# taz.de -- Porträt Carolyn Christov-Bakargiev: Das neue Gesicht der Documenta | |
> Carolyn Christov-Bakargiev leitet die nächste Documenta 2012 in Kassel. | |
> Zuvor hat sie am P.S.1 in New York, am Castello di Rivoli in Turin und in | |
> Sidney gewirkt. | |
Bild: Ist international gut bekannt: Carolyn Christov-Bakargiev. | |
Hoch oben im Dachstuhl des Castello di Rivoli, ein unvollendeter Palast aus | |
dem 18. Jahrhundert und Sitz des Turiner Gegenwartsmuseums, blickt man auf | |
einen Spruch in riesigen Lettern. Er handelt davon, dass man Menschen nur | |
dann an eine Wahrheit glauben macht, wenn sie der Suggestion erliegen, es | |
sei ihre eigene Wahrheit. | |
Carolyn Christov-Bakargiev, Chefkuratorin des Rivoli seit 2002, hat ihre | |
Ausstellungen in diesem Sinne "als eine Art Köder" konzipiert. Sie will so | |
die Diskussion über Kunst befördern und alles andere zurückdrängen - was | |
das Werk kostet, ob es neu oder alt ist oder wie oft der Künstler bei | |
Mega-Ausstellungen gastiert. Dazu hat die 1958 in New Yersey geborene | |
US-Amerikanerin, nun die Gelegenheit ihres Kuratoren-Lebens: Am Mittwoch | |
wurde sie zur neuen Leiterin der 13. Documenta 2012 in Kassel ernannt. | |
Im Gegensatz zu ihrem Vorgänger Roger M. Buergel, der wenig Erfahrung | |
mitbrachte, ist Christov-Bakargiev international gut bekannt. In New York | |
ist ihr Name mit einer der erfolgreichsten Grossaustellungen der letzten | |
Jahre verbunden: "Greater New York" forderte 2000 im P.S.1 wirksam die | |
traditionelle Whitney Biennale heraus. | |
Christov-Bakargiev gehörte zusammen mit dem Erfinder der Berlin-Biennale, | |
Klaus Biesenbach, zum Kuratorenteam. Dass sie eine Mega-Schau aus eigener | |
Kraft stemmen kann, stellte sie diesen Sommer als künstlerische Direktorin | |
der Sydney Biennale unter Beweis. Nicht weniger als 180 Künstler | |
präsentierte die studierte Kunsthistorikerin, an Orten wie einer früheren | |
Gefängnisinsel und auch im Internet. | |
Die Künstlerliste aus Sydney enthielt viele Klassiker des 20. Jahrhunderts | |
wie John Cage, Hans Bellmer, Man Ray, Jean Tinguely und Josef Beuys. Das | |
heißt nicht, dass Christov-Bakargiev aktuelle Gegenwartskunst nicht | |
schätzt. Sie trug zur Durchsetzung von William Kentridge, Jane Cardiff, | |
Francis Als oder Pierre Huyghe bei. Doch Christov-Bakargiev ist eben auch | |
eine Spezialistin für die Kunst der 60er Jahre. Sie hat einen Band über die | |
italienische "Arte Povera"-Bewegung veröffentlicht und kuratierte für die | |
Venedig-Biennale 1993 eine Hommage an John Cage. | |
Den Kult um das Neue, nur weil es neu ist, hält sie jedoch für einen | |
Fehlentwicklung. Die Besucher würden dadurch in die Mentalität von | |
Kaufhauskunden versetzt. In Sydney hatte sie daher zunächst überlegt, das | |
Entstehungsjahr der Arbeit gar nicht mit anzugeben. Radikal war auch der | |
Gesamtanspruch der Ausstellung: "Revolutions - Forms that turn". Das klingt | |
nach Bürgels eher zäher "Migration der Formen" doch verheißungsvoller. | |
3 Dec 2008 | |
## AUTOREN | |
Henrike Thomsen | |
## TAGS | |
Athen | |
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