| # taz.de -- Kommentar Spätabtreibungen: Wo bleibt die Politik für Behinderte? | |
| > Es ist richtig, dass Ärzte verpflichtet werden, auf Beratungsstellen | |
| > hinzuweisen - egal wie. Damit behalten Frauen alle Freiheiten - können | |
| > aber Hilfe finden. | |
| Das Thema Spätabtreibung ist schwierig. Aber was die Parteien heute im | |
| Bundestag ausfechten, wird diesem schwierigen Thema kaum gerecht. Sie | |
| führen in weiten Teilen einen Kampf von gestern: Die Union will ihrer | |
| Klientel deutlich machen, dass Frauen lebensfähige Kinder nicht | |
| leichtfertig abtreiben dürfen. Weil sie mit Zwangsmaßnahmen für schwangere | |
| Frauen nicht mehr durchkommt, macht sie nun maximalen Druck auf die Ärzte - | |
| und will eine Statistik, mit der sie später noch mehr Druck machen kann. | |
| Das bringt viele SPDlerInnen und Grüne auf die Barrikaden. Die einen | |
| fürchten, diese Erfassung könnte zu einer Art Pranger für Mütter werden, | |
| die sich ein Leben mit einem Down-Kind nicht vorstellen konnten. Die | |
| anderen wollen ohnehin nichts, was nach Zwang aussieht, und nur Richtlinien | |
| ändern. Bei all diesen Differenzen klingt das Trauma vieler | |
| Paragraf-218-Debatten an - mit ihren wechselseitigen Zuschreibungen: | |
| patriarchale Frauenkontrolleure hier, verantwortungslose Weibsbilder dort. | |
| Doch das sind Fronten von gestern. Denn eine werdende Mutter mit einem | |
| behinderten Kind im Bauch treiben ganz andere Fragen um. Sehr viele solcher | |
| Frauen wünschen sich in dieser schwierigen Situation kompetente | |
| psychosoziale Beratung. Im Moment bekommen sie diese oft nicht. Deshalb ist | |
| es gut, Ärzten vorzuschreiben, auf diese Beratung hinzuweisen - egal wie. | |
| Damit behalten Frauen alle Freiheiten - können aber Unterstützung finden. | |
| Das ursprüngliche Ziel der Union war, dass weniger behinderte Kinder | |
| abgetrieben werden. Das ist ein gutes Ziel. Aber wenn man es erreichen | |
| will, muss man diesen Kindern und ihren Eltern ein Leben ermöglichen, das | |
| nicht aus lauter Zumutungen besteht. Dann muss man "Inklusion" betreiben, | |
| wie es die UN-Konvention über die Rechte Behinderter vorsieht: volle | |
| Integration in Schulen, im Alltag, im Berufsleben. | |
| Die Union will das nicht. Die Union will auch keine Integrationsschulen und | |
| -kitas. Behinderte sollen weiter in Sonderschulen gehen. Nicht Frauen in | |
| existenziell schwierigen Situationen gehören unter Druck gesetzt. Sondern | |
| Parteien, die die Integration Behinderter und ihrer Eltern verhindern. | |
| 17 Dec 2008 | |
| ## AUTOREN | |
| Heide Oestreich | |
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