# taz.de -- Herero fordern Schädel zurück: Berliner Charité untersucht noch | |
> Am 11. Dezember 1904 war erstmals von "Konzentrationslagern" in | |
> Deutsch-Südwestafrika die Rede. Leichenpräparate der dort gestorbenen | |
> Herero und Nama sind noch in Deutschland. | |
Bild: Hereros erinnern an die Verbrechen der deutschen Truppen 1904 bis 1908 in… | |
"Innerhalb der Deutschen Grenzen wird jeder Herero mit und ohne Gewehr … | |
erschossen." Mit dem "Vernichtungsbefehl" des Generals Lothar von Trotha | |
vom 2. Oktober 1904 begann der erste Völkermord des 20. Jahrhunderts. In | |
den Jahren von 1904 bis 1908 fielen zehntausende Herero und Nama Krieg, | |
Vertreibung und den Bedingungen in den deutschen Internierungslagern zum | |
Opfer. | |
Die wachsende Zahl deutscher Siedler, erzwungene Landräumungen und | |
Enteignungen sowie die Rassenpolitik der deutschen Kolonialregierung | |
führten im Januar 1904 zum Aufstand der Herero unter Führung ihres | |
Häuptlings Samuel Maharero. Die Nama schlossen sich den Aufständischen im | |
Oktober 1904 an. Nach anfänglichen Erfolgen wurde die Streitmacht der | |
Herero am 11. August 1904 in der Schlacht am Waterberg durch die deutschen | |
Schutztruppen geschlagen, die Überlebenden in die an den Waterberg | |
angrenzende Omaheke-Wüste getrieben. Tausende Hereros wurden erschossen | |
oder fanden den Tod durch Verdursten und Entkräftung beim Versuch, das | |
jenseits der Wüste liegende britische Gebiet zu erreichen. General von | |
Trotha hatte seinen Truppen befohlen, sämtliche Fluchtwege abzuschneiden | |
und die Wasserstellen zu besetzen. Auf die unmenschlichen Befehle von | |
Trothas reagierte die Öffentlichkeit in Deutschland, in erster Linie die | |
Sozialdemokraten sowie Vertreter christlicher Verbände, mit Entsetzen. | |
August Bebel prangerte den General an: "Einen derartigen Krieg wie Herr von | |
Trotha kann jeder Metzgerknecht führen." Der General hatte sich bereits | |
1896 als verantwortlicher Kommandeur bei der Niederschlagung der | |
Wahehe-Rebellion in Deutsch-Ostafrika und als Brigadekommandeur während des | |
Boxeraufstandes einen Ruf als erbarmungsloser, ja grausamer Militär | |
erworben. Einer seiner Offiziere war Paul von Lettow-Vorbeck, der später | |
als "Held" von Deutsch-Ostafrika Berühmtheit erlangen sollte. | |
Lettow-Vorbeck, zuerst Adjutant im Generalsstab, war später als | |
Kompaniechef bei der Niederschlagung des Herero-Aufstandes eingesetzt. Vier | |
Bundeswehrkasernen trugen und tragen den Namen des späteren Generals von | |
Lettow-Vorbeck, der wegen seiner Teilnahme am Kapp-Putsch vor ein | |
Kriegsgericht gestellt und aus dem aktiven Militärdienst entlassen wurde. | |
Nach der fast vollständigen Vernichtung der Herero-Streitmacht setzten die | |
Nama ihren Widerstand mit einem bis 1908 andauernden Guerillakrieg fort, | |
der mehr als der Hälfte ihres Volkes das Leben kosten sollte. Der größere | |
Teil der Überlebenden, etwa 21.000 Herero und mehrere tausend Nama, wurden | |
von den Deutschen in Gefangenenlager interniert. Reichskanzler Bernhard | |
Fürst von Bülow verwendete für diese Lager am 11. Dezember 1904 erstmals | |
offiziell die Bezeichnung "Konzentrationslager". Mehr als die Hälfte der | |
