# taz.de -- Autonome im Vergleich: Die Griechen kommen! | |
> Was Sparta für Hellas war, das sind die Griechen für die autonome Szene: | |
> spaßfreie, militante Superstars. Ein Porträt. | |
Bild: "Geil, die Griechen kommen!" | |
Von Rang, von wirklich internationalem Rang ist ein Protest gegen | |
Kapitalismus, Neoliberalismus und all das nur, wenn Manu Chao, Bono Vox | |
oder zumindest Bob Geldof den Soundtrack liefern. Als Redner braucht es | |
schon einen Toni Negri, einen Walden Bello oder wenigstens eine Susan | |
George. Und der anschließende Krawall verspricht nur dann das Niveau einer | |
Prügelei auf einem Schützenfest im Mecklenburgischen zu übertreffen, wenn | |
ein paar Militante aus Griechenland mitmischen. | |
Längst sind sie, die Autonomen aus Athen oder Thessaloniki, die Superstars | |
der internationalen autonomen Szene - oder dessen, was von ihr übrig | |
geblieben ist. Auch die Sicherheitskräfte in Europa fürchten ihre | |
Schlagkraft. Nicht umsonst verweigerten beim G-8-Gipfel 2001 in Genua | |
italienische Carabinieri im Hafen von Ancona 200 griechischen Anarchisten | |
die Einreise - unnötig zu sagen, dass dies dem Hafen nicht zum Vorteil | |
gereichte. Jene, die dennoch ins Land gelangten, taten alles, um ihren | |
guten Ruf zu wahren. | |
"Geil, die Griechen kommen!", flüsterten sich denn auch deutsche Autonome, | |
die nur noch in seltenen Sternstunden eine Einsatzhundertschaft richtig ins | |
Schwitzen bringen, vor den Protesten gegen den G-8-Gipfel in Heiligendamm | |
im Sommer vorigen Jahres aufgeregt zu. "Die Griechen kommen", das war | |
Versprechen, fast Verheißung. Die Verheißung, es nicht beim Labern und | |
Latschen zu belassen, sondern die antagonistische Radikalität der Kritik an | |
den Verhältnissen zum Ausdruck zu bringen. Oder, sportlich formuliert: es | |
richtig krachen zu lassen. | |
Die angereisten 50 Griechen waren hinterher übrigens überrascht darüber, | |
dass die Polizei nach Belieben in die Menge einmarschieren und problemlos | |
Festnahmen machen konnte. "Bei uns hätten sie sich das nicht getraut", gab | |
einer zu Protokoll. | |
Wer griechische Anarchisten (oder andere ihrer organisierten linksradikalen | |
Landsleute) einmal bei der Arbeit zugesehen hat, wird nicht umhinkommen, | |
ihnen Know-how und Professionalität zu attestieren - selbst wenn | |
linksradikale Politpuristen sich ab und an über den "Militanzfetisch" | |
beschweren. Aber ein Automechaniker muss sich nicht mit dem Pessimismus bei | |
Schopenhauer beschäftigen, und dem Philosophen kann der Unterschied | |
zwischen Kupplung und Bremspedal egal sein. Arbeitsteilung ist, wenn ein | |
jeder seinen Job erledigt. | |
Dabei sind griechische Anarchisten sympathische Zeitgenossen. Lange Zeit | |
sah für sie ein typisches Jahr etwa in Thessaloniki ungefähr so aus: Am 17. | |
November, dem Jahrestag des Aufstands an der Polytechnischen Universität, | |
versammelt man sich auf dem Aristotelesplatz in der Innenstadt. Die | |
Kundgebung ist gestattet, die Demonstration nicht. So kommt es, wie es | |
kommen muss: zu Auseinandersetzungen mit der Polizei. Irgendwann ziehen | |
sich die Demonstranten auf das Universitätsgelände zurück, meist in die | |
nahe gelegene Theologische Fakultät, und verbarrikadieren sich dort. Die | |
Polizei darf nicht einschreiten, denn als Zugeständnis an die Rolle der | |
Studenten beim Kampf gegen die Militärjunta macht das "akademische Asyl" | |
einen Polizeieinsatz auf dem Universitätsgelände praktisch unmöglich. | |
Nach ein paar Tagen vereinbart man freies Geleit und verbringt den Rest des | |
Jahres in den Tavernen der Stadt und plaudert über den letzten und den | |
nächsten 17. November. Und vielleicht ergibt sich irgendein Anlass, eine | |
Hochschulreform oder ein neues Rentengesetz, der einen Krawall | |
zwischendurch erfordert. | |
Da wird der deutsche Autonome neidisch. Denn feste Demotermine kennt er | |
auch, aber mit Mezes, Ouzo und Taverne weiß er nichts anzufangen. | |
9 Dec 2008 | |
## AUTOREN | |
Deniz Yücel | |
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Griechenland | |
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