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# taz.de -- die wahrheit: Acht Sekunden der Liebe
> Das geheime Tagebuch der Carla Bruni. Heute: Auf einmal war er da.
Bild: Da hinten, wo das Gras in den ausgehöhlten Fugen der kleinen alten Mauer…
Mon cher journal intime …
Ich schäume! Ich schäume so dermaßen! Ich kann es gar nicht sagen, wie
sehr! Ich frage mich, ob in diesem Land eigentlich nur Hohlköpfe arbeiten.
Egal, was ist, was sein soll, wohin man blickt: überall nur Menschen, die
Fehler machen. Entweder die Atomkraftwerke funktionieren nicht richtig, die
Gefangenen müssen sich erhängen, um das Platzproblem in den Knästen zu
lösen, oder die Journalisten schreiben meinen Namen falsch. Bzw. sie können
sich nicht merken, wer ich bin und geben mir den Vornamen von Nicis Ex. Bei
so viel Durcheinander ist es auch kein Wunder, dass Nici mich ab und zu
"Céci" nennt. Bislang habe ich ihm dafür regelmäßig eine geknallt.
Vielleicht sollte ich etwas nachsichtiger sein.
Es ist geschehen. Ich habe Joseph geküsst. Aber nur ein einziges Mal. Und
ein halbes. Aber das halbe zählt nicht, das war ohne Zunge. Eigentlich
hatte ich ihn ja nicht mehr sehen wollen, weil es mich so nervt, dass er
nur an mir als Mensch interessiert ist und nicht als Frau. Nicht an der
Carla-Classica, dem Feger und der unwiderstehliche Nymphe, als die ich die
anderen so verrückt mache. Dann aber ging ich im Garten so vor mich hin und
nichts zu suchen, das war mein Sinn. Und auf einmal, als ich im blinden,
wilden Fleck unseres Parks angelangt war, dort, wo das Gras in den
ausgehöhlten Fugen der kleinen, alten Mauer sprießt, war auch er auf einmal
da. Wir setzten uns auf das Mäuerchen und hatten schnell wieder jene
Intensität gefunden, die uns schon vor Monaten so in den Bann gezogen
hatte. Joseph sah wieder hinreißend aus. Sein langes braunes Haar fiel
strähnig in sein schmales, markantes Gesicht, seine Züge hatten diesen
scharfkantigen Charme, der mich wuschig macht, seine Augen waren glasig rot
vom Kiffen. Tatsächlich sind wir im Gespräch recht aneinander geraten.
Aber noch während wir hitzig argumentierten - wobei ich recht habe, dabei
bleibe ich - habe ich gemerkt, dass ich gar nicht streiten, sondern küssen
möchte. Dass das gereizte Hin und Her der Worte, das Auf und Ab der
Argumente ein Ersatz ist für das unbändige Verlangen, den Körpern die
Kommunikation zu überlassen. Also, um jetzt mal zur Sache zu kommen und
diesen ganzen Hirnschmonzes, der eh keinen interessiert, beiseite zu
lassen, ich habe noch ein Weilchen mit mir gerungen und ihm dann gesagt,
dass ich ihn gern küssen würde und es nur nicht tu, weil es nicht sein
darf. Was ich mir aber doch schnell anders überlegt habe und ihm (und mir)
diesen einen Kuss gestattet habe. Kurze acht Sekunden nur. Als unsere
Lippen sich lösten, sagte er: "So wäre es." Und ich habe leise und
bedeutungsvoll erwidert, "Ja, so wäre es." Das war ein großer, poetischer,
fast filmreifer Moment. Obschon ich mir nicht sicher war, ob das, was wäre,
gut wäre oder vielleicht etwas langweilig … Aber ganz hübsch war es schon.
Ich bin froh, dass ich eine Frau von Prinzipien bin, und kurz darauf
gegangen. Ich möchte nicht in die Situation kommen, Nici erklären zu
müssen, warum ich einen Mauerabdruck am Hintern habe.
Klaus, der Busfahrer aus Deutschland, sollte heute seinen ersten Auftritt
als Winke-Nici haben. Aber der kleine Mann liegt mit Schnupfen im Bett.
Toll, jetzt kann ich allein zur Ausstellungseröffnung "Taktstöcke berühmter
Dirigenten" gehen. Ich frage mich, welche Lusche ich mir nun schon wieder
eingefangen habe.
Freitag, 17. 10. 2008
Habe Joseph gesehen. Er war mit dem Aufsitzmäher unterwegs. Mein Herz hat
bum, bum gemacht, dann hat mein Handy geklingelt.
Samstag, 18. 10. 2008
Oh, liebes Tagebuch, ich bin außer mir. Ein Abgrund reißt auf und kein
Boden will sich unter mir schließen. Eben war Cécilia hier. Die alte Krähe
sah aus wie ein gerupftes Huhn, stand in der Halle und gab Nici eine
Ohrfeige nach der anderen. "Für Nicole!", schrie sie, klatsch! "Für die
Schlampe aus der Reiseabteilung!", klatsch!, "Für das Kindermädchen!",
klatsch!, "Für Monique Jospin!", klatsch!, "Für die Kleine im
Außenministerium", klatsch!, "Für die Zwillinge Titi und Nana!", klatsch!,
klatsch!, "Für die Frau deines besten Freundes!", dusch!, das war die
Faust. Nici taumelte, sie begann nach ihm zu treten, und ich sah mich
langsam genötigt, einzugreifen und die alte Hyäne zu bändigen.
Natürlich wollte ich wissen, was los sei, und da Nici nicht mehr sprechen
konnte, keifte sie mir entgegen, worüber ganz Frankreich spricht: Es sind
die Überwachungsprotokolle aufgetaucht, aus der Zeit, als Nici noch
Innenminister war und die "inneren Angelegenheiten" etwas großzügig
ausgelegt hat. Dummerweise musste ich grinsen. Ist ja auch wirklich nicht
schön für die arme Cécilia. Da zischt sie mir zu: "Na, warten Sie nur ab,
bis die Protokolle aus der Zeit Ihrer Ehe auftauchen. Oder glauben Sie
etwa, der liebe Gott hat der Justizministerin den Braten in die Röhre
geschoben?!?"
Natürlich hat Nici, als er wieder nuscheln konnte, seine Unschuld beteuert.
Aber natürlich sind nun auch all meine Zweifel und ist meine tiefe, tiefe
Verzweiflung wieder da. Wie soll ich ihm vertrauen, nach allem, was ich
weiß? Ich kann nur noch in meiner Kammer sitzen und weinen, weinen, weinen.
21 Oct 2008
## AUTOREN
Silke Burmester
## TAGS
Schwerpunkt Carla Brunis Tagebuch
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