# taz.de -- Nach dem Debakel: Republikaner ohne Kitt | |
> Die stärksten Strömungen in der Grand Old Party bilden die Evangelikalen | |
> und die Wirtschaftsliberalen. Sie haben nichts gemein - was also hält sie | |
> zusammen, wenn nun die Macht fehlt? | |
Bild: Nahm die Niederlage auf seine Kappe: John McCain. | |
NEW YORK taz Erfolg und Macht sind starke Bindemittel - sie halten die | |
erstaunlichsten Mischungen zusammen. Wenn sie ihre Kraft verlieren, dann | |
fragt man sich allerdings oft, was die einzelnen Teile eigentlich je | |
verbunden hat. Vor dieser Situation stehen jetzt die Republikaner in den | |
USA. | |
Jede Partei muss sich nach einer Wahlniederlage sammeln und neu | |
organisieren. Aber nicht jede Partei wird nach einer Schlappe mit der | |
grundsätzlichen Frage nach ihrer Identität konfrontiert. Die Verlierer der | |
US-Wahl schon. Zu Recht. Wer sind eigentlich heute die Republikaner? | |
Schwer zu sagen. In einem – faktischen – Zwei-Parteien-System mit | |
Mehrheitswahlrecht, müssen sich zwangsläufig ganz unterschiedliche Gruppen | |
unter einem gemeinsamen Dach versammeln. Das Dach der Republikaner ist | |
dennoch ungewöhnlich groß. Und es leckt. | |
## Christliche und wirtschaftliche Fundamentalisten | |
Zwei Gruppen sind es vor allem, die derzeit in der Partei den Ton angeben: | |
Die Evangelikalen und die Wirtschaftsliberalen. Diese beiden Gruppen haben | |
kaum etwas miteinander gemein. | |
Der Einfluß der Evangelikalen – also jener Christen, die auf einer | |
wörtlichen Auslegung der Bibel bestehen – ist unter dem noch amtierenden | |
Präsidenten George W. Bush beständig gewachsen. Das Problem: Wenn jemand | |
die eigene politische Überzeugung zur einzig gültigen Interpretation des | |
göttlichen Willens erklärt, dann kommt jede Suche nach einem Kompromiss | |
ziemlich bald an sein Ende. | |
In der Tagespolitik wird es folglich kompliziert. Wie will man, um nur ein | |
Beispiel zu nennen, über die Grenzen Israels und die besetzten Gebiete | |
verhandeln, wenn Gott dazu in der Bibel alles gesagt hat? Und die | |
Irrtumsfreiheit der Bibel außer Frage steht? | |
George W. Bush war in den letzten Jahren der mächtigste Vertreter der | |
christlich-fundamentalistischen Bewegung. Den Evangelikalen gefiel es, | |
einen der Ihren im Oval Office zu wissen, und es sicherte ihr Votum: 40 | |
Prozent der Stimmen für die Republikaner kamen bei der Präsidentschaftswahl | |
2004 aus ihren Reihen. | |
## Die Zyniker im Hintergrund | |
Da sich mit Beten alleine jedoch schlecht regieren läßt, zogen in der | |
Realität überaus nüchterne - manche sagen: zynische – Leute im Hintergrund | |
die Fäden. Vizepräsident Dick Cheney, beispielsweise, und Cheftstratege | |
Karl Rove. | |
Diese beiden und andere waren bereit, Begehrlichkeiten großer Unternehmen | |
zu erfüllen. Eben solche, die sich – wenigstens in Teilen – mit den | |
Interessen der Wirtschaftsliberalen bei der Republikanern deckten: Senkung | |
der Steuern auf Kapitaleinkünfte, Lockerung staatlicher Kontrollen bei | |
finanziellen Transaktionen, ein Staat, dessen Aufgabe vorwiegend in der | |
Bereitstellung nationaler Sicherheit besteht - also im militärischen | |
Bereich liegt. | |
Nichts hingegen wurde investiert in die Fürsorge für sozial | |
unterprivilegierte Gruppen und schon gar nicht in dem Versuch, den | |
Wohlstand innerhalb der Gesellschaft gerechter zu verteilen. | |
Der Burgfriede zwischen diesen beiden Gruppen, den Wirtschaftsliberalen und | |
den Evangelikalen, war spätestens bei Ausbruch der Finanzkrise beendet. | |
Ideologisches Chaos regierte. Der „Bail out“, das Rettungspaket der | |
Regierung für bedrohte Unternehmen und Banken, missfiel allen unterhalb der | |
Ebene von Großverdienern und politischen Strategen. | |
Selbst dem noch amtierenden Präsidenten, der es gleichwohl für | |
unvermeidlich erklärte. „Wenn ich pleite gehe, dann hilft mir auch niemand | |
