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# taz.de -- Zeitsprung: Westernkitsch mit Buffalo
> Die Westernstadt Cody in Wyoming definiert sich wie kein anderer Ort
> Amerikas als Zentrum des Wilden Westens. Dabei verkauft die Stadt eine
> Vergangenheit, die so nie existierte
Bild: „The Scout“, Buffalo Bill Skulptur in Cody
Der Cowboy auf dem Schild am Eingang des Bundesstaates deutet es an: Hier
lebt der Wilde Westen noch. Wyoming wird im Westen von den imposanten Rocky
Mountains und im Osten von den Black Hills eingegrenzt. Was dazwischen
liegt, bedeutet einen Zeitsprung in eine andere Epoche. Das Herz der
antagonistischen Gegend ist Cody, der erste größere Ort östlich des Yellow
Stone National Parks.
Die Berge rund um Cody haben eindrucksvolle Namen wie Bear Tooth Mountain,
und die Bewohner tippen zum Gruß an ihre Cowboyhüte. Cody hat seinen Namen
von William Frederick Cody, besser bekannt als Buffalo Bill, der den Ort
Anfang des 20. Jahrhunderts gegründet hat. Sein Vermächtnis als größte
Legende des Wilden Westens wird in der Kleinstadt entsprechend hoch
gehandelt. Kaum ein Geschäft oder Hotel, dass seinen Namen nicht zu Geld
macht. Allerdings war Buffalo Bill neben seinen zahlreichen Beschäftigungen
als Büffeljäger, Militärscout und Schausteller vor allem auch ein cleverer
Geschäftsmann, der früh das Potenzial des Westens als Tourismusmagnet
erkannte. Buffalo Bill leitete schon Anfang des 20. Jahrhunderts Safaris
für ausländische Prominenz wie Prinz Albert von Monaco, um ihnen eine
romantische Variante des Wilden Westens zu verkaufen. Und so wird in Cody
die eigene Entstehungsgeschichte als Tourismusort umgedeutet in eine wilde
Vergangenheit als Cowboystadt.
Dem Ortsgründer wird in einem riesigen nach ihm benannten Museum Tribut
gezollt. Über 35 Millionen Dollar Umsatz nimmt die Stadt durch das „Buffalo
Bill Center“ ein. Am Eingang erwartet eine bronzene Statue des Helden die
Besucher, Gewehr in der linken, den Cowboyhut in der rechten Hand. In fünf
Flügeln wird man durch den gesamten Wilden Westen geleitet. Einer davon
behandelt selbstredend das Leben und Schaffen Buffalo Bills, der spätestens
mit seiner Wild West Show weltweiten Ruhm erlangte. Interessant ist die
Verklärung des charismatischen Schnurrbartträgers als Indianerfreund und
Bewahrer des amerikanischen Bisons im späten Leben des Buffalo Bill. Denn
obwohl in seiner Show auch indianische Schausteller, unter anderem der
berühmte Häuptling Sitting Bull, auftraten, dürfte ihre Rolle als
folkloristische Bösewichte eher zum negativen Image der Indianer als zur
Erhaltung ihrer Kultur beigetragen haben. Und die kleine Herde Bisons, die
William Cody im Alter züchtete, konnte wohl kaum die Unzahl an Büffeln
aufwiegen, die er im Auftrag der Eisenbahn erlegte.
Im Museumsshop findet man zahlreiche Westernmemorabilia, auch Westernmöbel
im „Cody Style“ gibt es zu erwerben, klobige Holzstühle oder einen Kicker,
der Indianer und Soldaten gegeneinander antreten lässt. Dennoch zeigt das
Museum in seinem Naturbereich und den Räumen über die Indianer der Great
Plains durchaus sehr informative Ausstellungen. Die jährlich zwei Millionen
Besucher werden aber wohl eher von der umfangreichen Wildwestkunstsammlung
und dem größten Waffenarsenal in ganz Amerika angelockt. Staunend stehen
sie vor den Relikten des Westens, unüberschaubaren Reihen von
Winchester-Gewehren und Smith&Wesson-Colts, die ehrfürchtig durch die
Scheiben bewundert werden. Das Recht, eine Waffe zu tragen, ist bis heute
unabdingbar mit der Identität des amerikanischen Westens verknüpft.
