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# taz.de -- Studie zur Fremdenfeindlichkeit: Bayern antisemitischer als der Ost…
> Eine Studie belegt, dass es in manchen Westbundesländern ähnlich viel
> Ausländerfeindlichkeit gibt wie in einigen ostdeutschen Regionen.
Bild: Viele Bayern fürchten sich vor Überfremdung und Ausnutzung durch Auslä…
BERLIN taz Rechtsextreme Ressentiments nehmen in Deutschland ab. Das
belegen die Leipziger Forscher Oliver Decker und Elmar Brähler in der neuen
Studie "Der Blick in die Mitte". Sie stellen eine "kontinuierliche Abnahme
der Zustimmung" bei ausländerfeindlichen oder nationalistischen Positionen
fest. "Es gibt aber keinen Grund für Entwarnung", sagte Decker bei der
Vorstellung der Studie am Donnerstag in Berlin.
Denn das Bild, welches die beiden Wissenschaftler in der neuen
Rechtsextremismus-Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) zeigen, ist
äußerst vielschichtig. Die Zahlen belegen, dass es in manchen wohlhabenden
Westbundesländern ähnlich viel Ausländerfeindlichkeit und Antisemitismus
gibt wie in einigen ostdeutschen Regionen. Dabei stechen Baden-Württemberg
und Bayern besonders hervor. Außerdem nehmen antisemitische Einstellungen
in Ostdeutschland leicht zu. Und die Abnahme ausländerfeindlicher
Einstellungen ist vor allem einem Rückgang im Westen geschuldet.
Rund 32 Prozent der Befragten in Ost und West stimmen zu, dass die
Bundesrepublik durch die vermeintlich vielen Ausländer "in einem
gefährlichem Maß überfremdet" sei. Mit 40,8 Prozent sind Arbeitslose am
häufigsten Befürworter ausländerfeindlicher Aussagen. Diese Werte
korrespondieren mit den 29,9 Prozent der Befragten, die denken, dass, wenn
Arbeitsplätze knapp werden, die "Ausländer wieder in ihre Heimat"
zurückgeschickt werden sollen. Im Osten ist die Zustimmung zu
ausländerfeindlichen Positionen höher, im Westen ernten antisemitische
Aussagen eine höhere Zustimmung. "32,6 Prozent der ostdeutschen Bevölkerung
zeigen ausländerfeindliche Einstellungen. Das ist beinah doppelt so viel
wie in Westdeutschland", sagte Decker. Im Westen denken indes 18,5 Prozent,
dass "auch heute noch der Einfluss der Juden zu groß" sei, im Osten stimmen
dem 15,4 Prozent zu. Dass "die Juden" mehr mit üblen Tricks arbeiten als
andere Menschen, glauben im Westen 15,4 Prozent, 2,2 Prozentpunkte mehr als
im Osten. Auffallend ist auch, dass Bildung einer der Hauptfaktoren für
rechtsextreme Einstellungen ist. Knapp 23 Prozent ohne Abitur neigen zu
Ausländerfeindlichkeit, bei den Abiturienten sind es nur 9,8 Prozent. Für
manchen überraschend dürfte sein, dass Rechtsextremismus kein alleiniges
Jugendproblem ist. Denn die meiste Zustimmung ernteten rechtsextreme
Positionen bei den Alten. So zeigten sich 26,3 Prozent der Interviewten
über 60 Jahre offen antisemitisch, bei den 14- bis 30-Jährigen waren dies
gut 10 Prozentpunkte weniger.
Die Leipziger Wissenschaftler konnten Forschungsergebnisse von 2002 bis
2008 vergleichen, weil die aktuelle Studie bereits die dritte Erhebung der
Friedrich-Ebert-Stiftung zum Thema rechtsextremistische Einstellungen ist.
Für die aktuelle repräsentative Erhebung wurden 2.524 Personen im Alter von
14 bis 91 Jahren befragt. In persönlichen Interviews mussten sie dazu
Stellung nehmen, ob "die Ausländer kommen", um "unseren Sozialstaat
auszunutzen".
Dadurch lässt sich im Zeitvergleich beispielsweise feststellen, dass 8,6
Prozent der Befragten im Jahr 2006 eine manifeste rechtsextreme Einstellung
hatten, heute sind es mit 7,6 Prozent etwas weniger. Im Westen waren das
vor zwei Jahren 9,1 der Befragten, im Osten 6,6 Prozent. Nun ist im Westen
der Wert auf 7,5 Prozent gesunken, im Osten dagegen auf 7,9 Prozent
gestiegen.
"Das macht Westdeutschland aber nicht zu einer Insel der Glückseligen",
sagte Brähler. Der Sozialwissenschaftler warnt vor reinen
Ost-West-Vergleichen", denn so könnte verdeckt werden, "dass auch einzelne
Bundesländer einen sehr hohen Anteil an Ausländerfeindlichkeit oder
Antisemitismus haben". Durch vier von ihnen schon durchgeführte
Untersuchungen habe sie eine starke empirische Datenbasis geschaffen,
insgesamt können sie auf eine Stichprobengröße von 11.662 Personen
zurückgreifen.
Ihre Zahlen sind überraschend. So hat Bayern mit 16,6 Prozent den höchsten
Anteil an Antisemiten, gefolgt von Baden-Württemberg mit 13,3 Prozent und
knapp vor Thüringen mit 12,9 Prozent. Gleichauf liegen Baden-Württemberg
und Mecklenburg-Vorpommern bei der Zustimmung für die Verharmlosung des
Nationalsozialismus, gefolgt von Schleswig-Holstein.
Und ausländerfeindliche Ressentiments sind in Bayern und Sachsen-Anhalt
offenbar fast gleich stark verbreitet. Mit 39,1 Prozent liegt der Freistaat
knapp hinter dem Ostland, 39,3 Prozent. Brähler und Decker bezeichneten
dieses Phänomen als "Südwest-Problem".
Einfache Erklärungsmuster haben die Sozialwissenschaftler nicht. Bayern und
Baden-Württemberg deuten für sie an, wie notwendig auch die
Berücksichtigung der "regional sehr unterschiedlichen Geschichtsmilieus und
Demokratieverständnisse" für die Einschätzung ist. Die unterschiedlichen
Dimensionen in den Bundesländern müssten genutzt werden, um zugeschnittene
Ansätze zur Bekämpfung des Rechtsextremismus zu entwickeln. Brähler
befürchtete bei der Studie eine Verzerrung: "Wir fragten vor der
Bankenkrise."
27 Nov 2008
## AUTOREN
D. Schulz
A. Speit
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