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# taz.de -- Doku-Filmer Yoav Shamir über Antisemitismus: "Das Gefühl, beleidi…
> Der Dokumentarfilmer Yoav Shamir hat für seinen Film "Defamation"
> weltweit erkundet, wie Juden mit Antisemitismus umgehen. Seine Fragen
> erscheinen naiv, umso komplizierter sind die Antworten.
Bild: Der Dokumentarfilmer Yoav Shamir will keine vorgefertigten Antworten lief…
taz: Herr Shamir, am Anfang Ihres Films stellen Sie die Frage nach der
Aktualität des Antisemitismus. Die Beantwortung überlassen Sie aber
anderen. Warum?
Yoav Shamir: Mir ging es gar nicht darum, die Frage zu entscheiden, ob es
Antisemitismus gibt oder nicht. Dieser Film beschreibt eine Suchbewegung.
Wenn man aber schon vorher weiß, was man finden will, dann braucht man mit
der Suche gar nicht erst anzufangen. Wie aber findet man etwas über
Antisemitismus heraus? Ich habe mich an die Leute gewandt, die sich an
vorderster Front mit dem Phänomen beschäftigen. Der Film versucht,
Wahrnehmungen zu beschreiben: Wie gehen wir als Israelis, als Juden mit
etwas um, das Teil unseres Lebens ist?
Sie zeigen Leute, die Antisemitismus für ein universelles Phänomen halten.
Andere sagen, es gebe ihn gar nicht mehr.
Es zeigt sich, dass verschiedene Menschen dasselbe Phänomen auf
verschiedene Weise interpretieren.
Sie lesen Antisemitismus auch als Ergebnis einer sich selbst erfüllenden
Prophezeiung. Ihr Beispiel ist eine israelische Schulklasse, der
beigebracht wird, dass die ganze Welt sie hasst.
Sie spielen auf das Beispiel der israelischen Mädchen in Polen an, die von
alten polnischen Männern angesprochen werden. Die reden zwar wirres Zeug,
aber mit Antisemitismus hat das nichts zu tun. Die Mädchen verstehen nicht,
was die Alten sagen, fühlen sich aber grob beleidigt, weil sie nichts
anderes erwarten.
Ist Ihr Film in erster Linie für ein jüdisches oder israelisches Publikum
gemacht?
Wenn ich Filme mache, dann in erster Linie für mich selbst. Aber natürlich
ist der Film aus einer israelischen Perspektive gemacht. Ich weiß nicht,
wie Juden außerhalb Israels denken. Ich kann nicht ihre Erfahrungen
kritisieren. Das Gefühl, beleidigt zu werden, ist immer wahr für
denjenigen, der es hat. Ich habe eine israelische Identität. Die ist zum
Teil jüdisch, zum Teil dadurch geprägt, dass ich im Nahen Osten lebe. Ich
glaube, Juden außerhalb Israels haben es schwerer, sich ihrer Identität zu
versichern. Das wird dann zum Problem, wenn ihre Identitätssuche mich
betrifft. Eine der Frauen im Film sagt, Israel sei ihre
Versicherungspolice. Das hat zur Folge, dass ich die Bürde tragen muss, die
gesamte jüdische Nation zu verteidigen, wo immer sie sich befinden mag. Es
bedeutet außerdem, dass es weniger wichtig für mich sein soll, mit dem
Palästinenser klarzukommen, der zehn Kilometer weit weg wohnt, und ich
stattdessen für ein starkes Israel eintreten muss, das sich nichts gefallen
lässt.
Sie zeigen Ihre Großmutter, die antisemitische Klischees über Diasporajuden
reproduziert. Ist das wiederum Teil Ihrer zionistischen Identität?
Sie hat das Land mit aufgebaut. Wenn man sich die zionistischen Autoren wie
Nordau oder Herzl anschaut, zeigt sich, dass sie auf eine bestimmte
historische Situation geantwortet haben. Damals waren die Juden die am
deutlichsten erkennbaren Anderen. Die Zionisten wollten die Vergangenheit
loswerden. Der Säkularismus stammt aus dieser Zeit. Der Kibbuznik ist das
Idealbild des neuen Juden, groß und blond. Er bearbeitet das Land und trägt
Waffen. Meine Großmutter repräsentiert im Film den Kern des Zionismus.
Der Frage, unter welchen Umständen sich Antisemitismus hinter Antizionismus
verbirgt, wird in Ihrem Film nicht wirklich nachgegangen.
Der zweite Teil des Films handelt doch fast nur davon. Ich habe einen Teil
des Schnitts in Dänemark gemacht. Dort habe ich ständig linke
antiisraelische Statements zu hören bekommen. Manches davon könnte durchaus
auf einer antijüdischen Stimmung basieren. Aber diese Frage interessiert
mich eigentlich nicht. Mir geht es darum, wie wir damit umgehen. Wenn Leute
Kritik an Israel dazu benutzen, ihre antisemitischen Ressentiments
loszuwerden, ist das nicht mein Problem. Wenn ich also Teile der
israelischen Politik in der Westbank nicht für richtig halte, werde ich das
nicht deswegen nicht äußern, weil jemand anders daraus die falschen
Schlüsse zieht.
Sie nehmen in Kauf, dass Antisemiten Ihren Film genießen können?
Wenn jemand große Freude daran hat, was meine Großmutter sagt, sollte er
sich fragen, was ihm daran eigentlich so viel Freude macht.
9 Feb 2009
## AUTOREN
Ulrich Gutmair
Ulrich Gutmair
## TAGS
Doku
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