# taz.de -- Wundersamer CSU-Wahlkampf: Die Machenschaften des FJS | |
> So gerne schimpft Bayerns Ministerpräsident Beckstein auf Oskar | |
> Lafontaine. Dabei hatte die CSU einmal beste Beziehungen zum | |
> realsozialistischen Nachbarn - durch ihren Übervater Franz Josef Strauß. | |
Bild: Beckstein findet, dass Oskar Lafontaine die Bundesrepublik zu einem sozia… | |
Neulich wollte der Vorsitzende der Linkspartei, Oskar Lafontaine, einem | |
bestimmten Artikel der Bayerischen Verfassung zur Geltung verhelfen. | |
Eigentlich hätte ihm das ein Lob der CSU eintragen müssen, doch stattdessen | |
sah sich der Ex-Sozi einmal mehr als Verfassungsfeind gebrandmarkt. | |
Lafontaine hatte von der Notwendigkeit gesprochen, Schlüsselindustrien zu | |
verstaatlichen. Doch da hatte er seine Rechnung ohne den wahlkämpfenden | |
CSU-Spitzenkandidaten und bayerischen Ministerpräsidenten Günther Beckstein | |
gemacht. "Die Forderungen des Parteivorsitzenden der Linken, Oskar | |
Lafontaine, zur Verstaatlichung von Großunternehmen und Enteignung von | |
Familienbetrieben rühren an den Grundfesten unserer freiheitlichen Rechts- | |
und Wirtschaftordnung", schimpfte Beckstein. Offensichtlich wolle | |
Lafontaine die Bundesrepublik "zu einem sozialistischen Staat à la DDR | |
machen". Das seien alte Forderungen der kommunistischen DDR, und deshalb | |
sei die Überwachung der Linkspartei durch den Verfassungsschutz "dringend | |
geboten". | |
Irgendeiner seiner Mitarbeiter sollte dem Ex-Innen- und damit | |
-Verfassungsminister in einer kleinen Wahlkampfpause aus dem bayerischen | |
Grundgesetz vorlesen. "Für die Allgemeinheit lebenswichtige | |
Produktionsmittel, Großbanken und Versicherungsunternehmen können in | |
Gemeineigentum überführt werden, wenn die Rücksicht auf die Gesamtheit es | |
erfordert", steht im Artikel 160. Es ist eine nostalgische, nie angewendete | |
Bestimmung in einer bürgernahen Verfassung, welche die Handschrift des | |
Sozialdemokraten Wilhelm Hoegner trägt, aber immerhin: Der Verdacht der | |
Verfassungsfeindlichkeit lässt sich kaum gegen jemand begründen, der solche | |
Ziele in die Debatte wirft. | |
## Wiedergeburt der DDR? | |
Die Linke, derzeit mit 4 Prozent gehandelt, wird vor allem von Parteichef | |
Erwin Huber und der Generalsekretärin Christine Haderthauer mit Schmähungen | |
überzogen, als stünde die Wiedergeburt der DDR auf bayerischem Boden bevor. | |
Dabei rekrutieren sich die meisten der Kandidaten aus dem Lager der WASG, | |
frustrierte Sozialdemokraten und Gewerkschafter, deren Spitzenkandidat | |
Fritz Schmalzbauer sich sogar der Verschmelzung mit der PDS widersetzt hat. | |
Vergeblich warnte der von der CSU abgemeierte Edmund Stoiber schon früh, es | |
bringe nichts, auf die Linke "nur draufzuhauen". Man sollte sich besser | |
ihrer Themen annehmen. Mag sein, dass sich die CSU auf die Uralt-Parole | |
"Freiheit statt Sozialismus" gestürzt hat, um auch die SPD zu treffen, die | |
sie der Kumpanei mit der Linken verdächtigt. Als Kronzeuge dient der CSU | |
der vor 20 Jahren gestorbene Franz Josef Strauß. Ausgerechnet er: Der | |
"Kreuzzug" gegen die Linke geht nicht nur ins Leere; er bietet auch Anlass, | |
daran zu erinnern, dass es ebenjener Strauß war, der mit jahrelanger | |
beispielloser Geheimdiplomatie vorbei an allen Regierungskanälen die DDR in | |
den letzten Jahren ihres Bestehens gestützt hat. Dabei ging es um Kredite, | |
Häftlingsaustausch, Bürgerrechtler, aber auch unverhohlen um | |
Millionenumsätze im Fleischgeschäft eines Strauß-Amigos. | |
