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# taz.de -- Blutige Unruhen in Madagaskar: Der Daewoo-Deal
> In Antananarivo eskaliert der Machtkampf. Oppositionsführer Andry
> Rajoelina macht sich den Unmut der Bevölkerung über die Korruption
> zunutze. Dazu gehört auch der Daewoo-Deal.
Bild: Die Sicherheitskräfte schossen ohne Vorwarnung.
"Wir haben friedlich demonstriert", berichtet Jocelyn Ratolojanahary, die
mit einer bandagierten Hand im größten Krankenhaus der Hauptstadt
Antananarivo sitzt. "Ohne Vorwarnung haben die Sicherheitskräfte plötzlich
das Feuer auf uns eröffnet." Auf Fernsehbildern lässt sich ihre Erzählung
nachvollziehen: Wahllos schießen Polizei und Militär in die Menge. Panik
kommt auf, zahlreiche Demonstranten werden zu Tode getrampelt. Mindestens
28 seiner Anhänger kommen bei der Kundgebung von Oppositionsführer Andry
Rajoelina am vergangenen Samstag nach Polizeiangaben ums Leben, mehr als
200 Personen werden verletzt.
Die meisten befinden sich wie Jocelyn Ratolojanahary im völlig überfüllten
Zentralkrankenhaus. Auf den Gängen hat man Bahren für die Patienten
aufgebaut, wer dort keinen Platz fand, liegt wimmernd auf dem Boden. Aus
Protest gegen das brutale Vorgehen von Polizei und Militär - das ein von
Präsident Ravalomanana frisch ernannter Sicherheitschef zu verantworten hat
- ist Verteidigungsministerin Cécile Manorohanta am Montag zurückgetreten.
Drei Tage nach dem Blutbad vor dem Präsidentenpalast in Madagaskars
Hauptstadt Antananarivo ist Andry Rajoelina immer noch fest entschlossen,
den Machtkampf mit Präsident Marc Ravalomanana für sich zu entscheiden.
Während der von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon entsandte Sonderbeauftragte
Haile Menkerios für Dialog wirbt, stellt Rajoelina kaum annehmbare
Bedingungen. "Wir sind bereit zu reden, wenn die andere Seite baldigen
Neuwahlen zustimmt", hat er dem madagassischen Express erklärt und in der
Tribune verbreiten lassen, er sei Opfer eines fehlgeschlagenen Anschlags
geworden. Eine schnelle, friedliche Einigung scheint unwahrscheinlich.
In Antananarivo patrouillieren am Dienstag schwer bewaffnete Polizisten,
die Lage ist zumindest äußerlich ruhig. Doch die Stimmung ist seit Samstag
extrem angespannt. Andry Rajoelina, ehemaliger DJ und Bürgermeister von
Antananarivo, hatte zu einem Konzert mit Kundgebung geladen. Mehr als
20.000 vor allem junge Anhänger des charismatischen Redners sind dabei, als
er auf dem größten Platz der Stadt eine neue "Übergangsregierung" für
Madagaskar vorstellt. Zum neuen Präsidenten hatte sich Rajoelina schon eine
Woche zuvor gekürt. "Kraft meines Amtes ernenne ich Monja Roidenfo zum
ersten Premierminister der vierten Republik", ruft Rajoelina, immer wieder
unterbrochen vom Jubel der Menge, die er kurz darauf zum Marsch auf den
Präsidentenpalast auffordert. Doch was als Machtbeweis beginnt, endet
blutig. Die Demonstranten, die vor dem Präsidentenpalast förmlich
niedergemäht werden, sind die jüngsten Opfer des erbarmungslosen
Machtkampfes zwischen Rajoelina und Ravalomanana. Insgesamt sollen in den
vergangenen Wochen mehr als 125 Menschen ihr Leben verloren haben.
Es ist die schlimmste Krise Madagaskars, seit Ravalomanana vor sieben
Jahren zum Präsidenten gewählt wurde. Damals verweigerte der seit mehr als
20 Jahren regierende Marxist und Marineoffizier Didier Ratsiraka dem
Wahlsieger Ravalomanana den Sieg. Ratsiraka ließ die Straßen und Brücken
rund um die Hauptstadt mit Dynamit verminen und hungerte die Bevölkerung
aus. Erst als sich nach fünf Monaten Nahrungsmittel- und Benzinmangel die
Armee auf Ravalomananas Seite schlug, floh Ratsiraka ins Exil nach
Frankreich.
Schnell machte Ravalomanana sich einen Namen als Hoffnungsträger für das
heruntergewirtschaftete Land, wo 21 Millionen Menschen auf einer Fläche
leben, die mehr als doppelt so groß wie Großbritannien ist. Der Großteil
der Bevölkerung lebt von Subsistenzwirtschaft. Einige wenige bauen Vanille
und Kaffee an, die beiden wichtigsten Exportagrargüter. Bis heute leben
trotz neuer Rohstofffunde mehr als zwei Drittel der Bevölkerung unterhalb
des Existenzminimums von 1 Dollar am Tag.
Auch Marc Ravalomanana stammt ursprünglich aus ärmlichen Verhältnissen.
