die Landespolitik | |
wollte trotz der kommunalpolitischen Erfolge aber nie gelingen. | |
Dann kam Hubert Aiwanger. Er ist 37, Landwirt, ledig und lebt zusammen mit | |
seinen Eltern auf einem Bauernhof im niederbayerischen Rahstorf. 2006 wurde | |
er praktisch ohne politische Erfahrung Landesvorsitzender der Freien | |
Wähler. Erst seit diesem Frühjahr hat er überhaupt ein Mandat - im Stadtrat | |
von Rottenburg. Er positionierte die Freien Wähler in diesem Wahlkampf | |
erstmals entschieden gegen die CSU. Seine Devise: "Wir dreschen auf die CSU | |
ein, um sie unter 50 Prozent zu hauen." Das hat er nun geschafft. | |
Die Freien werden mit völlig unerfahrenem Personal in den Landtag | |
einziehen. Ob die von der CSU übergewechselte ehemalige Fürther Landrätin | |
Gabriele Pauli zur Fraktion gehören wird, ist am Montag noch unsicher. In | |
ihrem Stimmkreis holte sie nur maue 4.200 Stimmen. | |
"Es kann passieren, dass Leute aus der Reihe tanzen und sich gegen die | |
Fraktionsdisziplin stellen", erklärt Aiwanger, vielleicht schon bald | |
Fraktionschef. Bisher profitierten die Freien Wähler davon, dass sie eher | |
wie eine Bürgerinitiative auftraten, als wie eine Partei. Die | |
Führungsspitze ist schwach, die Basis mächtig, das Programm umfasst nur | |
wenige Punkte, ein weltanschaulicher Unterbau fehlt. Man sei heute gegen | |
die grüne Gentechnik, erklärte Aiwanger vor der Wahl. Und fügte an: In 10 | |
oder 15 Jahren könne sich das aber ändern. Vielleicht sei die Gentechnik | |
dann ausgereifter. "Etwas anderes zu sagen, das wäre ideologisch." | |
BERNHARD HÜBNER | |
29 Sep 2008 | |
## AUTOREN | |
Bernhard Hübner | |
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