# taz.de -- Klimafreundlicheres Kohlekraftwerk in Brandenburg: Vattenfall sucht… | |
> Der Konzern Vattenfall hat als Pilotanlage ein Braunkohlekraftwerk ohne | |
> CO2-Ausstoß eröffnet. Das abgetrennte Kohlendioxid soll in Sachsen-Anhalt | |
> deponiert werden. Dort will man Geld für den Müll. | |
Bild: Bis jetzt pusten Kohlekraftwerke noch allerlei in die Luft. In Spremberg … | |
Auf einmal sind die Schlote verschwunden. Aus ihnen stieg Tag und Nacht | |
dichter Rauch. Nun funktioniert die Braunkohleverstromung ohne den Ausstoß | |
des Treibhausgases Kohlendioxid (CO2). So sieht das Wunschbild des | |
Energieversorgers Vattenfall aus. In 20 Jahren soll es Wirklichkeit werden. | |
Nun sind wieder einmal Zweifel laut geworden. | |
Dass die Visionen keine Träumereien sind, will Vattenfall mit einer nach | |
eigenen Angaben weltweit ersten Pilotanlage zur Abscheidung von | |
Kohlendioxid beweisen. Die Anlage, die im September im brandenburgischen | |
Spremberg eröffnet wurde, soll in diesem Monat mit voller Auslastung an das | |
Stromnetz angeschlossen werden. Das Minikraftwerk im Industriepark Schwarze | |
Pumpe hat dann eine Leistung von 30 Megawatt und kann rund 2.000 Haushalte | |
mit Strom versorgen. | |
In der Forschungsanlage wird das CO2 als Produkt der Braunkohleverbrennung | |
mit der Carbon Capture and Storage Technik (CCS) nicht in die Luft | |
geblasen, sondern mithilfe reinen Sauerstoffs im Oxyfuel-Verfahren | |
abgeschieden und unter Druck verflüssigt. Anschließend soll es mit | |
Tankwagen nach Salzwedel in Sachsen-Anhalt gefahren und dort unterirdisch | |
gespeichert werden. Die Abfallmengen sind mit 10 Tonnen CO2 pro Tag noch | |
übersichtlich. | |
Doch nun regt sich in Sachsen-Anhalt Widerstand. Der Magdeburger | |
Regierungschef Wolfgang Böhmer (CDU) hat zwar nichts Prinzipielles gegen | |
die Einlagerung in Salzwedel. "Aber wer einlagert, soll dafür auch zahlen", | |
lautet seine Devise. Der Sprecher des Magdeburger Wirtschaftsministeriums, | |
Rainer Lampe, sieht die Bedenken seines Hauses vor allem durch | |
unbeantwortete Haftungs- und Sicherheitsfragen begründet. Aber auch er gibt | |
zu, an einer Wertschöpfung im eigenen Bundesland interessiert zu sein. | |
"Schließlich nehmen wir ja auch deren Müll für ein paar Jahrhunderte auf." | |
Sachsen-Anhalt pokert also - und hofft darauf, dass Vattenfall keine | |
Ausweichstrategie hat. | |
Die Rechnung könnte aufgehen. Zwar hat das Geoforschungszentrum Potsdam | |
(GFZ) im Sommer in Ketzin bei Berlin bereits damit angefangen, Kohlendioxid | |
durch Bohrlöcher in die Erde zu injizieren. Dabei soll eine | |
Salzwasserlösung im tief liegenden porösen Sandstein den Klimakiller | |
aufnehmen, eine darüberliegende Tonschicht das Ganze abdichten. Bis 2010 | |
sollen so 60.000 Tonnen "sauberes" CO2 in 800 Meter Tiefe versenkt werden. | |
Sonden untersuchen währenddessen, wie sich das Gas in den Gesteinsschichten | |
ausbreitet. | |
Der Haken an der Sache: Weil Vattenfall im Spremberger Kraftwerk ein leicht | |
verunreinigtes CO2 abscheidet, ist es für die Forschungsanlage in Ketzin | |
nicht zugelassen. Deshalb braucht der Energieversorger die Alternative | |
Salzwedel. Dort soll das CO2 in 3.000 Meter Tiefe versenkt werden. In dem | |
1.000 Quadratkilometer großen Erdgasfeld, das zu 90 Prozent erschöpft ist, | |
soll das Kohlendioxid auf einer Versuchsfläche von 30 Quadratkilometern | |
