# taz.de -- Kommentar Nazi-Schulnamen: Anne Frank statt Klaus Riedel | |
> Mehr als 100 Schulen in Deutschland sind nach Nationalsozialisten | |
> benannt. Bessere Namenspaten wären zum Beispiel Holocaust-Opfer. | |
Wie kommen Schulen zu ihren Namen? Der Gemeinderat grübelt, die | |
Stadthistoriker steigen in die Archivkeller, die Lehrerkonferenz debattiert | |
und die Schüler wollen auch mitreden. Am Ende findet sich ein Namenspatron, | |
von dem alle überzeugt sind - ein regionaler Dichter, ein Wissenschaftler | |
oder ein NS-Widerständler. So stellt man sich das vor. Doch die | |
Wirklichkeit sieht offenbar anders aus. Allein in Sachsen tragen 16 Schulen | |
den Namen von NSDAP-Mitgliedern oder Personen, die dem mörderischen | |
NS-System zumindest nahe standen, zeigt eine neue Studie. Mehr als 100 | |
sollen es in ganz Deutschland sein. | |
Fassungslos macht vor allem, dass darunter mehrere Schulen sind, die sich | |
erst in den vergangenen Jahren umbenannt haben. Wie kommt man auf die Idee, | |
ausgerechnet den Namen einstiger Nazis oder NS-Sympathisanten an das | |
Schultor zu schreiben? Und sie damit zu Vorbildern für heutige und kommende | |
Generationen zu adeln? Das zeugt von einer Geschichtsblindheit, die man | |
kaum für möglich gehalten hatte. | |
Eine Goebbels-Schule oder ein Himmler-Gymnasium sind natürlich heute | |
undenkbar. Aber auch bei Personen, die sich nur zeitweise dem | |
Nationalsozialismus anschlossen, hätte man erwarten können, dass sich die | |
Kommunen damit befassen, wie tief diese im braunen Sumpf steckten. Doch das | |
Gegenteil ist der Fall: Viele Schulen und Gemeinden beschönigen, aus | |
Absicht oder Unwissenheit, die Biografien der Namensgeber. | |
Nun werden es kritische Schüler, Eltern und Bürger richten müssen: Sie | |
können recherchieren, welche Rolle die Schulpaten zwischen 1933 und 1945 | |
gespielt haben, und können die Debatten in ihre Schulen, Gemeinden und | |
Lokalzeitungen tragen. Und sie können so viel Wirbel veranstalten, bis die | |
Schule ihren Namen ändert. | |
Es dürfte nicht so schwer sein, bessere Namenspaten zu finden. Vielleicht | |
sollten die Gemeinden mal unter den Holocaust-Opfern Ausschau halten. In | |
Sachsen tragen gerade einmal fünf deren Namen - die von Anne Frank und | |
Janusz Korczak. Und das bei mehr als 2000 Schulen. | |
5 Feb 2009 | |
## AUTOREN | |
Wolf Schmidt | |
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