Sein heutiger Reichtum stärkte den Unmut gegen ihn, vor allem in der
Hauptstadt. "Wir sind ein armes Land, es sollte vorwärtsgehen für uns",
beklagt ein Taxifahrer. "Stattdessen geht es immer nur weiter abwärts." Wie
die meisten Menschen in Antananarivo will auch der ältliche Mann mit grauem
Haar anonym bleiben. Ravalomanana wird als autoritärer Herrscher
gefürchtet. "Die Einzigen, die Geld machen, sind doch der Präsident und
seine Bagage", flüstert eine aufgebrachte Marktverkäuferin. Als vor einigen
Monaten bekannt wurde, dass die Regierung eine Fläche halb so groß wie
Belgien an den koreanischen Mischkonzern Daewoo verpachten will, war für
sie wie für viele andere die Grenze des Zumutbaren erreicht. "Kurz danach
hat der Präsident sich eine neue Privatmaschine gekauft. Die haben die doch
finanziert", glaubt die Händlerin. Kostenpunkt für die nach Ravalomananas
Plänen umgebaute Boeing 737, die zuvor einem Disney-Manager gehörte: fast
50 Millionen Euro.
Doch nicht nur die vermeintliche Korruption hat den Daewoo-Deal zum Symbol
für die Politik Ravalomananas werden lassen, der das Land führt, als wäre
es Teil seines Konzerns. Daewoo hatte sich zuvor ganz freimütig über den
Millionendeal geäußert. "Wir haben eine Verträglichkeitsstudie
abgeschlossen und uns um konkrete Flächen beworben", sagte der zuständige
Manager von Daewoo Logistics in Antananarivo, Saudaranta Tarigan, noch im
Dezember. "Um welche Flächen es sich genau handelt, wissen wir aber noch
nicht."
Auf einer Million Hektar wollen die Koreaner Futtermais für Schweine
anbauen, auf weiteren 300.000 Hektar Ölpalmen, die für die
Biodieselproduktion genutzt werden sollen. Das Land-Leasing ist für das
dicht bevölkerte Korea, das teure Grundnahrungsmittel importieren muss, ein
Königsweg. Madagaskar soll im Gegenzug eine nicht genannte Summe erhalten,
außerdem sollen Arbeitsplätze für 700.000 Menschen entstehen - unter ihnen
allerdings viele Gastarbeiter aus Südafrika. "Das ist ein Skandal in einem
Land, in dem Land und Nahrung Mangelware sind", regt sich ein
Umweltschützer auf, der wegen der politischen Lage anonym bleiben will.
"Lebensmittel werden immer teurer, wir brauchen die Flächen selber."
Über die Regierenden brach ein unerwarteter Proteststurm herein.
Madagaskars Landminister Marius Ratolojanahary ruderte beim Daewoo-Deal als
Erster zurück: "Mehr als Absichtserklärungen gibt es bisher noch nicht."
Angeblich gehe es nur um 100.000 Hektar, so der Minister. "Alles Weitere
muss man dann sehen." Doch diese Ausflüchte glauben weder die Menschen auf
Madagaskars Straßen noch die Vertreter der wichtigsten Geberländer. Einem
eigens in Paris anberaumtem Gipfeltreffen zum Daewoo-Skandal blieb
Madagaskars Landwirtschaftsminister unentschuldigt fern. "Madagaskar wird
auf lange Sicht eines der wenigen afrikanischen Länder sein, wo die Armut
zu- statt abnimmt", gibt sich der inzwischen abgelöste Repräsentant des
Internationalen Währungsfonds (IWF), der Belgier Pierre van den Boogaerde,
konsterniert.
Die Unbeliebtheit Ravalomananas nutzte Rajoelina für seinen Aufstieg. Er
steht zwar für Wandel, doch ist er Ravalomanana ähnlicher, als er zugeben
will. Kurz nach seinem Amtsantritt als Bürgermeister ließ Rajoelina etwa
einer konkurrierenden Werbeagentur kurzerhand alle Werbetafeln abnehmen -
heute gehören sie seiner Firma Injet. Erstaunlich ist die Vehemenz, mit der
Rajoelina sich jetzt als starker Mann verkauft. "Auf dem Land kennen ihn
viele überhaupt nicht", gibt einer seiner Berater zu bedenken.
Unsicherheit und Gerüchte bestimmen nun den Alltag. "Es gibt seit Tagen
kaum noch Salz, Öl und Zucker auf den Märkten", berichtet Nadine Ralaivao,
eine Großhändlerin. "Auch Benzin wird knapp." Steigende Preise und die
Toten auf den Straßen verfehlen ihre Wirkung nicht auf die Anhänger
Rajoelinas. "Wir wollten jemand, der näher am Volk ist", sagt ein
Jugendlicher, "aber doch keinen Bürgerkrieg." Auch den Investoren wird
langsam bange. "Wir werden unser Vorhaben verschieben", kündigte am
Dienstag Shin Dong-hyun in der Daewoo-Konzernzentrale an. "Die politische
Instabilität und gesunkene Maispreise machen das Vorhaben zunehmend
unattraktiv."
11 Feb 2009
## AUTOREN
Marc Engelhardt
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