# taz.de -- Skiurlaub in Kalifornien: McCoys Gespür für Schnee | |
> Immerhin 41 Wintersportorte gibt es im Golden State. In Mammoth Lakes, | |
> 3.300 Meter hoch, liegt Kaliforniens höchstgelegenes Ski-Resort. | |
Bild: Mammoth Lakes, Kalifornien | |
Skifahren in Kalifornien? Kalifornien ruft eher Assoziationen an | |
Surfbretter als an Snowboards hervor, doch es gibt 41 Wintersportorte im | |
Golden State. 1960 wurden in Squaw Valley am Lake Tahoe Olympische | |
Winterspiele ausgetragen. Deutschland holte viermal Gold. Dort, im | |
Nordosten von San Francisco, zieht sich über 1.500 Kilometer eine Kette von | |
Bergen hin, bis 4.300 Meter hoch. Der durchschnittliche Schneefall pro | |
Winter beträgt zehn Meter. Wir haben das Pech oder das Glück, dass in | |
diesem Winter dieser Schnee in einer einzigen Woche fallen will. In der | |
Woche, in der wir dort sind. Und so befleißigen sich alle, uns zu | |
versichern, Lake Tahoe zähle 280 Sonnentage im Jahr, doch die Skisaison | |
reiche von November bis Ende Mai. Klingt nach einem meteorologischen | |
Wunder. | |
Der Vorteil des stetigen Schneefalls ist natürlich: der Schnee. Großartiger | |
zarter Pulverschnee, in dem jeder zwei Klassen besser fährt als auf | |
gewalzten und eisigen Pisten daheim. Doch das Schneetreiben ist einfach zu | |
dicht. Keine Chance für die Piste. Wir leihen uns Schneeschuhe, und Jeremy | |
Jacobson zieht mit uns los. Erst über die Ebene, auf der im Sommer | |
Golfplätze fliegen, dann hinein in den tief verschneiten Wald. Richtig | |
anstrengend ist das, durch den tiefen Schnee zu stapfen. Jeremy ist | |
Snowboarder, und er stammt aus San Diego, er hat das Brett fürs Wasser mit | |
dem für den Schnee getauscht. | |
Wir fahren vier Autostunden weiter südlich nach Mammoth Lakes, auf 3.300 | |
Metern gelegen, Kaliforniens höchstgelegenes Ski-Resort. Wyoming, Alberta, | |
Colorado - überall dort in Nordamerika, wo es heute Skifahrern gefällt, | |
tummelten sich einst größere Lebewesen: Forscher fanden um 1870 in diesen | |
Regionen Saurierknochen. Aha, denkt sich da der Skifahrer: In „Mammoth | |
Lakes“ fanden sie wohl Mammutknochen. Schließlich steht nahe des | |
Gondellifts eine mächtige Mammut-Statue. Aber die Sache verhält sich | |
anders. Die Region im Norden Kaliforniens war ein Bergbaugebiet, nicht so | |
erfolgreich wie Alaska, aber etwas Silber und Gold wurden doch gefunden, in | |
vielen einzelnen Minen und Gruben. Bis alle Kleinunternehmer von einem | |
Bergbaukonzern aufgekauft wurden, um nicht zu sagen: von einem | |
Bergbau-Mammut. Daher der Name und daher das Mammut, das daraufhin aus Erz | |
gegossen wurde. | |
Hinter der Gründung des Skigebietes steckt eine abenteuerliche, sehr | |
amerikanische Geschichte. Dave McCoy, 1915 geboren in Kalifornien, lernte | |
als Jugendlicher von Norwegern Skifahren. „Skispitzen bergab und los | |
gehts“, das war alles, was sie ihm beibrachten. Es genügte. McCoy war ein | |
begeisterter Skifahrer geworden. Nach dem College in Washington trampte er | |
ein Jahr lang zurück in die kalifornischen Berge, verdiente unterwegs Geld | |
als Kirschpflücker, Goldschürfer, Fliegen-Binder für Fliegen-Fischer, so | |
jedenfalls will es die Legende. Wieder in den Eastern Sierras angekommen, | |
wurde er vom Department of Water and Power angeheuert, dem Wasseramt der | |
ewig durstigen Stadt Los Angeles. Er sollte die Berge daraufhin | |
untersuchen, wo der meiste Schnee fiel, um Wasserleitungen in die | |
Küstenstadt legen zu können. In den Hochlagen der Sierra fällt mehr Schnee | |
als in jeder anderen Gegend der USA, Nevada heißt nicht umsonst | |
„beschneit“. | |
18 Jahre lang arbeitete McCoy in diesem Job und erkannte, dass sein Wissen | |
zu mehr taugte. Schon in den 40er-Jahren gab es Skilifte in den | |
kalifornischen Bergen, abenteuerliche Konstruktionen. Ein Lkw wurde an eine | |
geeignete Stelle gefahren, Räder abmontiert, am Berg ein Flaschenzug | |