Lagerinsassen starb an den Folgen von Zwangsarbeit und unmenschlichen | |
Haftbedingungen. Eines der grausamsten Details dieses Vernichtungskrieges | |
waren die von Eugen Fischer betriebenen Studien an Leichenteilen, auch an | |
Schädeln der Opfer. | |
Damit sollte die "Überlegenheit der deutschen Rasse über afrikanische | |
Rassen" bewiesen werden. Im Jahre 1906 wurden an 778 Schädeln, auch an dem | |
des Nama-Häuptlings Cornelius Frederiks, Untersuchungen durchgeführt. | |
Weibliche Gefangene wurden gezwungen, die Schädel mit Glasscherben | |
abzuschaben, um für Versuchs- und Dekorationszwecke geeignete Stücke zu | |
erhalten, die Eugen Fischer im Anschluss deutschen Museen und Universitäten | |
zur Verfügung stellte. Auch heute befinden sich noch 47 Schädel aus dieser | |
"Sammlung" im Uniklinikum Charité in Berlin und weitere im Archiv der | |
Universität Freiburg. | |
Vernichtungskrieg und Rasse-Studien sind nicht nur Details des Völkermordes | |
an den Herero und Nama, sie sind Folge der spätestens seit der zweiten | |
Hälfte des 19. Jahrhunderts in weiten Teilen der deutschen Bevölkerung | |
verbreiteten Ideologie von der Überlegenheit der deutschen Rasse. So stieß | |
die von den deutschen Kolonialtruppen praktizierte Ausrottungspolitik, aber | |
auch der seit je gegen den Kriegsbrauch verstoßende Exzess der Abtrennung | |
von Leichenteilen in Deutschland auf wenig Widerstand. | |
Vor dem Hintergrund dieses verbrecherischen Abschnitts deutscher | |
Kolonialgeschichte dürften der von Herero und Nama geforderten Rückgabe der | |
Schädel eigentlich keine Hindernisse im Weg stehen. Doch man höre: die | |
Charité entschuldigt sich damit, dass die Untersuchungen an den Schädeln | |
noch nicht abgeschlossen seien, man die Präparate dann jedoch für eine | |
ehrenvolle Bestattung zurückgeben werde. Es kommt noch besser: das Archiv | |
der Universität Freiburg verteidigt die Sammlung von Schädel und Knochen | |
gar als "Kulturgut". | |
Angesichts eines derart unsensiblen Umgangs mit den Gefühlen der Nachkommen | |
der Opfer sollte man die Frage nach einer längst fälligen Wiedergutmachung | |
besser nicht stellen. Immerhin hatte die Bundesentwicklungsministerin | |
Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) anlässlich der Gedenkfeiern zum 100. | |
Jahrestag der Schlacht am Waterberg im Jahre 2004 das Massaker an den | |
Herero als Völkermord bezeichnet und sich für die von Deutschen begangenen | |
Verbrechen entschuldigt. Die Anerkennung des Unrechts den Nachkommen der | |
Opfer gegenüber scheint jedoch in weiter Ferne zu liegen. Denn daraus | |
könnten nach geltendem Völkerrecht Ansprüche auf Wiedergutmachung | |
abgeleitet werden. So wurde Ende Juni im Bundestag ein Antrag der | |
Linksfraktion abgelehnt, in der die Linke für eine Wiedergutmachung der | |
deutschen Kolonialverbrechen plädierte. | |
Niemanden freilich stört es, dass auf dem Garnisonsfriedhof am Columbiadamm | |
in Berlin ein Denkmal für die in den Überseegebieten, etwa auch in | |
Deutsch-Südwestafrika, gefallenen deutschen Soldaten steht; am | |
Volkstrauertag finden dort Treffen rechtsgerichteter Gruppierungen statt. | |
9 Dec 2008 | |
## AUTOREN | |
Michael Berger | |
## ARTIKEL ZUM THEMA |