Am 14. März 1975 stellte sich der Strauß-Spezi Josef März, Mitinhaber der | |
Fleischfirma "Marox" in Rosenheim (Oberbayern), beim Devisenbeschaffer der | |
DDR, Alexander Schalck-Golodkowski, einem Stasi-Oberst, vor. Schalck, der | |
von sämtlichen Kontakten Vermerke für die Stasi anfertigte, hielt fest, | |
März sei Mitglied der CSU und ein "intimer Freund von Strauß". März kaufe | |
"Fleisch und Lebendtiere" und sei für "exakte kommerzielle Abwicklung | |
bekannt". Er wolle mit der DDR eine Firma im Libanon zum Fleischexport nach | |
Saudi-Arabien gründen. "März sah darüber hinaus auch konkrete Ansatzpunkte | |
zu inoffziellen Kontakten mit Strauß", notierte Schalck. | |
Bis 1982 scheint sich aber nichts getan zu haben. Schalcks Aufzeichnungen | |
setzen erst wieder am 28. Oktober 1982 ein. An diesem Tag berichtet März, | |
er habe Gespräche mit Strauß über einen "größeren Kredit 300-500 Mio DM" | |
geführt. Problem seien die Sicherheiten, die die DDR bieten müsse. | |
Einen Monat später teilt März seinem DDR-Partner mit, Strauß wolle "einen | |
speziellen Kanal zwischen ihm und dem Staatsratsvorsitzenden (Honecker, d. | |
A.) über mich nutzen". Strauß würde es "deshalb begrüßen, vielleicht Anfang | |
des Jahres ein persönliches Zusammentreffen zwischen uns zu ermöglichen. Er | |
würde garantieren, dass das so abgesichert wird, dass niemand etwas davon | |
erfährt." | |
März berichtet, das Verhältnis von Strauß und dem damaligen Bundeskanzler | |
Kohl habe sich verbessert. "Kohl weiss ganz genau, dass er Strauss als den | |
Repräsentanten des rechten Flügels in der CDU/CSU in keiner entscheidenden | |
Frage übergehen kann." Die beiden müssten über den Kredit noch reden. | |
Wieder einen Monat später meldet März dem Stasi-Oberst: "Auch Kohl steht | |
dem vorgeschlagenen Projekt positiv gegenüber und hat keine Einwände." | |
Erst müssen aber noch die Bundestagswahlen im Frühjahr über die Bühne | |
gehen. Strauß lässt wissen, das Hereintragen eines Junktims im | |
Kreditvertrag entspreche nicht seinen Vorstellungen. Er lege Wert auf die | |
Feststellung, Kohl werde "durch inkompetente, in der Sache nicht | |
informierte Leute falsch beraten". März bittet um eine Mitschrift eines | |
Telefonats zwischen Honecker und Kohl, "um alle undichten Stellen im | |
eigenen Apparat auszuschließen". | |
## Verwirrender Schweizer | |
Die Sache zieht sich weiter, ein Schweizer Banker mischt sich, angeblich | |
beauftragt von einer CDU-Seilschaft, ein und verwirrt die DDR. Am 2. | |
November 1983 besucht Schalck Strauß in dessen Münchner Privatwohnung und | |
äußert sein Befremden über die Einmischung. Strauß habe doch gesagt, er | |
allein sei autorisiert. Strauß sei sehr erregt gewesen und habe in seinem | |
Beisein mit dem Kanzleramtsminister Jenninger telefoniert, notierte | |
Schalck. Der Schweizer Banker sei vom Bundeskanzleramt nur eingesetzt | |
worden, um Kenntnisse "über die Zustände in der DDR" zu erhalten, habe | |
Jenninger behauptet. "Strauß brach in schallendes Gelächter aus und | |
kommentierte, dass es ja ein Armutszeugnis für das Bundeskanzleramt ist, | |
über solche Leute die Stimmung in der DDR einschätzen zu lassen." Jenninger | |
habe zugesichert, die Alleinvertretung von Strauß nicht zu stören. Schalck | |
und Strauß sprechen über die Freilassung von Häftlingen. In der DDR ist ein | |
Mitarbeiter der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung verhaftet worden. | |
Mitte 1983 berichtet Strauß Schalck von seinem Besuch "in einer sehr | |
