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# taz.de -- Folge der Anschlagsserie in Bombay: Indiens Regierung verliert Vert…
> Die von der Kongresspartei geführte Regierung in Delhi büßt nach dem
> Terrorangriff an Popularität ein. Warnungen hatte sie missachtet.
Bild: Kerzen für die Opfer: Bombay nach der Anschlagsserie.
Nach dem schweren Terrorangriff von Bombay nimmt in der indischen
Öffentlichkeit die Wut auf die Politiker des Landes zu. Nach dem Rücktritt
von Innenminister Shivraj Patil am Sonntag hat nun auch der
Ministerpräsident des Bundesstaates Maharashtra, in dem Bombay liegt,
Vilasrao Deshmukh, seinen Rücktritt angeboten. Sein Stellvertreter R. R.
Patil legte sein Amt bereits nieder.
Von allen Seiten prasselt auf die verantwortlichen Politiker und die
Vertreter von Sicherheitsbehörden Kritik ein. Die häufigsten Anklagepunkte
lauten: Wie konnten so wenige Attentäter so einfach in die Stadt eindringen
und ein derartiges Blutbad anrichten? Wie konnten sie übers Meer von
Pakistan aus bis nach Bombay gelangen, ohne aufgehalten zu werden? Wo waren
die Geheimdienste? Zudem sind viele Menschen beunruhigt, weil noch nicht
klar ist, ob wirklich alle Attentäter gestellt wurden oder ob sich nicht
sogar manche absetzen konnten.
Dabei war den Geheimdiensten offenbar bekannt, dass die Terrorgruppe
Lashkar-e-Toiba (LeT) ein Attentat auf Fünfsternehotels in Bombay plante.
Bereits in Februar habe die Polizei ein Mitglieder der LeT enttarnt und
festgenommen, berichtete die Hindustan Times am Montag. Fahim Ahmad Ansai
habe das Taj Mahal-Hotel und das Oberoi-Trident, die beiden angegriffenen
Hotels, ausführlich inspiziert und die Grundrisse an einen LeT-Führer in
Pakistan geschickt.
Auch Ratan Tata, Chef des riesigen Tata-Mischkonzerns und Besitzer des
Taj-Mahal-Hotels, bestätigte, er sei vor Anschlägen gewarnt worden. Bereits
im August habe es Warnungen vor einem Anschlag gegeben, sagte Tata. Doch
dann sei nichts passiert. Die Polizei habe die Sicherheitsvorkehrungen, die
ohnehin nur dem Haupteingang galten, kurz vor dem Angriff wieder
heruntergefahren. Die Attentäter seien dann ohnehin durch den Hintereingang
gekommen.
Diese Erkenntnisse und der Eindruck, auf den Terrorangriff sei insgesamt
schlecht reagiert worden, hat die regierende Kongresspartei in ein
Popularitätstief gestürzt. Laut einer Umfrage der Hindustan Times glauben
86 Prozent der Befragten, der Angriff habe verhindert werden können. Fast
genauso viele gaben an, die Regierung unternehme zu wenig gegen
Terrorismus. Auf die Frage, ob Indien entschlossenere Politiker brauche,
antworteten 85 Prozent mit Ja.
Als Konsequenz der Anschläge dürfte die hindunationalistische Volkspartei
(BJP) an Einfluss gewinnen. Derzeit laufen in mehreren Bundesstaaten
Wahlen. 2008 wird spätestens im Mai ein neues Zentralparlament gewählt. Die
Agenda der Hinduextremisten ist seit jeher: eine starke Hindu-Nation zu
schaffen und die Muslime des Landes strenger zu überwachen. Dabei waren es
Anhänger der BJP und ideologisch nahestehender Organisationen, die einen
Teil der jungen indischen Muslime radikalisierten. Mehrfach verübten
Aktivisten aus dem Umfeld der BJP Pogrome gegen Muslime mit tausenden
Toten. Nur die wenigsten Täter wurden je bestraft.
Unterdessen bleibt die Lage zwischen Delhi und Islamabad gespannt, nachdem
indische Vertreter Pakistan Verbindungen zu den Tätern vorgeworfen hatten.
Pakistans Außenminister Shah Mehmood Qureshi forderte Delhi auf, gemeinsam
nach den Tätern zu suchen, sollten die Beweise ergeben, dass die Anschläge
tatsächlich in Pakistan geplant worden seien. Zugleich betonte er erneut,
seine Regierung sei in die Anschläge nicht involviert und wies die
Anschuldigungen aus Delhi zurück.
US-Außenministerin Condoleezza Rice forderte Pakistan auf, bei der
Aufklärung mit Indien zusammenzuarbeiten. Es müsse von Seiten Islamabads
"vollständige Transparenz" geben. Rice wird am Mittwoch zu einem
kurzfristig angesetzten Besuch in Delhi erwartet.
Die USA versuchen derzeit alles, um zu verhindern, dass die Spannungen
zwischen Indien und Pakistan in eine offene Konfrontation münden. Denn dann
hat Pakistan angekündigt, es werde Truppen aus dem umkämpften Nordwesten
des Landes abziehen, was Druck von den dortigen Islamistenmilizen nehmen
würde.
Doch die Sorge vor einem militärischen Konflikt ist unbegründet. Denn
sowohl die indische wie die pakistanische Regierung zeigen sich derzeit nur
deshalb unversöhnlich, um innenpolitisch nicht das Gesicht zu verlieren.
Delhi geht rhetorisch in die Offensive, um den Vorwurf der Untätigkeit
abzustreifen. Pakistans demokratisch gewählte, Indien-freundlich
eingestellte Regierung muss Härte zeigen, um keinen Aufstand der alten
politischen Elite und der Armeeführung zu riskieren.
1 Dec 2008
## AUTOREN
Sascha Zastiral
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