Mindestens ebenso identitätsstiftend für das eigene Wildwestempfinden ist
die Kunstabteilung. Frederick Remington und Norman Rockwell heißen die
bekanntesten Künstler, die das romantische Wildwestklischee in ihren
Ölgemälden gefestigt haben. Ihre Bilder findet man in Kalendern, Postkarten
und in den Wohnzimmern der neu gebauten Ranch Style Homes der Zugezogenen.
Cody ist eigentlich ein lebendig gewordenes Remington-Gemälde.
Den ganzen Sommer ist Rodeosaison in Cody, am 4. Juli findet das „Stampede
Rodeo“, eines der größten im ganzen Land, hier statt. Jetzt ziehen auf der
Hauptstraße langsam riesige Allradjeeps vorbei, oft mit Pferdeanhängern
oder kleinen Jagdbuggys auf der Ladefläche. Im Herbst verwandelt sich die
Stadt in ein Mekka für schießwütige Trophäensammler aus dem ganzen Land. In
den Restaurants liegen Broschüren aus, die den Lesern das fachgerechte
Zerlegen eines Hirsches in vier Schritten erklären, und jeder Zweite trägt
eine grellorange Baseballmütze, die einen versehentlichen Abschuss
verhindern soll. Die Einwohner reden nicht viel, und wenn, dann über das
Wetter. Über Politik braucht man sich hier nicht zu verständigen, Cody ist
wie ganz Wyoming fest in republikanischer Hand.
Aus den Fenstern von Irmas Hotel kann man das Treiben auf der Straße in
Ruhe beobachten. Der riesige Salon, voll ausgerüstet mit Westernkitsch und
überwacht von den stumpfen Blicken der ausgestopften Fauna der Umgebung,
lässt die Touristenmengen des Sommers nur erahnen. Im Herbst gehört die Bar
den Cody-Bewohnern allein. Irmas eigener Tisch, von dem die Dame des Hauses
den Überblick bewahrte, steht seit ihrem Tod vor vier Jahren leer am
Eingang.
Nicht ganz so damenhaft geht es in Cassies Saloon zu. Er ist ein ehemaliges
Bordell, das zu einer Art musikalischem Geheimtipp geworden ist. Hinter dem
Gebäude, stilecht mit Holzveranda und abgedunkelten Fenstern, vermutet man
eher eine weitere Touristenbar. Tatsächlich zieht die Atmosphäre des
Saloons aber Größen wie Amy Grant an, die umsonst in dem Westernambiente zu
hören sind. Im Oktober bleibt allerdings auch hier die Kundschaft weg,
verzweifelt versucht der Betreiber, ein paar Zuhörer für die Band Los Lobos
aufzutreiben.
Man muss Cody zugutehalten, dass, anders als in den meisten anderen
amerikanischen Kleinstädten, die auch nur im entferntesten Sinne so etwas
wie Attraktionen vorzuweisen haben, keine Aqualands, Funparks oder
sonstigen Plastik-Amüsiermeilen aus dem Boden gestampft wurden. Aber wenn
man die Buffalo-Bill-Motels und Sitting-Bull-Burgerläden hinter sich lässt,
fragt man sich, ob Buffalo Bill vielleicht die Ausmaße des Westerntourismus
in seiner idealisierten Cowboystadt vorausgesehen hat, als er an seinem
Lebensende darum bat, 1.000 Meilen südlich in den luftigen Höhen von
Colorado beerdigt zu werden.
29 Dec 2008
## AUTOREN
Moritz Piehler
## TAGS
Reiseland USA
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