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# taz.de -- Schillernde Uniwelt: Die Doktorin und die faule Sau
> "Kapitalistenschwein", "Drecksau" oder doch lieber "Schwein gehabt"? Die
> Sprachwissenschaftlerin Dagmar Schmauks an der TU erforscht die
> Darstellung des Nutztiers in Medien und Redensarten.
Bild: Dagmar Schmauks hat herausgefunden: Der Mensch würde am liebsten faul wi…
Dagmar Schmauks Büroraum hat eigentlich gar nichts Auffälliges an sich.
Schreibtisch und Computer auf der einen, ein reichlich bestücktes
Bücherregal auf der anderen Seite. Dort reihen sich Wörterbücher, Lexika
und voll bepackte Aktenordner aneinander - nicht untypisch für eine
Sprachwissenschaftlerin.
Ein Aktenordner fällt sofort ins Auge: "Schwein" steht in großen Lettern
auf dem Ordnerrücken. Die Akte ist prall gefüllt mit Schweinegeschichten,
Schweinecomics, Schweinezeichnungen und Schweineschlagzeilen aus Zeitungen,
alles fein säuberlich ausgeschnitten und in Klarsichthüllen eingetütet.
Denn Dagmar Schmauks, an der Technischen Universität angestellte
Professorin für Semiotik, also die Lehre von den Zeichen und
Zeichensystemen, erforscht, wie das Tier mit dem Ringelschwanz in der
deutschen Sprache dargestellt wird. "Ich sammle viel und schreibe auf, was
mir auffällt", erklärt die Wissenschaftlerin. Oft suche sie sich aber auch
Ratschlag von außerhalb, im Deutschen Schweinemuseum in Treptow oder im
Museumsdorf Düppel.
Bereits in ihrer Kindheit sei sie auf das Schwein aufmerksam geworden,
erzählt die 58-Jährige. Bei einem Ausflug zum Bauernhof hätte sie ein
neugeborenes Ferkel auf den Arm nehmen dürfen. "Das war wohl mein
Schlüsselerlebnis." Von da an gab es für Schmauks kein Halten mehr: "Wenn
ich in den Medien irgendetwas entdecke, was irgendwie mit Schweinen zu tun
hat, sei es nun Werbung, ein Cartoon oder ein Artikel - ich schneide es
aus."
Allerdings, so betont die Wissenschaftlerin, sei das Schwein ihr "privates
Hobby" und kein offizielles Forschungsprojekt. "Manchmal beziehe ich das
Schwein aber dennoch in meine Vorlesungen ein - etwa wenn es um
Redewendungen geht, in denen Tiere vorkommen." Genau das scheint die
Professorin am meisten zu interessieren. Eifrig zählt sie schweinische
Metaphern auf wie "Glücksschwein", "Drecksau", "Schwein gehabt". Sie
zitiert aus Zeitungsartikeln, in denen "Kapitalistenschweine" den
Finanzmarkt ruinieren, verweist auf Werbung, in der ein Schweinerüssel als
Steckdose günstige Strompreise verspricht. "Es ist doch spannend, dass
ausgerechnet das Schwein für so viele Dinge herhalten muss, oder?"
Natürlich hat Schmauks auch eine Antwort auf die Frage parat, warum das
Schwein in der deutschen Sprachenwelt so präsent ist: "Schweine sind dem
Menschen eben sehr ähnlich", behauptet sie. Außerdem diene das Schwein dem
Menschen als Projektionsfläche seiner Sehnsüchte. Dabei verweist die
Professorin auf die Redensart der "faulen Sau".
"Im Grunde würde der Mensch auch gerne, im übertragenen Sinne, faul wie die
Sau draußen in der Sonne liegen und sich im Schlamm suhlen, anstatt
beruflichen Pflichten unterworfen zu sein", sagt sie. Und wer träume wohl
nicht davon, "einmal so richtig die Sau rauszulassen", sprich soziale
Konventionen zu vergessen, genauso frei und wild handelnd wie ein Tier,
inklusive sexueller Lüsternheit?
"Leider sieht die Realität der Hausschweine heute ganz anders aus",
bedauert Schmauks. Künstliche Besamungsstationen bescherten dem Eber kein
wirklich attraktives Sexualleben, viele Säue sähen nicht ein Mal in ihrem
Leben das Tageslicht. Und auch das Bild vom lachenden Schwein in der
Metzgerei lenke von der Wahrheit ab. Denn für viele Menschen, so die
Sprachwissenschaftlerin, habe das Tier nur einen Nutzen - geschlachtet und
gegessen zu werden. Trotz Schweineliebe verweigert sich die Professorin dem
Genuss eines Schnitzels aber nicht: "Doch ich kaufe das Fleisch immer im
Hofladen", sagt sie. "Discounterfleisch kommt bei mir nicht auf den Tisch."
28 Oct 2008
## AUTOREN
Nora Grosse-Harmann
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