# taz.de -- IT-Gipfel: Zwischen Hoffen und Bangen | |
> Bundeskanzlerin Merkel und Bundeswirtschaftsminister Glos luden zum | |
> deutschen IT-Gipfel nach Darmstadt. Die Branche kam trotz Finanzkrise | |
> zahlreich - aber niemand weiß, wie es weitergeht. | |
Bild: Tomo Arigato, Mr. Roboto: Der an TU Darmstadt entwickelte "Bruno" nimmt j… | |
Die Blogger waren nicht da. Trotz großer Ankündigung in einer | |
Pressemitteilung zum Darmstädter IT-Gipfel, dass einige der bekanntesten | |
deutschen Netztagebuchschreiber die Veranstaltung in diesem Jahr in all | |
ihrer "Vielfalt als kollaborative und partizipative Medien" begleiten | |
würden, um zu einer "besonders offenen und konstruktiven Diskussion der | |
Gipfelthemen" beizutragen, wollte anscheinend kaum jemand kommen. Schlimmer | |
noch: Einige der in der Öffentlichkeitsarbeit genannten | |
Internet-Persönlichkeiten hatten gar nicht erst zugesagt, wie Blogger | |
Johnny Haeusler vom Berliner "Spreeblick" süffisant schrieb: "Ich komme mir | |
merkwürdig "benutzt" vor, wenn ich eine Einladung nicht annehme, die | |
Einladungsaussprechung aber für PR genutzt wird." So etwas kostet in der | |
Internet-Szene mächtig Coolness-Punkte. Da half es auch wenig, dass der | |
IT-Gipfel-Partner Hasso-Plattner-Institut aus Potsdam am Dienstag und im | |
Vorfeld zahlreiche Video-Podcasts produzierte, mächtig Kurzbotschaften | |
twitterte und in einem eigenen "IT-Gipfelblog" heftig multimedial | |
publizierte. Partizipativ tat sich dort erstaunlich wenig, kaum ein Beitrag | |
hatte einen einzigen Kommentar, dabei leben echte Weblogs genau davon. Auch | |
die Resonanz auf die Ergebnisse des Gipfels blieben im Netz eher verhalten. | |
So genannte "Leuchtturmprojekte" wie die semantische Suchmaschine | |
"Theseus", die mit satten 200 Millionen Euro gefördert wird und hinter der | |
sich IT-Riesen wie SAP, Siemens und, nach dem Debakel mit dem Bochumer | |
Handy-Werk erstaunlicherweise auch Nokia verbergen, interessieren | |
Otto-Normal-Nutzer wenig. Zumal sich deren eventuelle praktische | |
Auswirkungen wohl noch Jahre lang nicht spüren lassen werden, selbst wenn | |
das Dreiergespann in Darmstadt ein prototypisches | |
"Anti-Produktfälscher-Werkzeug" auf Theseus-Basis vorstellte, mit dem im | |
Netz nach Billigkopien von Markenprodukten gefahndet werden soll. | |
Spannender war da schon das, was der aufgrund diverser Datenschutzskandale | |
angezählte Telekom-Boss Rene Obermann zu berichten hatte: Er kündigte einen | |
besseren Ausbau der Breitbandinfrastruktur in schlechter besiedelten | |
Gebieten an. Dabei will er allerdings auf staatliche Unterstützung nicht | |
verzichten, schließlich mache seine Firma damit womöglich Verluste. 40 bis | |
50 Milliarden Euro seien insgesamt vonnöten, um "die Datenautobahn des 21. | |
Jahrhunderts" zu errichten, die auch per Funk ins Haus komme. Solche | |
Investitionen seien aber nur möglich, wenn die Risiken berechenbar blieben | |
und Konzerne wie der seine damit Geld verdienen könnten. Dass Obermann sich | |
damit in bestimmten Bereichen neue Monopole zu wünschen scheint, war in | |
Darmstadt ein offenes Geheimnis. Direkte staatliche Hilfen im Sinne des | |
Bankenschutzschirms will die in voller Mannstärke beim IT-Gipfel | |
angetretene deutsche Software- und Telekommunikationslandschaft derzeit | |
aber noch nicht. August-Wilhelm Scheer, Chef des Branchenverbandes Bitkom | |
sieht darin keine Notwendigkeit - trotz erwarteten Umsatzrückgängen und | |
ersten Auswirkungen der Kreditkrise. Der IT-Gipfel zeige, "dass | |
intelligente Hochtechnologieprojekte auch in konjunkturell schwierigen | |
Zeiten die Gesamtwirtschaft nach vorne bringen" könnten. Die Veranstaltung | |
sei ein hervorragendes Beispiel für eine funktionierende Zusammenarbeit | |
zwischen Wirtschaft und der Politik. Mehr Geld für Infrastrukturprojekte | |
will der Bitkom-Chef aber dennoch sehen. Dazu zählen unter anderem mehrere | |
Milliarden schwere Vorhaben, die staatliche Verwaltung, den | |
Gesundheitssektor, Bildungseinrichtungen und die Exekutivorgane technisch | |
endlich auf den neuesten Stand zu holen. Fragt sich nur, wie weit das Land | |
damit kommen wird: Vorhaben wie der elektronische Ausweis, digitaler Funk | |
bei der Polizei oder die umstrittene E-Gesundheitskarte gelten als äußerst | |
schwierig und sind im Zeitplan teilweise deutlich zurück. Auch der Prozess | |
des Austauschs zwischen Politik und IT-Wirtschaft, der mit dem Gipfel | |
angestoßen wurde, ist keineswegs in Stein gemeißelt. So gilt | |
Bundeskanzlerin Angela Merkel als eine der Hauptinitiatoren. Doch im | |
nächsten Herbst sind Wahlen - und was danach kommt, weiß noch niemand. | |
Immerhin waren in Darmstädt auch Politiker aus der Opposition vor Ort. | |
21 Nov 2008 | |
## AUTOREN | |
Ben Schwan | |
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