# taz.de -- Sport: Verzweifeltes Ringen um Unterstützung | |
> Der Türkische Ringerverein Berlin ist sportlich erfolgreich, doch sonst | |
> läuft es gar nicht gut: Der Club ist finanziell völlig abhängig vom | |
> Vorsitzenden. Doch der will nicht mehr allein kämpfen. Und eine feste | |
> Halle hat der Bundesligist auch nicht. | |
Bild: Ringen ist in vielen Ländern populär - in Berlin bangen die Fans um die… | |
So richtig Stimmung kam in der alten Dynamo-Halle im Sportforum | |
Hohenschönhausen nur auf, wenn die Gäste Siege bejubeln durften. Das kam im | |
Bundesligaduell der Ringer zwischen dem Türkischen Ringerverein Berlin | |
(TRV) und der KG Frankfurt(Oder)/Eisenhüttenstadt aber nur selten vor. Die | |
Berliner siegten standesgemäß mit 26:14 - so blieb der Wettkampf eine | |
weitestgehend stille Angelegenheit. Einen Heimvorteil, der beim Ringen | |
normalerweise nicht unerheblich ist, hatte der TRV allerdings nicht. Gerade | |
mal 50 Zuschauer verloren sich in der kalten Halle. Und so passte sich die | |
Stimmung schnell den Hallentemperaturen an. "Hier fühlen sich unsere Gegner | |
heimischer als wir", sagt der Vorsitzende des TRV Ayhan Çelik. | |
Aber wenn man sich nicht heimisch fühlt, kann auch keine Heimatmosphäre | |
aufkommen. Bis zur letzten Saison richtete der TRV seine Wettkämpfe noch im | |
Wedding aus - am Louise-Schroeder-Platz. In dieser Saison waren dort | |
allerdings schon zu viele Termine anderweitig vergeben. Damit begann die | |
Odyssee der Ringer. Zum Saisonauftakt zog man in die Sporthalle Schöneberg. | |
Dann nach Hohenschönhausen. Türken leben hier kaum. Deshalb will der Verein | |
dort auch nicht bleiben. "Das ist einfach zu weit weg für unser Publikum", | |
sagt Çelik. Die Ringer fühlen sich von der Politik im Stich gelassen. "Wir | |
sind doch ein Bundesligist und müssten Priorität genießen", klagt der | |
Vereinsvorsitzende. | |
Jetzt überlegen die Ringer, ob sie nicht in ihre Trainingshalle an der | |
Kreuzberger Adalbertstraße ziehen. "Die Halle ist zwar klein, aber dann ist | |
wenigstens Stimmung da", hofft Pressesprecher Arno Assman. Denn | |
begeisterungsfähiges Publikum ist eigentlich vorhanden. Als vor eineinhalb | |
Jahren der TRV den Aufstieg in die Erste Bundesliga feierte, jubelten den | |
Männern in den engen Trikots über 1.000 Zuschauer zu. | |
Es schien die Krönung eines kleinen sportlichen Märchens zu sein. Der | |
Verein, 1981 von türkischen Hobbyringern gegründet, wurde schnell zur | |
Anlaufstelle in den sozialen Problembezirken Wedding, Kreuzberg und | |
Neukölln. Denn der TRV definiert sich nicht als rein türkische | |
Veranstaltung: Er versteht sich als Berliner Verein. "Bei uns ist jeder | |
willkommen, egal welcher Nationalität. Wir sind genauso wie Berlin: | |
multikulti", sagt Assman. | |
Und die Ringer kamen. Ob Türken, Bulgaren, Polen oder Deutsche, stetig | |
wurde die Mannschaft besser. 1992 stieg sie in die Zweite Liga auf, im | |
letzten Jahr folgte dann der Sprung in die Erste. Es war nicht nur | |
irgendein Aufstieg. Der Türkische Ringerverein ist der einzige von | |
Einwanderern gegründete Klub, der es in Deutschland in eine Erste | |
Bundesliga geschafft hat. Der Jubel in der Türkei war sogar noch größer in | |
Berlin. Dort ist Ringen Volkssport, und alle waren mächtig stolz auf den | |
TRV. Sogar Ministerpräsident Recep Erdogan schickte seine Glückwünsche. "Da | |
hat ein paar Wochen die Türkei gebebt", sagt Çelik. | |
Geblieben ist nicht viel. Von der Begeisterung ist heute nichts mehr zu | |
spüren. Ayhan Çelik fühlt sich im Stich gelassen. In Einzelregie führt der | |
35-jährige Bauunternehmer den Verein. Den Etat von gut 170.000 Euro stemmt | |
er fast allein. "Aber allein ist das eigentlich nicht machbar. Sowohl in | |
finanzieller, in wirtschaftlicher als auch in personeller Hinsicht", sagt | |
er. Çelik wünscht sich mehr Unterstützung. Auch von der türkischen | |
Community. "Früher war in jedem Dönerladen Werbung für uns zu finden, heute | |
nicht mehr", klagt auch Pressesprecher Assman. | |
Wenn sich nichts ändert, wird sich Çelik nach der Saison zurückziehen. Der | |
TRV ist aber von seinem Mäzen abhängig. Genauso wie der deutsche | |
Vizemeister, der 1. Luckenwalder SC, vor dem Aus stehen würde, wenn sich | |
sein Aufsichtsratsvorsitzender Reinhardt Töpel zurückziehen würde - was er | |
schon mehrmals angedroht hat. Ohne Çelik wäre der TRV so schnell | |
verschwunden, wie er aufgetaucht ist. Den Verein würde das gleiche | |
Schicksal ereilen wie zuvor die Ringerhochburgen Goldbach, Aalen und | |
Schifferstadt. Um das zu verhindern müssen neue Sponsoren gefunden und muss | |
die Verantwortung auf mehrere Schultern verteilt werden. Doch noch hat man | |
nicht aufgegeben. | |
Sportliche Argumente hat der TRV jedenfalls genug. Im letzten Jahr konnten | |
die Play-offs erreicht werden, und auch in dieser Saison sieht es gut aus. | |
In der Bundesliga Nord belegt der TRV hinter Luckenwalde und Hof den | |
dritten Platz und hat die Play-offs fest im Blick. "Irgendwann wollen wir | |
auch mal das Finale erreichen", hofft Assman. Aber ob das jemals geschafft | |
werden kann, bleibt fraglich. Im Moment weiß niemand, wie und ob es | |
weitergeht. "Wir arbeiten von Kampftag zu Kampftag", sagt der allmächtige | |
Vorsitzende Çelik. | |
Die Zukunft des Vereins hänge auch von einer festen Heimstätte ab. "Wir | |
können nicht ständig umziehen. Wir müssen uns in der Stadt positionieren." | |
Nur dann hat der Türkische Ringerverein in dieser Stadt noch eine Zukunft. | |
12 Oct 2008 | |
## AUTOREN | |
Nicolas Sowa | |
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Ringen | |
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