– warum sollen meine Steuergelder Größere retten, die sich verspekuliert | |
haben?“ Das war die landauf, landab gestellte Grundsatzfrage. | |
Der „Bail out“ verärgerte republikanische Wähler an allen Fronten, zumal … | |
einem der wenigen Glaubenssätze widerspricht, die noch immer alle | |
Republikaner teilen: dass nämlich das Individuum das Maß aller Dinge und | |
allen staatliche Handelns ist. Dem jede Chance eingeräumt werden muß, das | |
aber auch das Risiko des Scheiterns alleine trägt. | |
Präsidentschaftskandidat John McCain bekam ein Problem. Bis zum Schluß | |
versuchte er, seine – alte - Forderung nach weiterer Deregulierung mit | |
seiner – neuen – Forderung nach ganz intensiver Kontrolle der Börse zu | |
versöhnen. Das mußte schief gehen. Es ging ja dann auch schief. | |
## McCain gehörte zu keiner Strömung | |
Zu welcher Gruppe innerhalb der republikanischen Partei gehört eigentlich | |
John McCain? Zu gar keiner. Das war der Charme und das Risiko seiner | |
Nominierung. Seine Vergangenheit als Kriegsgefangener in Vietnam und seine | |
unbestreitbare und unbestrittene Tapferkeit in diesem Zusammenhang gab | |
Leuten den patriotischen Stolz zurück, der von George W. Bush beschädigt | |
worden ist. Einerseits. | |
Andererseits: John McCain wurde ja nicht zu Unrecht als „Maverick“ | |
bezeichnet, als Querdenker also. Er stimmte gegen die Steuersenkungen für | |
Reiche, die von George W. Bush durchgedrückt wurden, er stritt für | |
Sozialprogrannme und für eine liberale Einwanderungspolitik. Und: Er ist | |
ganz gewiß kein Evangelikaler. | |
Dem Vernehmen nach hat er vor einigen Jahren monatelang – durchaus | |
ernsthaft – über einen Wechel zu den Demokraten verhandelt. Innerhalb der | |
republikanischen Partei gilt John McCain als „Reformer“. Das ist ein | |
wunderbares Wort, hinter dem sich alles und nichts verbergen kann. | |
Zu Beginn der heißen Wahlkampfphase schien es das größte Problem von McCain | |
zu sein, die Anhänger der Republikaner an die Urnen zu bringen. Es gibt | |
glaubhafte Hinweise darauf, dass er am liebsten den Demokraten Joe | |
Lieberman – einen Befürworter des Irak-Krieges und eines starken Militärs, | |
der aber zugleich ein Anhänger der Liberalisierung von Abtreibung und von | |
Schwulenrechten ist – als seinen Stellvertreter nominiert hätte. | |
Die Reaktion: Offenbar Panik in den Reihen der republikanischen | |
Wahlstrategen. Wenn McCain das wirklich täte, so die Befürchtung, dann | |
würde es unmöglich, die Stimmen der Evangelikalen einzusammeln. | |
## Palin für die Evangelikalen | |
## Zieht Schwarzenegger die Fäden? | |
Es ist zu früh, um präzise vorherzusagen, entlang welcher Linien die | |
Flügelkämpfe der nächsten Zeit verlaufen werden – und wer gestärkt daraus | |
hervorgeht. Sarah Palin? Oder wirkt Arnold Schwarzenegger, der nicht | |
Präsident werden kann, weil er nicht in den USA geboren ist, künftig als | |
Drahtzieher im Hintergrund? | |
Bekommt der selbstironische Baptist Mike Huckabee, der beim Vorwahlkampf | |
überraschend erfolgreich war, eine zweite Chance? Wird die Finanzkrise | |
dramatisch genug, um Anhänger der Republikaner über die Tatsache | |
hinwegsehen zu lassen, dass der Wirtschaftsfachmann Mitt Romney ein Mormone | |
ist? | |
Läßt sich der angesehene General David Petraeus zu einer politischen | |
Karriere verleiten? Wird Bobby Jindal, der junge Gouverneur von Louisiana | |
und ein ähnlicher Senkrechtstarter wie seinerzeit Barack Obama, zum neuen | |
Hoffnungsträger? | |
Heute sind Antworten auf dertige Fragen wenig mehr als Lesen aus dem | |
Kaffeesatz. Aber viel Zeit haben die Republikaner nicht, um diese Antworten | |
zu finden. Der Kampf um die nächste Nomnierung des | |
Präsidentschaftskandidaten beginnt in etwa zwei Jahren. | |
5 Nov 2008 | |
## AUTOREN | |
Bettina Gaus | |
## ARTIKEL ZUM THEMA |