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# taz.de -- "China Channel Firefox": Chinesische Zensurerfahrung
> Mit einer kleinen Zusatzsoftware für den Browser Firefox kann jeder
> erleben, wie sich das Online-Leben im Reich der Mitte anfühlt: Sie leitet
> die Surfsitzung über China um.
Bild: Einmal zensieren, bitte.
Eine "große Firewall" umschließt China: Das Land, in dem inzwischen mehr
Internet-Benutzer leben als irgendwo sonst auf der Welt, leistet sich eine
Zensurmaschinerie, die der Regierung unangenehme Informationen jederzeit
blockieren kann. Spezialbehörden überwachen Online-Publikationen und lassen
sie nur nach Genehmigung zu; viele Web-Firmen und Medien üben darüber
hinaus Selbstzensur. Den Rest der Kontrolle erledigt eine moderne
Blockadetechnik, die basierend auf Adresslisten und so genannten
Wortfiltern Online-Angebote dynamisch unterdrücken kann - auch ganz neue
Angebote werden so erfasst.
Wer einmal erleben möchte, was es heißt, in China im Web unterwegs zu sein,
kann das nun auch aus westlichen Ländern leicht testen. Der Netzkünstler
Aram Bartholl hat zusammen mit internationalen Kollegen eine Erweiterung
für den populären Browser Firefox geschrieben, die den Nutzer hinter die
große Firewall blicken lässt. [1]["China Channel Firefox"] (CCFF) genannt,
erlaubt die Software einen "unvergesslichen virtuellen Trip nach China, um
die technische Expertise des chinesischen Ministeriums für
Informationsindustrie zu erleben", wie es in der Selbstbeschreibung heißt.
Nicht unerwähnt lässt Bartholl dabei, dass die in dem Land verwendete
Filtertechnik nicht nur hausgemacht aus dem Reich der Mitte stammt, sondern
auch von einigen großen westlichen Firmen kommt, die ihre Technologie in
das Land exportieren und dabei gutes Geld verdienen.
CCFF, das in einer Vorabversion vorliegt, funktioniert ganz einfach: Man
lädt sich die Software von Bartholls Seite herunter und installiert sie mit
wenigen Mausklicks. Dann kann man seinen Surftrip auf Wunsch ins
chinesische Internet verlagern - eine Menüauswahl und man erhält mit Hilfe
eines zwischengeschalteten Rechners, einem so genannten Proxy, eine
chinesische Internet-Protokoll-Adresse (IP). Sollte die Verbindung einmal
stocken, was aufgrund der weiten Verbindungswege ab und an vorkommt, klickt
man einfach ein zweites Mal, um sich eine weitere IP direkt aus dem
chinesischen Festland zuweisen zu lassen.
Ein Ausflug mit CCFF zeigt, wie der Alltag der chinesischen Nutzer
aussieht. Die normale Google-Suche wird immer wieder blockiert, dafür muss
man mit "Google.cn", einem "den lokalen Bedingungen angepassten" Angebot
leben, in dem kritische Themen ausgeblendet werden. Websites großer
westlicher Medien wie der BBC oder von CNN funktionieren an manchen Tagen,
an manchen wieder nicht. Hat das gesuchte Thema mit innerchinesischen
Problembereichen wie dem Unabhängigkeitskampf Tibets oder dem Konflikt mit
Taiwan zu tun, wird dynamisch blockiert - so kann man etwa die Seite zum
Platz des himmlischen Friedens auf Wikipedia nicht aufrufen. Die Homepage
des Dalai Lama ist gar nicht zu erreichen, "Verbindung unterbrochen"
erscheint. Bei manchen Angeboten haben sich die chinesischen Zensoren zudem
eine den Nutzer sehr störende Taktik überlegt: Ruft man sie auf,
funktioniert das nicht, doch auch die Internet-Verbindung wird anschließend
für einige Minuten komplett unterbrochen. Offenbar soll das dazu führen,
dass man kritische Bereiche des Netzes erst gar nicht aufruft.
Die Debatte über Internet-Zensur in China kocht in den westlichen Ländern
immer wieder einmal hoch - zuletzt im Zusammenhang mit der journalistischen
Berichterstattung von den olympischen Spielen in Peking, als selbst die
ausländische Presse mit zensierten Netzinformationen Vorlieb nehmen musste,
was ihre Arbeit teilweise deutlich beeinträchtigte. Die tägliche
Nutzererfahrung der chinesischen Netzbewohner wird aber gerne vergessen;
wie sie aussieht, zeigt nun CCFF. Netzkünstler Bartholl präsentiert sein
Projekt auch öffentlich - noch bis zum 4. November ist bei den Videotagen
in Hong Kong eine Installation zu sehen, die den direkten Vergleich
ermöglicht. Die Darstellung erfolgt an einem Rechner mit zwei
Anzeigeflächen: Bildschirm 1 zeigt das Netz aus der Perspektive des weniger
kontrollierten Hong Konger Internet, während man auf Bildschirm 2 die
offizielle chinesische Zensur erleben kann.
31 Oct 2008
## LINKS
[1] http://chinachannel.hk/
## AUTOREN
Ben Schwan
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