| # taz.de -- Textilproduktion für KiK und Lidl: Ein Kodex allein reicht nicht | |
| > Discounter wie Lidl haben für ihre Textillieferanten Regeln aufgestellt, | |
| > garantieren aber nicht, dass die Standards auch eingehalten werden. | |
| > Ergebnis: Überstunden und Hungerlöhne. | |
| Bild: Viele Discounter sind Vorreiter im Preisdrücken, heißt es von der "Kamp… | |
| Arbeiten von morgens bis spät abends, keine Zeit für die Toilette, kein | |
| Schutz vor Staub und dazu noch schlecht bezahlt: So sieht der Alltag von | |
| Suma Sarker aus. Die 24-jährige Näherin aus Bangladesh reist derzeit durch | |
| Deutschland, um über die Arbeitsbedingungen in der Bekleidungsindustrie zu | |
| berichten. Eingeladen hat sie die Kampagne für saubere Kleidung, die von | |
| mehreren Entwicklungsorganisationen und Gewerkschaften getragen wird. | |
| Sarker erhält als Lohn umgerechnet 50 Euro im Monat. Und das auch nur, weil | |
| sie viele Überstunden macht. Der normale Arbeitstag beginnt um acht und | |
| endet um 17 Uhr, sieben Tage die Woche. Zwei Überstunden sind gesetzlich | |
| erlaubt, dafür erhält sie keinen zusätzlichen Lohn. Meist arbeite sie aber | |
| bis 22 Uhr, manchmal sogar die Nacht durch, berichtet sie. Erst dadurch | |
| verdient sie so viel, dass sie über die Runden kommt. Zusammen mit ihren | |
| beiden Geschwistern hat sie sich ein Zimmer in Dhaka gemietet. Ihren | |
| zweijährigen Sohn hat sie zu ihrer Mutter gegeben, für ihn findet sie nur | |
| zwei- bis dreimal im Jahr Zeit. | |
| Sarker ist kein Einzelfall: In ihrer Fabrik arbeiten 1.500 Menschen, in | |
| ganz Bangladesh sind 2,5 Millionen Arbeiter in der Textilindustrie | |
| beschäftigt, 85 Prozent davon Frauen. Seit 2006 liegt der gesetzliche | |
| Mindestlohn umgerechnet bei etwa 20 Euro. | |
| Für Gisela Burckhardt von der Kampagne für saubere Kleidung ist das ein | |
| "Hungerlohn". Die Arbeitenden bräuchten mindestens das Dreifache, gerade | |
| angesichts steigender Nahrungsmittelpreise. "Die Frauen können nur | |
| überleben, wenn sie massiv Überstunden machen." | |
| Schuld daran seien die großen Discounter. "Die sind Vorreiter im | |
| Preisdrücken", sagt Burckhardt. Sie hätten die Möglichkeit, "Lieferanten | |
| auszupressen", und das führe dann dazu, dass die Zulieferbetriebe den | |
| Arbeiterinnen nur Niedriglöhne zahlen. | |
| In der Kritik stehen nun Lidl und KiK. Eine Studie der Kampagne für saubere | |
| Kleidung belegt, dass in ihren Zulieferbetrieben unbezahlte Überstunden und | |
| Niedriglöhne an der Tagesordnung sind, gewerkschaftliche Organisierung ist | |
| verboten. Dabei sind beide Discounter um ihr öffentliches Ansehen bemüht | |
| und haben sich Verhaltensregeln gegeben. | |
| Bei Lidl etwa sei "der gar nicht mal so schlecht", gibt auch Burckhardt zu. | |
| Es bleibe aber bei punktuellen Maßnahmen und guten Absichten. Lidl selbst | |
| räumt ein, dass man "keine Garantie für die vollständige Einhaltung aller | |
| Sozialstandards geben" könne. | |
| Das gilt besonders für das Recht der Arbeiter, sich in einer Gewerkschaft | |
| zusammenzuschließen: Das werde von vielen Unternehmen in der Praxis | |
| ignoriert, sagt Shahida Sarker, Vorsitzende der Gewerkschaft NGWF, die zu | |
| den größten des Landes gehört. In Bangladesh gebe es nur in 31 der 4.500 | |
| Fabriken einen Betriebsrat. Interessenvertretung der Arbeiter sei nicht | |
| gerne gesehen, viele Gewerkschafter müssten um ihren Job fürchten. "Die | |
| Arbeitgeber versuchen, die Leute zu entlassen." | |
| Für Burckhardt ist das ein Beleg dafür, dass die freiwilligen | |
| Selbstverpflichtungen der Konzerne "das Papier nicht wert sind, auf dem sie | |
| stehen". Sie fordert staatliche Maßnahmen: Als erster Schritt solle | |
| gesetzlich vorgeschrieben werden, dass Unternehmen jedes Jahr einen Bericht | |
| veröffentlichen, in dem sie "darstellen, wie sie die Belange der | |
| Beschäftigten, Verbraucher/innen und anderer Betroffenen beachten". | |
| Vorstellbar sei auch, dass Unternehmen für Arbeitsrechtsverletzungen in | |
| Bangladesh in Deutschland verklagt würden. Ob das allerdings auch | |
| juristisch möglich ist, werde noch geprüft. | |
| 25 Nov 2008 | |
| ## AUTOREN | |
| Felix Werdermann | |
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