# taz.de -- die wahrheit: Resümee der Liebe | |
> Das geheime Tagebuch der Carla Bruni. Heute: Zufriedenheit und | |
> Zuversicht. | |
Bild: Hier stehen Cousins vor der Tür, von denen nicht einmal Nicis Mutter wus… | |
Mon cher journal intime … | |
Hier ist so viel los, ich bin überhaupt nicht mehr zum Schreiben gekommen! | |
Aus allen Ecken kriechen die Familienmitglieder und wollen mit uns feiern. | |
Vor allem Nicis ungarische Sippe erweist sich als recht ausladend. Hier | |
stehen Cousins vor der Tür, von denen nicht einmal Nicis Mutter wusste, | |
dass es sie gibt. Einer ist dabei, den kennt gar keiner. Komischer Vogel. | |
Er sagt, er käme aus einem so kleinen Dorf, dass er nur das Dorf-Ungarisch | |
spräche und sich keiner mit ihm unterhalten könne. Außer auf Französisch, | |
das wiederum wie das der Engländer klingt. Na egal, die Bude ist voll und | |
ich auch. Das ist das Beste daran: ein unablässiger Rausch. Man kommt gar | |
nicht dazu, mal einen Moment lang nüchtern zu sein und vielleicht das Kind | |
zurechtzuweisen. Erst muss ich anstoßen, dann aufstoßen. Dieser | |
selbstgebrannte Paprikafusel hat es echt in sich. Für heute Nachmittag hat | |
sich nun auch noch Maman angekündigt. Sie und René - ja, es gibt einen | |
Neuen, das habe ich doch die ganze Zeit gewusst - sind aus St. Lucia zurück | |
und wollen nachher auf ein Abschlussschlückchen vorbeikommen. Bestimmt hat | |
sie wieder Unmengen Zuckerrohrschnaps im Gepäck. Eigentlich wollten wir das | |
Jahr ja in der Schweiz ausklingen lassen, ich weiß aber nicht, ob das was | |
wird. So, wie es aussieht, gehen die nicht einfach wieder weg. Nici macht | |
auch keine Anstalten, mal in Richtung Tür zu zeigen. | |
Auf jeden Fall möchte ich diese Gelegenheit - ich bin momentan nicht ganz | |
so hacke und habe mich für einen Moment aus dem Staube gemacht - nutzen | |
und, wie ich es immer mache, einen Brief an mich schreiben. Das tu ich | |
jetzt auch: | |
Liebe Carla, | |
und aber ründet sich der Kranz. Das Jahr 2008 beißt sich in den Schwanz. | |
Nein - so geht das nicht. Vielleicht hätte ich nicht so viel trinken | |
sollen. Also noch mal: Liebe Carla, ich bin sehr zufrieden mit Dir. Du hast | |
in diesem Jahr viel erreicht. Mehr als in den letzten Jahren zusammen. Du | |
hast Dein Gewicht gehalten und geheiratet (was Dir bislang immer ein Gräuel | |
war). Du hast Dich als erwachsene Frau gezeigt, und mit klugem Blick einen | |
netten Mann gewählt, der eine Familie ernähren kann. Du hast Dich ernsthaft | |
bemüht, Deinen Sohn nicht so häufig anzuschreien, und viele bedeutende | |
Menschen getroffen, die Du mit einem heiteren Lächeln, einem freundlichen | |
Wort, durch die Gepflegtheit Deiner äußeren Erscheinung, Deiner Anteilnahme | |
und Hilfsbereitschaft und durch die verborgene Zärtlichkeit für Deine | |
Mitmenschen in den Bann gezogen hast. Du hast eine Platte herausgebracht, | |
die sich mittelmäßig verkaufte, und trotzdem die Öffentlichkeit nicht | |
gescheut. Du hast Dich immer wieder im Herzen für die Freiheit | |
unterdrückter Völker eingesetzt und es geschafft, von Dir das Bild als | |
rätselhafte Sphinx zu erzeugen. Du hast gezeigt, dass die moderne Frau sich | |
nicht zwischen Zwerg und Karriere entscheiden muss. Dass sie Hure und | |
Hausfrau gleichermaßen sein kann, Revolutionärin und Regentin, Popstar und | |
Poppstar. | |
Du hast die Männer bezirzt wie zu Deinen besten Tagen und bis auf eine | |
Ausnahme (den Arsch aus Ami-Land, President Six-Pack, Mr | |
Wonderful-come-over-me-yes-we-can) alle, alle in den Sack gesteckt. Das | |
alles hast Du, liebe Carla, sehr gut gemacht, und ich bin mir sicher, das | |
scharfe O aus USA wird nächstes Jahr auch noch wie Erdnussbutter in der | |
Sonne Deines Charmes zerschmelzen. Du darfst also voller Zuversicht ins | |
neue Jahr gehen und vielleicht nur ein paar kleine Punkte aufs Programm | |
setzten: | |
- ein Kind | |
- mehr Sex | |
- weniger Kaffee | |
- versuchen, etwas ausgeglichener zu sein und nicht so schnell schlechte | |
Laune zu bekommen, wenn das Leben mal wieder so langweilig ist | |
Also, ich wünsche mir, dass Du siehst, wie toll das ist, was Du hast, dass | |
Du zufriedener damit bist und aufhörst, Dir ständig etwas beweisen zu | |
müssen. Ich wünsche Dir, dass Du optimistischer in die Zukunft blicken | |
kannst. In Liebe, Deine Carla | |
Mittwoch, 17.45 Uhr | |
Ich war eben unten. Völliges Chaos. Da geht gar nichts mehr. Die Ungarn | |
sind total ausgeflippt. Elf haben laut fluchend und böse Verwünschungen | |
ausstoßend das Haus verlassen, andere packen noch, der komische Vogel | |
schüttet in sich rein, was greifbar ist. Nicis Mutter ist ohnmächtig. Zum | |
Glück ist Dr. Leroc da, um die alte Schachtel wieder auf die Beine zu | |
bekommen. Mittendrin mein Mann, der versucht, Herr der Lage zu sein und | |
nichts Besseres zu tun hat, als mir die Schuld in die Schuhe zu schieben. | |
Nur weil er als Ratspräsident mal den ein oder anderen guten Vorschlag | |
gemacht hat, meint er mir sagen zu können, in welcher Reihenfolge ich | |
seinen "Notfallplan zur Rettung der ungarisch-französischen Familienbande" | |
umzusetzen hätte. Als trüge ich die Verantwortung für meine - | |
zugegebenermaßen - etwas durchgeknallte Mutter. Die ist nämlich, während | |
ich hier oben saß, angekommen. Sie und René. Und nicht nur, dass sie | |
zunächst ihren Zuckerfusel in die eh schon abgefüllten Ungarn gekippt hat, | |
irgendwie ist René auch nicht ganz das, was wir uns vorgestellt haben. René | |
ist, um es kurz zu sagen, eine Frau. Meine Mutter ist jetzt lesbisch. | |
6 Jan 2009 | |
## AUTOREN | |
Silke Burmester | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Carla Brunis Tagebuch | |
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