# taz.de -- Kreuzberger gegen offene Drogenszene: Fixer sollen sich verdrücken | |
> Die Stimmung am Kottbusser Tor ist schlecht. Auf einer Versammlung | |
> fordern Anwohner härtere Maßnahmen gegen die Drogenszene vor Ort. Am | |
> Samstag organisiert eine neue Initiative eine Demo. | |
Bild: Für viele Anwohner nur noch zum Wegfahren: Der U-Bahnhof Kottbusser Tor … | |
Die Stimmung in dem kleinen Mietertreffpunkt ist gereizt. "Jetzt reicht | |
es", ruft eine Frau mittleren Alters. "Wir sind mit der Geduld am Ende." | |
Sie ist eine von zwanzig Anwohnern des Kottbusser Tors, die dem Aufruf | |
einer neuen Initiative gefolgt sind und sich am Dienstagabend zur | |
Diskussion treffen. | |
Seit mehr als 20 Jahren leben am Kottbusser Tor Kreuzberger und die | |
Drogenszene nebeneinander. Vor allem für die Bewohner des Hochhauses Neues | |
Kreuzberger Zentrum gehören die Dealer und ihre Kundschaft zum Alltag. Die | |
Szene wurde fast zu einem Wahrzeichen vom "Kotti". Das wollen einige | |
Anwohner nun nicht mehr akzeptieren. | |
Die Menschen in dem Mietertreffpunkt sind sauer: auf die Drogenhändler, die | |
Bezirkspolitiker, die Polizei. Ausrufe wie "Die Politik hat uns im Stich | |
gelassen" und "So kann es nicht weitergehen" fallen immer wieder. Laut | |
Ercan Yasaroglu, einem Sozialpädagogen und Mitbegründer der Initiative, | |
soll es gewaltbereite Anwohner geben, die Selbstjustiz üben wollen. | |
Gerade das möchte die Initiative verhindern. Sie versucht stattdessen, eine | |
friedliche Lösung auszuhandeln. Doch auf dem Treffen zeigt sich, dass eine | |
Einigung zwischen den Beteiligten schwierig sein wird. | |
Obwohl die Erfahrung gezeigt hat, dass repressive Maßnahmen keine | |
dauerhafte Lösung bringen, rufen einige Teilnehmer nach härterem Vorgehen | |
gegen die Drogenszene. "Warum muss man immer den gleichen Menschen Leid | |
zutragen?", fragt Sen Akyol, der seit 26 Jahren am Kottbusser Tor wohnt. | |
"Die Szene soll sich woandershin verlagern." Viele Anwesenden nicken. | |
Die Kritik am angeblich zu laxen Vorgehen der Polizei, die sich dahinter | |
verbirgt, weist der anwesende Polizeivertreter zurück. Seit Anfang Januar | |
seien am Kotti täglich mehrere Polizisten präsent. Ab März soll die | |
Einsatzzahl sogar verdoppelt werden. "Trotzdem wird das nicht viel bringen, | |
weil man so die Junkies nur weiter zum Wassertor oder Moritzplatz | |
vertreibt", sagt er. Statistisch gesehen sei die Anzahl der aufgegebenen | |
Anzeigen am Kottbusser Tor nicht gestiegen. Nachdem er den Raum verlassen | |
hat, bemerkt eine Anwohnerin spöttisch: "Die Polizei ruft doch niemand mehr | |
an." Bis die komme, seien Junkies und Dealer längst verschwunden. | |
Die Idee der Initiative: Auf einem Grundstück am Ostbahnhof soll eine | |
Infrastruktur für Süchtige aufgebaut werden - Fixerstuben, Toiletten, | |
Beratung. In der Nähe gebe es laut Yasaroglu keine Schulen oder | |
Kindergärten. "Wir haben das dem Bezirk vorgeschlagen. Niemand hat uns | |
ernst genommen." | |
Kerstin Dettmer lehnt diesen Vorschlag ab. "Die Drogenkonsumenten werden | |
nicht vom Kottbusser Tor weggehen. Es ist ihr vertrauter Bezirk, sie sind | |
nicht besonders mobil." Sie leitet den Druckraum in der nahen Dresdner | |
Straße, wo sich Abhängige in Ruhe einen Schuss setzen können und Beratung | |
erhalten. Dettmer schlägt vielmehr einen Ausbau des Hilfsangebots für | |
Süchtige vor: Druckräume mit längeren Öffnungszeiten und ein Café, wo | |
diejenigen unterkommen können, die sich im Druckraum nicht aufhalten dürfen | |
- vor allem Raucher und Substituierte. "Damit könnte die Bevölkerung | |
entlastet werden", hofft Dettmer. | |
Das hören die Anwohner nicht gern. Der Druckraum erfreut sich in der | |
Nachbarschaft keiner Beliebtheit. Die Bewohner glauben, dass er die Junkies | |
erst anlockt. Ende März wird er wegen Mieterklagen geschlossen. | |
Trotz unterschiedlicher Positionen will die Initiative auf eine gemeinsame | |
Strategie nicht verzichten. "Wir müssen alle ins Boot holen", sagt | |
Yasaroglu. "Die Lösung wird ein Mosaik verschiedener Maßnahmen werden." | |
Erste gemeinsame Aktion ist eine Demo am Samstag. | |
19 Feb 2009 | |
## AUTOREN | |
Adéla Jureèková | |
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