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# taz.de -- Aus dem arabischen Knigge: Wenn Schuhe auf Bush fliegen
> Beim Abschiedsbesuch des US-Präsidenten in Bagdad bewirft ihn ein
> irakischer Journalist mit seinen Schuhen. Das ist in der Region eine
> ultimative Erniedrigung.
Bild: Kommt ein Schühlein geflogen...: Jubelnde Iraker freuen sich über das S…
Am Ende wurde das arabische seelische Gleichgewicht durch einen
symbolischen Akt wieder hergestellt. Seit Sonntagabend gibt es in der
arabischen Welt kein anderes Thema mehr, als die Szene auf einer
Pressekonferenz in Bagdad, als ein irakischer Journalist seine beiden
Schuhe auf US-Präsidenten George W. Bush schleuderte. Der scheidende
US-Oberbefehlshaber hatte den Reportern erklärt, dass der Krieg im Irak
zwar noch nicht vorbei sei, aber gerade entscheidend gewonnen werde, als
der irakische Fernsehjournalist Muntadar al-Zaidi zu seinen Füssen griff
und den ersten Schuh, begleitet von den Worten, "ein Abschiedgruß von den
irakischen Menschen, für dich, du Hund", in Richtung Bush warf, der sich
gerade noch reflexartig wegducken konnte. Der zweite folgte unter dem
Aufruf "und das ist für die Witwen, Waisen und alle, die im Irak getötet
wurden". Der neben Bush stehende irakische Premier Nuri Al-Maliki wollte
den Schuh noch abfangen, aber er ging ohnehin daneben. Wenige Sekunden
darauf wurde Zaidi von Sicherheitsleuten zu Boden gerungen.
"Alles was ich dazu sagen kann ist, der Mann hat die Schuhgröße 10",
erklärte Bush anschließend. "Das passiert eben in freien Gesellschaften,
wenn jemand Aufmerksamkeit erhaschen will," sagte er und verglich das Ganze
mit einer Veranstaltung, auf der man niedergeschrieen wird oder wo jemand
auftritt, "der nicht mit seinen fünf Finger auf einen zeigt". Bush ist das
Sinnbildliche der Aktion offensichtlich entgangen, nicht so dem arabischen
Publikum. In Amman wurde auf den Strassen getanzt, nachdem die Szene
wiederholt in den arabischen Nachrichtenkanälen ausgestrahlt wurde. In
Kairo bildeten sich hupende Autokorsos. Die Nachricht verbreitete per SMS
und Handy und der Schuhangriffs-Clip hatte auf dem Internet Video Portal
Youtube Hochkonjunktur.
Denn mit der Sohle eines Schuhs geschlagen oder getroffen zu werden, gilt
in der arabischen Kultur als die ultimative Erniedrigung. Eine Geste, die
nur für die ärgsten Gegner reserviert wird - eine Art arabisches Abwatschen
in aller Öffentlichkeit. In Kairo hatten in den 90er Jahren sogar mehrere
Frauen einmal eine "Beleidigungsagentur" gegründet. Man konnte die Truppe
von Umm Buqu, zu deutsch, "der Mutter mit der bösen Zunge" mieten, um seine
Gegner auf offen Strasse anzugehen und zu beleidigen. Ihr Spezialität:
Männer mit der Sohle ihrer Pantoffeln auf den Kopf zu schlagen.
Schon allein sich so hinzusetzten, dass die Fußsohlen auf das Gegenüber
zeigen, gilt nach dem arabischen Knigge als äußerst unschick. Weltweite
Berühmtheit erlangte die Gebärde des Einsatzes von Schuhsohlen, als Iraker
im April 2003 im Zentrum Bagdads ebenfalls vor den laufenden Kameras der
Welt eine gestürzte Saddam Statue mit ihren Schuhen in den Händen
traktierten. In arabischen Augen war der Schuhwurf gegen Bush also eine
starke Geste gegen den mächtigsten Mann der Welt, wenngleich dessen Tage an
im Amt gezählt sind.
Der Täter befindet sich derzeit in den Händen der Bewacher des irakischen
Ministerpräsidenten. Al-Zaidi werde befragt, ob er für den Angriff
beauftragt und bezahlt worden sei, erklärte ein nicht namentlich genannter
irakischer Regierungsbeamter. Außerdem wurde er auf den Konsum von Alkohol
oder Drogen getestet. Die Schuhe werden als Beweismittel einbehalten.
Al-Zaidi, Ende 20, arbeitet für die relativ unbekannte Fernsehstation
Al-Baghdadia, mit Sitz in Kairo. Seine dortigen Kollegen erklärten, der
schiitische Journalist sei vergangenes Jahr von schiitischen Milizen
entführt worden, wurde aber auf Intervention des Fernsehsenders wieder
freigelassen.
In ersten Reaktionen in der arabischen Welt wurde Al-Zaidi als Held
gefeiert. Mehr als hundert arabische Anwälte haben sich bereit erklärt, ihn
vor Gericht zu verteidigen. Die überregionale arabischen Tageszeitung
Al-Quds Al-Arabi kommentiert: "Es war ein passender Abschied für einen
Kriegsverbrecher." Bush war am Sonntag zu einer überraschenden
Abschiedsvisite in Bagdad eingetroffen - jenem Schauplatz also, der wie
kein anderer seit der US-Invasion 2003 seine Amtszeit und sein Image
weltweit maßgeblich prägte. Das Paar fliegender irakischer Schuhe war nun
wohl der visuelle Schlusspunkt der Ära Bush, der zumindest in die arabische
Geschichte eingehen wird.
16 Dec 2008
## AUTOREN
Karim Gawhary
Karim El-Gawhary
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