installiert, und so konnten Skiläufer bergauf gezogen werden. Irgendwie. Wo | |
immer genug Schnee lag, fuhr der Lkw hin. Und so kam die Geschichte des | |
Skigebietes Mammoth Lakes in Gang: McCoy baute 1955 den ersten richtigen | |
Lift, dann Sessellifte. Dann Hotels, Restaurants, schließlich einen Ort. | |
Dave McCoy, der Unternehmer, hatte sich bei einem Skiunfall böse verletzt, | |
er arbeitete fortan als Skitrainer, 19 seiner Zöglinge schafften es in den | |
Ski-Kader des United States Olympic Teams, ungeschlagener Rekord. | |
Heute hat Mammoth Lakes 28 Lifte und 7.400 Einwohner, dank einer von McCoy | |
mitgegründeten Stiftung bekam der Ort ein College. Im Rentenalter beschloss | |
McCoy schließlich, alles zu verkaufen. Da war er 90 Jahre alt. Für 365 | |
Millionen US-Dollar ging Mammoth Lakes - die Liftgesellschaft inklusive | |
zahlreicher Immobilien - an die Starwood Capital Group. McCoy soll Tränen | |
vergossen haben, als er „sein Baby“ verkaufte. Offensichtlich konnte man | |
also in Mammoth Lakes doch Gold finden, und zwar richtig fette Klumpen und | |
zwar über der Erde. | |
Mammoth Lakes hatte seine größte Zeit um 1985, danach holten andere | |
nordamerikanische Skigebiete auf. Denn es gab zwar Schnee ohne Ende, aber | |
es fehlte an adäquaten Unterkünften für die verwöhnte Klientel: neunzig | |
Prozent der Gäste kommen aus dem Großraum Los Angeles, SouCal, wie man hier | |
lässig sagt, Southern California. Doch nach dem 11. September 2001 ging es | |
bergauf, „weil die Leute Grundstücke kauften“, so ein Einheimischer. Getreu | |
alter US-Pionier-Manier gilt ein Stück Land noch immer als die sicherste | |
Geldanlage, zumal in einem prosperierenden Skigebiet. Denn nun rappelte es | |
in den Bergen. Ein Westin Grand hat eröffnet, eine Suite kostet 1.000 | |
Dollar die Nacht, für sechs Personen, immerhin. Ritz Carlton baut, da freut | |
sich die Klientel von der kalifornischen Küste. Mammoth Lakes hat seit 2001 | |
eine halbe Million „Skifahrer-Tage“ zugelegt, so werden die Übernachtungen | |
umgerechnet. Ob einer zehn Tage bleibt oder fünf Leute zwei Tage - es sind | |
immer zehn „Skifahrer-Tage“. | |
Man kann nur hoffen, dass das Skigebiet das verträgt und es hier im Winter | |
nicht bald so zugeht wie im Sommer. Da nämlich ist Mammoth Lakes alles | |
andere als ein abgelegener, etwas langweiliger Ort. Wenn die Straßenpässe | |
geöffnet sind, kommt man von hier in ein paar Stunden ins Yosemite Valley, | |
einen der meistbesuchten Nationalparks Kaliforniens. „No-left-drive days“ | |
nennen Einheimische diese Tage, wenn der Verkehr durch den Ort nicht | |
abreißt und man aus einer Nebenstraße kommend einfach nie links abbiegen | |
kann. Das Skigebiet ist zwar riesig, doch gerade für europäische Skifahrer | |
gehören zu den größten Erlebnissen hier - die nahezu menschenleeren Pisten. | |
Ob einer in weiten Carvingschwüngen ins Tal cruisen oder sich sehr schnell | |
bergab bewegen möchte, im Weg ist ihm fast nie einer dabei. Am Wochenende | |
sollen 20.0000 Skifahrer hier unterwegs sein, unter der Woche sind es im | |
Schnitt 8.000. | |
In Südkalifornien leben 17 Millionen Menschen, in ihr winterliches | |
Naherholungsgebiet fahren sie natürlich mit den Wagen, die sie auch sonst | |
fahren: großen Wagen. Auch der Gouverneur wurde früher hier oft gesehen, da | |
war er aber noch „Conan“. Arnold Schwarzenegger soll einen seiner Hummer | |
stets am Flughafen von Reno geparkt haben, um schneller ins Skigebiet zu | |
kommen. Hier war er Gast im österreichisch geführten Alpenhof. Und hier | |
lernte er - Skifahren. Denn Schwarzenegger ist zwar Österreicher, aber er | |
kommt aus Graz. Das ist, auf amerikanische Verhältnisse umgerechnet, von | |
Skibergen so weit entfernt wie Los Angeles. | |
29 Dec 2008 | |
## AUTOREN | |
Barbara Schaefer | |
## TAGS | |
Reiseland USA | |
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