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# taz.de -- An Chemikalie gestorbene Babys: Todesurteile in Chinas Milchskandal
> Giftiges Melamin in chinesischer Säuglingsnahrung darf nicht sein -
> zumindest nicht, wenn die Welt davon erfährt. Chinas KP verurteilt drei
> Milchpanscher zum Tode.
Bild: "Gib mir mein Kind zurück": Die Mutter eines Opfers der Milchpanscher de…
PEKING taz Mit harten Urteilen will Chinas KP einen Schlusspunkt unter den
Babymilch-Skandal setzen. Im Prozess um die mit der Industriechemikalie
Melamin vergiftete Säuglingsnahrung hat ein Gericht in der
Provinzhauptstadt Shijiazhuang gestern drei Männer zum Tode verurteilt und
zum Teil hohe Haftstrafen gegen weitere Angeklagte verhängt. So muss Tian
Wenhua, die frühere Chefin von Chinas größtem Molkereikonzern Sanlu, wegen
"Herstellung und Verkauf minderwertiger Produkte" lebenslang hinter Gitter.
Sie hatte sich zuvor für schuldig erklärt.
Es gehört zu den Besonderheiten der chinesischen Justiz, dass der
Richterspruch in solch heiklen Fällen nicht allein von den Juristen gefällt
wird. Stattdessen gibt ein Komitee unter Vorsitz der Partei das Urteil vor.
Zu den zum Tode Verurteilten gehört der 40jährige Geschäftsmann Zhang Yujun
aus der Peking benachbarten Provinz Hebei. Seine Fabrik habe seit Anfang
2007 etwa 775 Tonnen Pulver aus Melamin und dem Speisezusatz Maltodextrin
hergestellt und davon rund 600 Tonnen verkauft, so das Gericht. Viele
Bauern und Milchsammelstellen mischten das Pulver in ihre mit Wasser
verdünnte Milch. Damit konnten sie beim Qualitätstest einen höheren
Eiweißgehalt vortäuschen. Rund 300.000 Säuglinge erkrankten an
Nierensteinen, nachdem sie mit der gestreckten Milch gefüttert worden
waren. Mindestens sechs starben.
Die Staatsanwälte hatten Zhang, wie auch den beiden anderen nun zum Tode
verurteilten Männern, vorgeworften, sich "vollständig über die
Schädlichkeit des Pulvers im Klaren" gewesen zu sein. Einer von ihnen
erhielt einen zweijährige Bewährungsfrist, nach der das Urteil in eine
lebenslange Haftstrafe umgewandelt werden kann.
Der Skandal war im vorigen September bekannt geworden und hatte in China
und im Ausland Entsetzen und Empörung ausgelöst, weil er zeigte, dass in
Chinas Provinzen immer noch Korruption und Machtwillkür herrschen und die
Lebensmittelkontrollen mangelhaft sind. 22 Milchkonzerne gehörten zu den
Sündern, darunter auch Sanlu, das mittlerweile Bankrott angemeldet hat.
Weitere führende Sanlu-Manager und Funktionäre der Provinz müssen ebenfalls
ins Gefängnis, weil sie zugelassen haben, dass die vergiftete Milch
monatelang im Handel blieb. Statt die Öffentlichkeit sofort zu warnen,
vertuschten sie die Informationen über die Gesundheitsgefahren.
Seit dem Skandal haben sich Väter und Mütter organisiert, um eine
angemessene Entschädigung zu erkämpfen. Wegen der strengen Ein-Kind-Politik
dürfen viele Familien nur ein Baby in die Welt setzen. Auf Webseiten mit
Namen wie "Steinbabys" sammeln sie Informationen über mögliche Schäden, die
Melamin langfristig auslösen kann. Sie fordern von der Regierung, den von
Melamin geschädigten Kleinen eine ausreichende und lebenslange medizinische
Betreuung zu bezahlen. Die meisten Chinesen besitzen keine
Krankenversicherung und müssen für Arztbesuche selbst aufkommen. Umso
zorniger reagierten viele Eltern, als die Konzerne ihnen zunächst nur eine
Entschädigung von 2000 Yuan (umgerechnet rund 237 Euro) für jedes erkrankte
Kind anboten. Mittlerweile unterzeichneten 500 Familien eine Erklärung, die
dieses Angebot ablehnt.
Die Behörden versuchen, die Debatte über den politisch heiklen Skandal so
schnell wie möglich zu beenden - wenn nötig, mit Druck: So nahm die Polizei
in den vergangenen Wochen mehrfach Elternaktivisten fest, die mit
Journalisten sprechen wollten.
Derweil versuchen die Firmen immer wieder, einzelne Eltern mit größeren
Summen zu besänftigen. Eine Familie in der Nordwestprovinz Gansu, die ihr
fünf Monate altes Baby im vergangenen Mai verlor, ließ die Klage jetzt
fallen - und erhielt dafür von Sanlu umgerechnet 22.672 Euro.
Andere Opfer wollen sich damit nicht zufrieden geben. Eine Gruppe von 213
Familien hat angekündigt, vor den Obersten Gerichtshof zu ziehen, um die
Justiz zu zwingen, sich um die Fälle zu kümmern.
22 Jan 2009
## AUTOREN
Julia Lietsch
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