# taz.de -- Modeschauen in Frankreich: Streit um Tragbarkeit der Mode | |
> Wer soll das eigentlich anziehen? Die Suche nach einer zeitgemäßen Form | |
> von Weiblichkeit in Mode und Design ist schwierig- auch dieses Wochenende | |
> auf den großen Schauen in Frankreich. | |
Bild: Querstreifen stehen nicht jeder Frau: Designerstück auf der noch laufend… | |
Cathy Horyn hat einen Blog auf der Website der New York Times, in dem sie | |
über Mode schreibt: On the runway. Horyn ist nicht so hübsch wie Carine | |
Roitfeld, die Chefin der französischen Vogue, oder wie die anderen | |
Moderedakteurinnen hier in Paris. Sie ist auch nicht auf exzentrische Weise | |
hässlich wie Suzy Menkes, die große Modekritikerin der Herald Tribune, die | |
dick ist und eine seltsame Frisur trägt. Horyn sieht ziemlich normal aus. | |
Sie berichtet diese Woche von den Schauen der Frühjahrskollektionen 2009, | |
doch es gibt auch Designer, die sie nicht mehr einladen, Dolce & Gabbana | |
zum Beispiel. In der einflussreichen Zeitschrift Womens Wear Daily sagte | |
ihr neulich jemand nach, sie wisse nicht einmal, wie man Lanvin ausspricht | |
und Jodhpurhose schreibt. | |
Warum ist diese Frau so unbeliebt? Sie schreibt in einem eigenen Ton über | |
Mode. Sie ist unbedingt subjektiv (wenn auch ihr Blick ein geschulter ist) | |
und sagt es, wenn ihr etwas nicht gefällt. Und sie stellt die Frage, die | |
sonst niemand zu stellen wagt: Wer soll das eigentlich anziehen? | |
Dabei geht es ihr gar nicht nur um Tragbarkeit. Es geht ihr darum, eine | |
Verbindung zwischen dem Zeichensystem der Mode und dem Rest der Welt | |
herzustellen, etwas, was viele Designer selbst nicht mehr schaffen. | |
Zum Beispiel Balmain. Christopher Decarnin. Er zeigte am Sonntag eine | |
Kollektion mit viel Rock Chic. Verwaschene, zerrissene Jeans, T-Shirts, | |
dazu Pailletten-bestickte Blazer. Kleider für die Mädchen, mit denen | |
Decarninam Wochenende im 8. Arrondissement um die Häuser ziehen will. Eine | |
Idee, die darüber hinausweisen würde, wie zeitgemäße Weiblichkeit heute | |
aussehen könnte, hat Decarnin dabei nicht. | |
Bei Givenchy war es ähnlich: schwarze sehr enge Hosen, mit Leder- oder | |
Jeansapplikationen oder mit weißen Flammenmustern an der Seite. Und | |
Overknee-Stiefel zu Mikro-Minis. Overknees gibt es zwar schon seit ein paar | |
Jahren in der ein oder anderen Kollektion. Trotzdem sieht außerhalb des | |
Modekontexts jede Frau darin aus wie eine Professionelle. Klar ist das | |
ironisch gemeint. Aber warum macht Riccardo Tisci von Givenchy keinen ernst | |
zu nehmenden Vorschlag? | |
Martin Margiela hingegen nimmt seine Sache ernst. Zum zwanzigsten Jubiläum | |
seines Labels zeigte er eine Modenschau, die eher eine Performance war. Die | |
Entwürfe griffen Motive der letzten zwanzig Jahre auf: eine Jacke aus | |
seiner ersten Frühjahrskollektion 1988, Schulterpolster, Perücken. Die | |
Models trugen strumpfhosenartige Masken, sodass ihre Gesichter nicht zu | |
erkennen waren. Dazu muss man wissen, dass Margiela der Thomas Pynchon der | |
Modebranche ist: es gibt nur ein Foto von ihm, und das ist zehn Jahre alt. | |
Auch bei Balenciaga sind die Entwürfe sehr konzeptuell. Nicolas Ghesquiere | |