unter das Erdgas gepresst werden, um an dieser Stelle den Förderdruck zu | |
erhöhen. | |
"Das geht völlig risikolos", versichert Vattenfall-Sprecher Damian Müller. | |
Das CO2 bleibe dauerhaft im Boden verschlossen: In dieser Tiefe werde das | |
Gas bei einem natürlichen Druck von bis zu 80 Bar im flüssigen | |
Aggregatzustand gehalten, erklärt er. "Die Ängste der Bevölkerung, das Gas | |
könne explodieren oder schlagartig in großen Mengen austreten, sind | |
unbegründet. Da müsste sich die Erde schon drei Kilometer tief öffnen, und | |
das ist extrem unwahrscheinlich." | |
Doch gerade da gibt es Bedenken. "Im Gegensatz zum Atommüll, der wenigstens | |
in 10.000 Jahren zerfällt, bleibt CO2 eben CO2. Da wird sich nichts | |
ändern", sagt zum Beispiel Axel Kruschat, der Landesgeschäftsführer des | |
BUND Brandenburg. Die Einlagerung müsse immer überwacht werden. Und niemand | |
könne zu diesem Zeitpunkt behaupten, die Lager seien sicher. Der | |
Klimaexperte Karsten Smid von Greenpeace zieht den Vergleich mit dem | |
Atommülllager Asse heran: "Das galt auch als sicher. Jetzt ist es stark | |
einsturzgefährdet und wird zu einer Gefahr für die Anwohner." | |
Eng wird es für Vattenfall auch deshalb, weil die brandenburgische | |
Landesregierung Druck macht. Die Aufschließung von neuen Tagebauen hat die | |
SPD-CDU-Koalition nur genehmigt, wenn die CCS-Technologie ein Erfolg wird. | |
Ansonsten seien weder die Klimaschutzziele der Bundesregierung noch die des | |
Landes Brandenburg zu erreichen. Schafft es Vattenfall nicht, die | |
Lagerstätten dicht zu halten, würde auch der Effekt für den Klimaschutz | |
ausbleiben. | |
Inzwischen hat Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) den Druck | |
verstärkt. Nachdem Vattenfall-Sprecher Müller die Bedenken aus | |
Sachsen-Anhalt mit den Worten abgebügelt hatte: "Wir liegen im Zeitplan und | |
erwarten für das Forschungsprojekt eine Genehmigung bis April 2009", mahnte | |
Brandenburgs Regierungschef "mehr Sensibilität" an. Man könne sich doch | |
nicht einfach in Salzwedel in der Altmark hinstellen und den Eindruck | |
erwecken, dass das Erlaubnisverfahren nur noch eine Formalie sei. | |
Für Platzeck steht in Sachsen-Anhalt viel auf dem Spiel. Gelingt es nämlich | |
nicht, das CO2 erfolgreich und dauerhaft ins Erdreich zu pressen, werden | |
die Braunkohlekraftwerke durch den Handel von Emissionszertifikaten immer | |
unrentabler. Zwangsläufig müssten sie dann abgeschaltet werden. Das wäre | |
schlecht für Vattenfall und für die Landesregierung. | |
Entsprechend intensiv versuchen beide Seiten gerade, nach Lösungen zu | |
suchen. Bisher ging Vattenfall davon aus, das CO2 umsonst loswerden zu | |
können- schließlich helfe man durch die Einlagerung bei der Gasförderung. | |
Inzwischen wird jedoch über Ausgleichszahlungen von Vattenfall für | |
Sachsen-Anhalt nachgedacht, z. B. könnte der Stromriese pro verpresste | |
Tonne CO2 zahlen. Eine andere Möglichkeit wäre der Kauf der maroden | |
Mitteldeutschen Braunkohle AG (Mibrag) oder der Bau eines CO2-armen | |
Kraftwerks in Sachsen-Anhalt. Vattenfall-Sprecher Demian Müller gibt sich | |
zurückhaltend. Ob die Mibrag gekauft werde, sei noch nicht diskutiert | |
worden. Die nächste Runde im Ringen um das kohlefreie Kraftwerk kommt also | |
bestimmt. | |
15 Dec 2008 | |
## AUTOREN | |
Carl Ziegner | |
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