sachlichen und freundlichen Atmosphäre" beim rumänischen Staatschef Nicolae | |
Ceausescu. Bei einem Besuch in Polen werde er auf Kontakte zu "illegalen | |
Gruppen" verzichten. "Ich war noch nie für Geheimbündeleien", sagte Strauß | |
laut Protokoll. Anfang 1984 wird der Milliardenkredit an die marode DDR | |
ausgereicht. Er kommt nicht der Bevölkerung zugute. Ein Teil wird auf | |
Luxemburger Konten deponiert, um bei weiteren Geschäften hohe | |
Währungsreserven vorweisen zu können. März redet im Frühjahr 1984 schon von | |
einer zweiten Tranche für die DDR. Man solle sich "weiterhin auf Strauß | |
verlassen". Zum bevorstehenden Geburtstag solle ihm die DDR "eine kleine | |
Aufmerksamkeit und ein paar Zeilen" übermitteln. Aufgrund mehrmaliger | |
Gespräche habe Strauß zu Honecker "ein sachliches Verhältnis gefunden". | |
Später durfte Honecker Strauß offiziell in München besuchen. | |
Dem Staatsratsvorsitzenden hat sicher gefallen, dass März und Strauß | |
herzlich wenig von DDR-Dissidenten und westdeutschen Grünen hielten. Man | |
sei "sehr einverstanden mit der Zurückweisung von Grünen und anderen | |
Politikern der linken Szene bei Einreisen in die DDR zur Kontaktaufnahme | |
mit oppositionellen Gruppen, von den Bahros, den Biermanns, den Krawczyks | |
und Kliers haben wir in der BRD schon genug", ließen die Bayern Schalck | |
wissen. | |
Bis zum Tod von Strauß am 3. Oktober 1988 währte die Verbindung. Was | |
letztlich seine Triebfeder für die Sonderdiplomatie war, hat er mit ins | |
Grab genommen. Auf jeden Fall war er auch um die Geschäfte von Amigo März | |
besorgt. In einem Vermerk vom 28. Januar 1987 hielt Schalck fest, Strauß | |
habe darum gebeten, dass die schlechter gewordene Geschäftsbeziehung der | |
Firma März/Marox und dem DDR-Außenhandelsbetrieb Nahrung "auf Dauer zum | |
Positiven verändert wird". Schalck wusste, was er zu tun hatte: "Es ist uns | |
bekannt, dass im Interesse der Erhaltung der politischen Verbindung | |
atmosphärisch keine Belastungen aus den Geschäftsbeziehungen zwischen März | |
und dem Außenhandelsbetrieb Nahrung entstehen dürfen." | |
## Verbindung sofort gekappt | |
Als sich am 14. März 1989 die neuen CSU-Herren Max Streibl und Theo Waigel | |
mit Schalck trafen, wurde die Verbindung über Josef März sofort gekappt. | |
Auf Schalcks Frage, ob sich der Kontakt nicht bewährt habe, hätten beide | |
erklärt, "dass die Verknüpfung der Freundschaft Strauß und Josef März nicht | |
immer glücklich war und die CSU aufgrund auch finanzieller Verknüpfungen | |
oft in eine schwierige Situation brachte. Die Interessen von Josef März u. | |
a. in Togo, Spanien und Argentinien wurden von Strauß abgedeckt und dienten | |
nicht nur staatlichen Interessen." Um zu dokumentieren, dass man mit den | |
Strauß-Machenschaften nichts zu tun haben will, hinterlegte die Münchner | |
Staatskanzlei damals die brisanten Stasi-Papiere in einigen | |
Zeitungsredaktionen. | |
Das Ende der DDR feiert die März-Firma Marox mit einem großen Coup: 400 | |
Tonnen bestes Rindfleisch wird kurz vor der Wiedervereinigung aus | |
Drittländern in die DDR eingeführt, in Kühlhäusern gelagert und nach dem | |
3.Oktober abgabenfrei als DDR-Ware auf den westdeutschen Markt gebracht. | |
Fünf Millionen Mark Zoll wären nach EG-Recht angefallen, notierte das | |
Zentralfinanzamt Hamburg. Ob die Abgaben je bezahlt wurden, ist nicht | |
bekannt. | |
23 Sep 2008 | |
## AUTOREN | |
Michael Stiller | |
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