experimentiert gern mit Stoffen, und dieses Mal kamen dabei metallisch | |
glitzernde Blazer mit breiten Schultern heraus, die eine roborterartige | |
Silhouette kreieren. Die Models trugen so etwas wie Ganzkörperanzüge aus | |
feinem Lurex, die Beine, Füße und Hände bedeckten. Ghesquieres Entwürfe | |
sind raffiniert und durchdacht, vielleicht aber ein bisschen zu sehr. Sie | |
scheinen nur als Totallooks zu funktionieren, sie sind wie Kunstwerke, | |
deren organischer Aufbau nicht gestört werden darf. | |
Haider Ackermann zeigte seine dekonstruktivistische Kollektion in einem | |
Kloster. Reißverschlüsse verlaufen quer über die schwarzen und sandfarbenen | |
Kleider und sind nicht dafür da, geschlossen zu werden, weshalb ziemlich | |
viel Haut zu sehen ist, viel Bein und auch halbe Hintern. Die Männer von | |
der Pariser Feuerwehr, die bei allen Defilés am Rand stehen und aufpassen, | |
taten so, als würden sie nicht hingucken. Dabei wirkte das Ganze eigentlich | |
nicht sexy, sondern irgendwie kalt, ein bisschen medizinisch. | |
John Galliano bei Dior hat das gemacht, was er immer macht: Kleidung für | |
Frauen, die zeigen wollen, was sie haben. Galliano stellt sich vor, dass | |
eine Frau immer alle ihre Reize auf einmal betonen möchte. Bei ihm gibt es | |
unendlich hohe Schuhe, durchsichtige, kurze Röcke, schmale Taillen, big | |
hair, tiefe Dekolletees, das Ganze in Pink: eine Comicversion von | |
Weiblichkeit. Aber manche Frauen wollen ja so aussehen. Der Erfolg der | |
Marke Dior gibt Galliano jedenfalls Recht. | |
Ivana Omazic zeigte bei Celine ihre letzte Kollektion. Sie ist in der | |
undankbaren Situation, schon Ende des Monats durch Phoebe Philo ersetzt zu | |
werden. Omazic ist eine der wenigen weiblichen Designer, die für große | |
Häuser arbeiten. Am Ende ihrer Schau trat sie etwas schüchtern auf den | |
Laufsteg, um sich zu bedanken. Sie trägt die Schuhe, die sie fürs Frühjahr | |
2009 entworfen hat: Plateausandalen, die eine Gummi-Profilsohle haben und | |
einen ausgehöhlten Keilabsatz. | |
Dieses massive Schuhwerk trugen die Models zu bezaubernden zarten Kleidern | |
in zitronengelb, Fuchsia und grünblau. Oder zu bunt gemusterten | |
schwingenden Kleidern. Man könnte jetzt behaupten, dass Frauen andere | |
Kleider entwerfen als Männer, dass ihr Blick auf den weiblichen Körper | |
sanfter ist und eine Frau eben besser weiß, was eine Frau gern anzieht. | |
Aber das ist natürlich Quatsch. Allein deshalb, weil Dries Van Notens | |
Entwürfe etwas Ähnliches wollen: die Frauen, die sie tragen, schöner | |
machen. | |
Van Notens Kleider schmeicheln der Trägerin, die Stoffe fallen sanft, und | |
die Looks sind lässig, zurückhaltend, aber sehr elegant. Einen schmalen, | |
knöchellangen Rock aus goldfarbenem Lurex kombiniert Van Noten zu einer | |
einfachen weißen Bluse und flachen Sandalen. Es mag nach einer banalen Idee | |
klingen, Kleider zu entwerfen, in denen Frauen sich schöner fühlen und | |
automatisch das Kinn ein wenig anheben, wenn sie sie tragen. In | |
Wirklichkeit ist es gar nicht so einfach. | |
4 Oct 2008 | |
## AUTOREN | |
Elisabeth Raether | |
## TAGS | |
Mode | |
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