# taz.de -- Dokumentation zur NS-Geschichte: Eine Familie schweigt sich aus | |
> "Das Schweigen der Quandts" (21.50 Uhr, Arte) beleuchtet die | |
> Verstrickungen der bekanntesten deutschen Industriellen-Familie in die | |
> NS-Diktatur. | |
Bild: Großaktionär bei BMW: Herbert Quandt mit seiner Frau Johanna | |
In vielem verkörpert die Familie Quandt so etwas wie die Grundfesten der | |
Deutschland-AG: Strebsam, verschwiegen, vermögend, einflussreich. Sie | |
agieren kaum öffentlich, beherrschen aber BMW, den Phamarzie-Konzern Altana | |
und lange Zeit auch den Batterie-Hersteller Varta. Doch nicht erst der | |
aktuelle Erpressungsfall der Quandt-Erbin Susanne Klatten sorgte für Risse | |
in der Fassade des sauber verputzten deutschen Industriellenclans, sondern | |
auch der Dokumentarfilm "Das Schweigen der Quandts", den Arte heute Abend | |
noch einmal zeigt: Der Erfolg von Firma und Familie ist zu einem großen | |
Teil auf NS-Zwangsarbeit und Kriegswirtschaft gebaut. In jahrelangen | |
Recherchen haben Eric Fiedler und Barbara Siebert das zwar in engagierten | |
Historikerkreisen schon bekannte, aber weit verstreute Material | |
zusammengetragen, ehemalige Zwangsarbeiter der Varta-Vorgängerfirma AFA | |
interviewt - und vor allem die Quandts selbst mit ihren Recherchen | |
konfrontiert. | |
Die Reaktion war vor allem Schweigen, besonders auf der Seite von | |
Clanpatriarchin Johanna Quandt und ihrer Kinder Stefan Quandt und Susanne | |
Klatten. Nur Sven Quandt, ein Enkel des längst verstorbenen Firmenseniors | |
Günther Quandt, findet im Film klare, bezeichnende Worte: "Wie kann ich | |
dafür verantwortlich sein? Habe ich da gelebt? Nein", erklärt der | |
passionierte Rallyefahrer dem NDR-Redakteur Fiedler. Bei der | |
Erstausstrahlung im September 2007 hat die ARD so viel Angst vor möglichen | |
juristischen Schritten der einflussreichen Familie, dass der Film erst in | |
letzte Minute ins Erste geschoben wird. | |
Das "Schweigen der Quandts" geht auch nach der Sendung weiter - zwar | |
untersucht mittlerweile der Bonner Historiker Joachim Scholtyseck im | |
Auftrag der Familie die Firmengeschichte, doch das Erghebnis soll erst in | |
rund zwei Jahren vorliegen. Beim "Herbert Quandt Medienpreis", dessen | |
Kuratorium Chefredakteure von Mathias Müller von Blumencron (Spiegel) bis | |
Gabriele Fischer (Brandeins) und Christoph (Springer) wegen der | |
NS-Verstrickungen den Rücken gekehrt hatten, ging Stefan Quandt zwar auf | |
die NS-Zeit ein, blieb aber arg im Allgemeinen: Es sei "historisch | |
erwiesen", dass Fremdarbeiter, Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge "in Werken | |
unserer Gesellschaften gearbeitet haben". Man bedauere "als Familie | |
zutiefst die Bedingungen, unter denen diese Menschen fern der Heimat leben, | |
arbeiten und auch leiden mussten". Doch "in Anbetracht des Systems, das | |
damals herrschte", stellten sich bei der "Suche nach individueller | |
Verantwortung viele Fragen, die nicht leicht zu beantworten sind", so | |
Stefan Quandt bei der Preisverleihung im Juni: "Fragen nach Freiwilligkeit | |
oder Zwang. Fragen nach dem Folgen aus innerer Überzeugung oder dem Leisten | |
zumutbaren Widerstands. Fragen nach dem wirtschaftlichen Vorteil billiger | |
Arbeitskraft oder der Ineffizienz erzwungener Kriegsproduktion." Da ist die | |
offen-dreiste Art des Rayllefahrers Sven im Film bei aller gebotenen | |
Abscheu doch irgendwie ehrlicher. | |
12 Nov 2008 | |
## AUTOREN | |
Steffen Grimberg | |
## TAGS | |
Familie Quandt | |
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